Eine Person steckt seine Wahlzettel zu Kommunalwahl in eine Wahlurne.  Darauf die Schrift Kommentar und ein Foto von Uta Deckow.
Kommantar Uta Deckow Bildrechte: MDR | picture alliance/dpa | Patrick Pleul

Kommentar Wahlen in Sachsen: Der härteste Wahlkampf steht allen noch bevor

10. Juni 2024, 18:56 Uhr

Trotz aller Erklärungsversuche: Der heutige Tag zeigt vor allem, wie ratlos die sächsischen Parteien vor der Landtagswahl dem blauen Phänomen gegenüberstehen. Die AfD ist in weiten Regionen Sachsens fest verwurzelt. Die sächsischen Regierungsparteien reagieren mit Ampel-Kritik und dem Appell, auf sächsische Themen zu setzen.

Keine Sekunde habe die Ampel über Neuwahlen nachgedacht, so hieß es heute in Berlin. So viel Klarheit hätte man sich von Scholz und Co. oft in den vergangenen Wochen und Monaten gewünscht. Umso mehr wirkt die Berliner Klarheit nun trotzig-arrogant angesichts der Ratlosigkeit, die bei denen um sich greift, die nun die Landtagswahlen vor der Brust haben und herbe Verluste einfahren mussten.

Es dürfe kein Weiter-So in Berlin geben, mahnt Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer. Sein Generalsekretär macht die Ampel für die Stimmung in Sachsen, für die blaue Welle bei der Europawahl verantwortlich. Doch was in Berlin geschieht, haben die beiden so wenig in der Hand wie in den vergangenen Monaten, in denen Kretschmer kaum eine Chance ausließ, die Ampel zu kritisieren. Und nun muss die sächsische Union erkennen, Kretschmers Dauerfeuer auf die Ampel greift zwar die Stimmung im Land auf, zahlt hier aber nicht auf die CDU ein.

Sonderrolle von Kretschmer hilft CDU bei Wahlen nicht

Dass Kretschmer in der Union eine Sonderrolle eingenommen hat, schon lange Zeit, was die Haltung zu Ukraine und Russland angeht, zahlt bei dieser Wahl nicht ein. Dass er schon vor einem Jahr darauf hinwies, dass die Diskussion um eine Brandmauer gegen die AfD auf kommunaler Ebene nicht helfe, aber für das Land ganz klare Kante zog, zahlt nicht ein. Die Stimmung im Land hat er gesehen. Der gern gebrauchte Vorwurf, Politiker würden nicht hören, was die Menschen bewegt, greift bei ihm nun wahrlich nicht.

Auch mit der Forderung, über die eigenen Themen zu reden statt nur vor Populisten zu warnen und Bekenntnisse abzuverlangen, hat Kretschmer zweifelsohne recht. Am Mittwoch will er eine Regierungserklärung abgeben: eine Bilanz der sächsischen Regierung aus CDU, Grünen und SPD. Die Erfolge sollen im Mittelpunkt stehen.

Elf Wochen vor der Landtagswahl dürfte es schwer werden, dass diese Botschaft bei den Wählern ankommt. Nicht nur in seiner Neujahrsansprache ließ Kretschmer die Chance verstreichen, zu oft bot die sächsische Regierung ein zerstrittenes Bild. Das Beispiel der Ampel zeigt: Das honorieren die Wähler nicht. Gemeinsam Erfolge zu vermitteln, das gehörte wahrlich nicht zur Kernkompetenz der sächsischen Landesregierung.

Botschaften erreichen viele Wähler nicht

Zu den bitteren Wahrheiten aber gehört auch: Die Botschaften erreichen viele Wähler gar nicht mehr. Emotionen schlagen Sachargumente und Fakten. Algorithmen in sozialen Netzwerken befeuern das. Da kann die AfD munter weiter die Opferrolle bemühen, kann Menschen gewinnen mit der Behauptung, man dürfe nichts mehr sagen – während sie im ländlichen Raum in Sachsen inzwischen, wie Wahlergebnisse und Plakatflut zeigen, die Meinungshoheit hat. Grüne, Linke oder Liberale sind eher in der Minderheit.

Da kann AfD-Chef Jörg Urban weiter die Legende von der bösen Medienkampagne gegen den Europa-Spitzenkandidaten Maximilian Krah stricken, mit dem er gestern Abend noch feierte und den heute die eigenen AfD-Europa-Abgeordneten nicht in ihrer Fraktion haben wollten. Krah war ihnen, den eigenen Leuten, nun wohl selbst zu suspekt. Sachsens AfD-Wähler nehmen selbst das nicht krumm. Und wenn sie gestern Abend im Netz noch kräftig mutmaßten, bei der Wahl würde geschummelt, dann heute aber große Erfolge feiern, sehen sie auch das nicht als Widerspruch. Das kann andere Parteistrategen nur ratlos zurücklassen.

Härtester Wahlkampf steht noch bevor

Elf Wochen sind es noch bis zur Landtagswahl. Und ja, es muss um die sächsischen Themen gehen: Wie werden Landkreise und Kommunen wieder handlungsfähiger, wie soll sich das Leben auf den Dörfern, in den Städten entwickeln, wie Ärzte- und Lehrermangel bekämpft werden, woher die Arbeitskräfte für Handwerk und Industrie kommen? Es sei der härteste Wahlkampf gewesen, den man bisher erlebt hat, hieß es heute von der SPD. Ich fürchte, der härteste Wahlkampf steht den Parteien in Sachsen noch bevor.

MDR (ali)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Radioreport | 10. Juni 2024 | 18:00 Uhr

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