
Leipziger Verein hilft Demenz in der Familie oder Nachbarschaft - was ist zu beachten?
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19. März 2025, 05:00 Uhr
Die Zahl der Demenzerkrankten in Deutschland steigt kontinuierlich. Nach Schätzungen könnte es 2050 drei Millionen Erkrankte geben. Berater und Anwälte empfehlen eine frühzeitige Vorsorge. Sie geben Hinweise, wie man sich selbst, seinen Angehörigen, aber auch möglicherweise Betroffenen in der Nachbarschaft helfen kann.
- In Deutschland könnte es nach Schätzungen im Jahr 2050 etwa drei Millionen Demenzkranke geben.
- Berater erklären, wie man für Angehörige oder sich selbst am besten bei der Vorsorge vorgeht.
- In der Nachbarschaft sollte man sensibel und aufmerksam auf eventuell Betroffene reagieren.
Viele Flyer liegen vor Sandra Wünsche auf einem Tisch verteilt. Es gebe für Angehörige wie auch für Demenzerkrankte viele Anlaufstellen in Leipzig, erklärt die Geschäftsführerin des Vereins "Selbstbestimmt Leben" in Leipzig. Wünsche leitet die Demenzberatungstelle in der Büttnerstraße 22 - ihr zufolge die größte Anlaufstelle bei diesem Thema in der Stadt.
Sandra Wünsche kenne viele der durch die Krankheit bedingten Familienschicksale: "Gerade die pflegenden Angehörigen, die einen Demenzerkrankten zu Hause 24 Stunden über Jahre hinweg pflegen und betreuen, sind sehr belastet sind." Demenz sei auch ein Thema, das zunehmend jüngere Menschen betrifft: "Zu uns kommt demnächst eine Frau mit 40, die denkt, dass sie eine Demenz hat. Das gibt es auch, dass die Leute immer jünger werden."
Schätzungen: Drei Millionen Demenz-Erkrankte in Deutschland
Deutschlandweit gibt es Wünsche zufolge 1,8 Millionen Menschen mit Demenz - Tendenz steigend. Allein für Leipzig spricht sie von 13.000 bis 15.000 Demenzerkrankten. "Die Dunkelziffer ist jedoch weitaus größer", erklärt Wünsche.
Die Dunkelziffer ist jedoch weitaus größer.
Viele Erkrankungen seien nicht diagnostiziert. Nach Schätzungen wird es demnach im Jahr 2050 etwa drei Millionen Menschen in Deutschland geben, die eine Demenz haben.
Frühe Diagnose: Ambulanzen und Neurologen können helfen
Zu Sandra Wünsche in die Beratungstelle kämen oft Söhne und Töchter, die bei ihren Eltern eine Demenz vermuten. Diese sagten ihr dann: "Ich mache mir Sorgen um meine Eltern, die alleine zu Hause sind, alles vergessen und nicht mehr richtig einkaufen gehen können." Wichtig sei eine möglichst frühe Diagnose, um zu klären, ob es sich um eine Demenz handelt und welche Form davon, empfiehlt Wünsche.
Da könnten Gedächtnisambulanzen und Neurologen und manche Hausärzte helfen. Frühzeitig sollten Angehörige wie auch Betroffene über das Thema Patientenverfügung und Vollsorgevollmacht nachdenken, sagt Wünsche.
Diese Anlaufstellen für Demenzerkrankte gibt es in Sachsen (Auswahl)
Leipzig: Demenz-Fachberatungsstelle im Sozialamt, Prager Straße 21/Telefon: 0341-1234510/E-Mail: demenzberatung@leipzig.de
Dresden: Alzheimer Gesellschaft Dresden e. V., Borsbergstraße 7/Telefon: 0351-41384580/E-Mail: anfrage@alzheimergesellschaft-dresden.de
Chemnitz: Demenzberatung im Sozialamt, Bahnhofstraße 53/Demenztelefon: 0371-4885555/E-Mail: pflegenetz_c@stadt-chemnitz.de
Zwickau: Pflege- und Demenzberatung der Stadtmission Zwickau, Lothar-Streit-Straße 22/Telefon: 0375-30317520/E-Mail: pdb@stadtmission-zwickau.de
Görlitz: Demenzberatung des Städtischen Klinikums Görlitz/ Telefon 03581-371596/E-Mail: demenztelefon@klinikum-goerlitz.de
Wie kann ich für mich oder Angehörige vorsorgen?
Auch die Fachanwältin für Familienrecht Ursula Mrosk-Fröde empfiehlt, sich rechtzeitig um eine Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung zu kümmern. Mit der Vorsorgevollmacht bevollmächtigt man eine Person des Vertrauens, Regelungen zu treffen, wenn man selbst körperlich oder geistig nicht mehr in der Lage ist, erläutert Mrosk-Fröde.
Die Patientenverfügung könne die Vorsorgevollmacht ergänzen, führt sie weiter aus: "Die ist wichtig, wenn ich selber nicht mehr in ärztliche Behandlungen einwilligen kann, weil ich nicht in der Lage bin. Sei es, weil ich plötzlich ohne Bewusstsein bin, aufgrund eines Unfalls oder weil ich tatsächlich im Endstadium meines Lebens bin.“
Wichtig ist laut Mrosk-Fröde eventuell auch eine private Haftpflichtversicherung. Denn auch ein Demenzerkrankter hafte für etwaige Schäden. Die Erkrankung sollte dann bei der Versicherung angegeben werden. Manche Versicherungen bieten Mrosk-Fröde zufolge spezielle Versicherungsleistungen an.
Kann ich auch einem Nachbarn helfen?
In der Regel bekommt man mit, ob ein Angehöriger im Haushalt noch zurecht kommt oder nicht. Doch gibt es Möglichkeiten auch beispielsweise der älteren Nachbarin zu helfen, die ein auffälliges Verhalten zeigt?
Mrosk-Fröde nennt hierbei den Psychatrischen Dienst, an den man sich wenden könne. "Der berät einen kostenfrei und würde jemanden vorbeischicken und im Zweifel das Notwendige unternehmen, wenn es soweit ist."
Nicht alles, was wie Demenz aussieht, ist auch eine
Doch in einem ersten Schritt könne man die Person direkt ansprechen und gegebenenfalls Angehörige miteinbeziehen, empfiehlt die Koordinatorin der Demenzberatungsstelle im Sozialamt der Stadt Leipzig, Sabine Schmidt. "Nicht alles, was auf kognitive Einschränkungen hindeutet, ist gleich eine Demenzerkrankung", betont sie.
Nicht alles, was auf kognitive Einschränkungen hindeutet, ist gleich eine Demenzerkrankung.
Von außen einzugreifen, ohne dass die betroffene Person ihre Zustimmung dafür gibt, ist laut Schmidt erst per richterlichen Beschluss möglich und wenn Selbst- und Fremdgefährdung besteht. Das gilt auch für Vermieter, die nicht einfach auf Verdacht etwa den Herd abstellen können.
Offene Augen in der Nachbarschaft haben
Schmidt wirbt für Achtsamkeit in der Nachbarschaft, um möglicherweise Betroffenen möglichst lange ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. "Die Nachbarschaft hat auch einen gewissen Blick darauf, dass die Menschen mit einer Einschränkung oder mit einer Demenzerkrankung solange wie möglich in ihren eigenen vier Wänden mit einer guten Lebensqualität leben können."
MDR (phb/bbr)