
Performance und Erinnerungsort NS-Widerstand: Neuer Gedenkort erinnert an "Leipziger Meuten"
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24. April 2025, 06:54 Uhr
Sie trafen sich in Reudnitz, Kleinzschocher und Lindenau, trugen bayrische Trachten und prügelten sich mit Anhängern der Hitlerjugend. Die Leipziger Meuten waren Ende der 30er-Jahre die größte oppositionelle Jugendbewegung Deutschlands. Aber kaum jemand kennt sie. Eine Gruppe junger Schauspielenden am Theater der jungen Welt und das Jugendparlament Leipzig wollen das ändern. Mit einer musiktheatralen Performance und einem Gedenkort wollen sie an die Leipziger Meuten erinnern.
- Die Leipziger Meuten waren mit 1.500 Mitgliedern die größte oppositionelle Jugendbewegung der 1930er-Jahre.
- In Leipzig wird am Donnerstag am Lindenauer Markt ein Gedenkort eröffnet, um an sie zu erinnern.
- Zusätzlich realisiert das Theater der jungen Welt eine musiktheatrale Inszenierung zum Thema Widerstand damals wie heute.
Eine Gruppe Jugendlicher lächelt in die Kamera. Auf dem alten Foto tragen sie weite Hosen, einige von ihnen Filzhüte – so wie man sie von bayrischen Trachten kennt. Ein bisschen erinnern sie an Pilger. Doch zu ihrer Zeit gehörten sie zur größten oppositionellen Jugendbewegung Deutschlands: den Leipziger Meuten.
Leipziger Meuten: Keine Lust auf NS-Indoktrination
Das Foto stammt aus der Sammlung von Sascha Lange. Der Historiker forscht seit Jahrzehnten zu den oppositionellen Jugendgruppen der Stadt. "Ich habe erst nach 1990 in einem westdeutschen Buch etwas über die Leipziger Meuten erfahren, als sich dort ein Historiker auch mit diesem Phänomen beschäftigt hatte. In der westdeutschen Geschichtswissenschaft waren die Leipziger Meuten also schon Ende der 70er-Jahre bekannt, aber nicht in der DDR."
Während sich in den 1930er-Jahren immer mehr Jugendliche der Hitlerjugend und dem Bund Deutscher Mädel anschlossen, stellten sich die Mitglieder der Leipziger Meuten gezielt gegen das Nazi-Regime. Sie sangen Arbeiterlieder, kleideten sich alternativ und gingen auf Konfrontation mit Anhängern der Hitlerjugend. Sie fielen auf, waren unangepasst und gerieten so immer wieder in das Visier von Gestapo und NS-Justiz.
Die Leipziger Meuten hatten keine Lust auf die nationalsozialistische Indoktrination. Daraus entwickelte sich ein jugendkulturelles Bewusstsein.
Die Leipziger Meuten gehörten nicht zu den gut vernetzten Jugendkommunisten, sondern waren eher lose, unorganisierte Jugendcliquen. Trotzdem verstanden sich viele von ihnen als kommunistisch oder sozialdemokratisch. "Sie hatten keine Lust auf diese nationalsozialistische Indoktrination. Und daraus hat sich dann auch so ein jugendkulturelles Bewusstsein entwickelt", erklärt Lange.
Ein neuer Gedenkort für Leipzig
Dieses jugendkulturelle Bewusstsein färbt bis heute ab. Jugendliche aus Leipzig wollen nun die Geschichte junger Opposition in der NS-Zeit aufarbeiten und lebendig halten. Rund zwei Wochen vor dem 80. Jahrestag der Befreiung Europas vom Nationalsozialismus bekommt die Stadt einen neuen Gedenkort – mitten auf dem Lindenauer Markt, einem der zentralen Orte, an denen sich die Leipziger Meuten trafen. Eine Leuchttafel soll künftig an ihr Wirken erinnern. Initiiert wurde das "Meuten Memorial" vom Leipziger Jugendparlament.
Musiktheater: Was bedeutet Protest damals und heute?
Neben dem Gedenkort wird die Geschichte der Meuten auch künstlerisch aufgearbeitet. Hierfür wandte sich die Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" an das Theater der jungen Welt (TDJW). Unter dem Namen "Meuten Memorial Movement" entstand eine begehbare Konzertinstallation, die nun zusammen mit der Eröffnung des Gedenkortes Premiere feiert. Leipziger Jugendliche, Musikerinnen und Musiker sowie Ensemble-Mitglieder des TDJW performen gemeinsam und stellen sich der Frage: Wann wird Unangepasstheit zu Opposition, wann Opposition zu Widerstand?
Schorsch Kamerun ist Regisseur des Projekts und wirkt auch selbst bei der Performance mit. "Weil wir mit jungen Leuten zusammenarbeiten, fragen wir uns auch: Was könnte heute Protest sein? Inwieweit gibt es überhaupt diese Erinnerung, oder verwischt die sich langsam?"
So ist ja auch meine Biografie. Ich als ehemaliger junger Punker bin auch auf eine Umgebung gestoßen, die mir so nicht zugesagt hat.
Als junger Mensch war Kamerun selbst Punk und fühlt sich dem Thema der Inszenierung verbunden. In seinen Augen lässt sich der Wunsch nach Widerstand und ein Auflehnen gegen Autoritäten in jeder Generation finden: "Das wiederholt sich ja und das kann alles sein: Eltern, Lehrer, Ausbildung oder aber auch das System. Und darauf prallt man."
Die Leipziger Performance ist Teil des musiktheatralen Projekts "Sounds of Resistance". In Kooperation mit der Deutschen Oper am Rhein beschäftigen sich junge Theater- und Musikschaffende aus Leipzig und Duisburg mit Jugendkultur und Widerstand damals und heute. Neben der Inszenierung auf dem Lindenauer Markt entstand auf diese Weise auch ein digitales Archiv auf Instagram mit historischem Foto- und Videomaterial.
Zu sehen ist die Inszenierung noch bis Ende April auf dem Lindenauer Markt.
Der Eintritt ist frei. Eine Voranmeldung ist notwendig.
Freie Plätze gibt es noch am 26.04. und 27.04., jeweils um 15 Uhr und 18 Uhr.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 24. April 2025 | 06:30 Uhr