100. Geburtstag Der Zerrissene: Bildermuseum Leipzig zeigt Werke von Bernhard Heisig
Hauptinhalt
20. März 2025, 04:00 Uhr
Bernhard Heisig war zu NS-Zeiten in der Waffen-SS, in der DDR wurde er SED-Mitglied und Funktionär im Verband Bildender Künstler, Professor und Hochschulrektor. Noch vor der Wende malte er das offizielle Kanzlerporträt von Helmut Schmidt. Die Zerrissenheit des 20. Jahrhunderts spiegelt sich in seiner Biographie wie in seinem Werk. Am 31. März wäre Heisig 100 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass zeigt eine Ausstellung in Leipzig 15 Ölgemälde und 32 Druckgrafiken von ihm.
- Zum 100. Geburtstag des Malers Bernhard Heisig (1925–2011) zeigt das MdbK Leipzig in einer Ausstellung expressive Werke und stille Selbstporträts nebeneinander.
- Das titelgebende Gemälde "Geburtstagsstilleben mit Ikarus" verweist auch auf die zerrissene Biografie des Künstlers.
- Heisigs Kanzlerporträt von Helmut Schmidt zählt zu den Besonderheiten der DDR-Kunstgeschichte.
Das Ständchen zum Geburtstag spielt er sich selbst: Auf einem Foto aus den 1980er-Jahren sieht man den Maler Bernhard Heisig, im Atelierfenster stehend, fröhlich in eine Trompete blasen.
Ein Maler der lauten und der leisen Töne
Das Instrument hat es vielfach in seine überbordenden, am Expressionismus geschulten Bilderwelten geschafft, in denen es oft sehr laut, gerne auch martialisch und gewalttätig zuging. Fantasievoll und farbenfroh hat er sich immer wieder motivisch ausufernd mit der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts beschäftigt.
Eine Geschichte, die für ihn durchaus mit den – die Reichsgründung begleitenden – Kämpfen der Pariser Kommune beginnt, und immer wieder mit der eigenen Weltkriegserfahrung ins Verhältnis gesetzt wird. In Bildern, in denen es ein berserkerisch zu Werke gehender Künstler so richtig krachen lässt.
Doch der Mann und Maler hatte offensichtlich auch seine stilleren Momente. Als sensibler Porträtist seiner selbst zum Beispiel – was er lebenslang tat und wovon beeindruckende grafische Blätter Zeugnis geben. Er malte Landschaften, illustrierte Bücher und wendete sich immer wieder auch der Mythologie zu. Womit wir beim Titel der Schau wären: "Geburtstagsstilleben mit Ikarus."
Bernhard Heisig: Ikarus mit Raketenantrieb
Der Ikarus steht auf dem gleichnamigen Bild als Geschenk seiner Kollegen und Malerfreunde, in Form einer Skulptur, auf dem Gabentisch zu seinem damaligen 60. Geburtstag. Die Flügel weit ausgebreitet, startklar für den Abflug aus einem Blumenmeer. Auf dem Kopf eine rote deutsche Michel-Mütze – oder ist es die eines Jakobiners? Auf dem Rücken trägt er offensichtlich ein Raketen-Aggregat.
Dieses Ikarus-Motiv des Der-Sonne-zu-nahe-Kommens ist vielleicht gerade für jemanden, der so hohe Ämter bekleidet hat, in stillen Momenten ein Thema gewesen.
Ja, ab Mitte der 1970er-Jahre hatte der Maler eine steile Karriere hingelegt. Nachdem er auch schon mal mächtig abgestürzt war. "Dieses Ikarus-Motiv des Der-Sonne-zu-nahe-Kommens und Abstürzens ist vielleicht gerade für jemanden, der so hohe Ämter bekleidet hat, in stillen Momenten immer wieder ein Thema gewesen", vermutet der Kurator der Ausstellung, Phillipp Freytag.
Als Rektor der HGB Leipzig entlassen
1964 hatte Heisig die auf dem Bitterfelder Weg basierende Kulturpolitik seiner SED-Genossen kritisiert und daraufhin den Rektorenposten der Leipziger Hochschule für Grafik- und Buchkunst verloren. 1968 kündigte er dort selbst die ihm noch verbliebene Dozentenstelle, um fortan frei zu arbeiten.
Von Erich Honecker rehabilitiert, war er von 1976 bis 1988 wieder Rektor der HGB, Funktionär im Verband der bildenden Künstler und ein von Peter Ludwig eifrig gesammelter Devisenbringer für die DDR. Die schickte ihn dafür gerne in den Westen – auf die documenta und sogar nach Bonn, als Maler des offiziellen Kanzlerporträts von Helmut Schmidt für das Bundeskanzleramt.
Was er mit Helmut Schmidt teilte
Und das trotz seiner damals schon bekannten Mitgliedschaft in der Waffen-SS. Immerhin, der sozialdemokratische Kanzler der Bundesrepublik hatte schließlich auch als Offizier in der Wehrmacht gedient. Sagen wir es mal so: Bernhard Heisig bildete die Zerrissenheit des deutschen 20. Jahrhunderts nicht nur in seinen Bildern, sondern auch in seiner Biografie ab.
Im Mittelpunkt der Leipziger Ausstellung steht das Werk, das seinen Schöpfer, in all seiner biografischen Ambivalenz, zu überleben scheint. "Man sieht in Heisig einen Maler, der es wert ist, wieder oder neu entdeckt zu werden", sagt der Kurator Philipp Freytag: "Wir wollen ein voll umfassendes Bild dieser sehr prägenden Figur für die Kunst in und aus Leipzig zeigen."
Mehr zur Ausstellung
"Bernhard Heisig. Geburtstagsstilleben mit Ikarus"
20. März bis 9. Juni 2025
Adresse
Museum der bildenden Künste Leipzig
Katharinenstraße 10
04109 Leipzig
Öffnungszeiten
Dienstag, Donnerstag bis Sonntag | 10–18 Uhr
Mittwoch | 12–20 Uhr
Feiertage | 10–18 Uhr
Montag geschlossen
Preis:
10 Euro / ermäßigt 5 Euro / Gruppe 7,50 Euro pro Person
Zur Ausstellung
Redaktionelle Bearbeitung: lm, hki
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 20. März 2025 | 06:20 Uhr