Ein Schwarz-weiß Bild mehrerer Breakdancer 4 min
Von der Bronx in die DDR: Breakdance verbreitete sich in den 80er-Jahren auch in Ostdeutschland. Bildrechte: Heiko "Hahny" Hahnewald
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In Meißen eröffnet heute eine Ausstellung über die Breakdance-Szene in der DDR. Eva Gaeding im Gespräch mit B-Boy-Urgesteinen aus Mitteldeutschland.

MDR KULTUR - Das Radio Do 08.08.2024 08:09Uhr 04:28 min

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Hip-Hop Ausstellung in Meißen zeigt, wie die DDR den Breakdance lernte

08. August 2024, 13:49 Uhr

In Meißen ist ab 8. August eine neue Ausstellung über Breakdance in der DDR zu sehen. Die Hip-Hop-Welle schwappte 1984 in die DDR und erfasste Jugendliche wie Heiko Hahnewald in Meißen. Er wurde zweifacher Breakdance-Meister der DDR und ist heute der dienstälteste professionelle Breakdancer Deutschlands. Seine Geschichte wird in der Ausstellung erzählt, die bis zum 23. September dauert. Außerdem wird am Samstag sein 40-jähriges Bühnenjubiläum in Meißen mit dem Festival "Down to the beat" gefeiert.

Breakdance ist seit diesem Jahr Teil der Olympischen Spiele. In Paris stehen am Ende dieser Woche die Wettkämpfe in der neuen Disziplin auf dem Plan. Auch im sächsischen Meißen treffen sich am Wochenende B-Girls und B-Boys aus aller Welt zum Wettkampf: beim Festival "Down to the Beat". Breakdance ist nicht etwa neu in dieser Region.

Der Veranstalter des Festivals ist Breakdance-Altmeister Heiko Hahnewald. Als "Hahny" ist er seit 40 Jahren im Breakdance aktiv. Eine Ausstellung im Rathaussaal in Meißen zeigt nun die Anfänge seiner Laufbahn, die 1984 in Meißen begann. Ähnlich wie in Dessau, Berlin oder Leipzig fand der Breakdance hier relativ schnell seinen Weg von der Straße in die Vereinssporthallen und auf die Bühnen der Kulturhäuser in der DDR.

Schwarz-weiß Foto eines Breakdancers.
1986: Heiko "Hahny" Hahnewald übt vor der HO-Gaststätte "Aktivist" in Meißen. Bildrechte: Heiko "Hahny" Hahnewald

Der Jugendliche auf dem verwaschenen Schwarz-Weiß-Foto nimmt seine Sache ernst. Die Hände auf dem Boden, hat er die Beine in die Luft geschwungen, bereit für eine Drehung um die eigene Achse. Jogginganzug und Ghettoblaster vervollkommnen den Eindruck, dass wir hier einem Moment aus der Anfangszeit des Breakdance beiwohnen können – jener Subkultur, die in den 70er-Jahren in den New Yorker Ghettos entstand. Doch die HO-Gaststätte und der Trabant im Hintergrund machen klar: Wir sind hier nicht in der Bronx. Nein. Wir sind in der DDR. Genauer: In Meißen, im Jahr 1986.

Anfänge in der Dorfdisco

"Mit 16, 17 Jahren ging das von Mittwoch bis Sonntag durch, wir waren fünf, sechs Mal die Woche zur Disco", erzählt Heiko "Hahny" Hahnewald MDR KULTUR. Er ist der Junge auf dem Foto. "Wir sind von Dorf zu Dorf gefahren, haben dort andere Jugendliche gesehen, die Breakdance gemacht haben, und es dann selbst auch probiert." Auf diese Weise verbreitete sich der Tanz schon ein paar Jahre bevor der legendäre Film "Beatstreet" 1985 auch in die Kinos der DDR kam.

Wenn die Musik anfing, dieser Beat losging, da habe ich schon Gänsehaut bekommen.

Heiko Hahnewald Breakdancer aus Meißen

Als Kind hatte Heiko Hahnewald Zirkusartist werden wollen. Der Breakdance offenbarte dem jungen Mann nun plötzlich eine Möglichkeit, "diese Energie, die Kraft, die in mir drin war, rauszulassen". Dazu kam die völlig neue elektronische Musik. "Wenn die Musik anfing, dieser Beat losging, da habe ich schon Gänsehaut bekommen", so Hahnewald.

Breakdance als "künstlerisches Volksschaffen" in der DDR

Inzwischen ist der gebürtige Meißner 58 Jahre alt. Der Breakdance hat ihn seitdem nicht mehr losgelassen. In diesem Jahr feiert er sein 40-jähriges Bühnenjubiläum mit einer Ausstellung im Meißner Rathaussaal und einem Breakdance-Festival in Meißen, bei welchem B-Boys und B-Girls aus Dänemark, den Niederlanden, Tschechien, Mexiko, Kolumbien oder Russland gegeneinander zum Wettkampf antreten werden.

Hahnewald selbst wird mit seiner Crew, den Skyliners, eine Show bieten. Seine erste eigene Breakdance-Crew gründete er schon in den 80er-Jahren. In der Ausstellung zeugen die Urkunden vom "Kreisfest der Jungen Talente" der FDJ in Meißen, von Preisen bei den DDR-weiten Breakdance-Meisterschaften in Hoyerswerda oder Breakdance-Workshops im "Zentralen Club der Jugend Artur Becker" in Leipzig von der Karriere seiner Crew – und zugleich von der Entwicklung dieser afroamerikanischen Subkultur zu einer anerkannten Disziplin des "künstlerischen Volksschaffens" in der DDR.

Eine Urkunde mit der Aufschrift "Beim 2. DDR-offenen Breakdance Turnier des Jugendklubhauses Hoyerswerda wurde Bester Einzeltänzer Heiko Hahnewald. Hoyerswerda, den 7. Februar 1987"
Die Breakdancer der DDR mussten nicht im Geheimen auftreten: Die Behörden akzeptierten die Kunstform. Bildrechte: Heiko "Hahny" Hahnewald

Kritik an Kommerzialisierung des Breakdance

"Breaking ist kein Sport, sondern eine Kunstform", sagt Hahnewald ganz entschieden. Dass Breakdance nun auch eine sportliche Disziplin bei den Olympischen Sommerspielen ist, sieht er trotzdem gelassen. Es müsse jeder Tänzer selbst entscheiden, ob er den kommerziellen Weg einschlage oder lieber "real" für sich selbst tanze.

Breaking ist kein Sport, sondern eine Kunstform.

Heiko Hahnewald, Breakdancer aus Meißen

Was "realness" im Hip-Hop bedeutet, erklärt er so: "Dass man wirklich zur Kultur steht und das auch nach außen hin lebt. Auch die ungeschriebenen Parameter dieser Kultur. Das Wichtigste davon ist eigentlich: Respekt anderen gegenüber."

Skulptur "Happy New Year Head Freeze!" am Elbufer in Meißen
Für den Meißener Heiko "Hahny" Hahnewald ist Breakdance kein Sport, sondern eine Kunstform. Bildrechte: Heiko Hahnewald

Olympische Spiele: Wertschätzung für harte Arbeit

Die Kommerzialisierung von Subkulturen sieht auch Philipp "Lehmi" Lehmann kritisch. Der 37-Jährige gehört zur Crew "The Saxonz". Die in Radebeul beheimatete Crew ist international sehr erfolgreich und gewann zweimal das renommierte Battle Of The Year. Sie ist auch Teil des Dokumentarfilmes "2unbreakable", der in diesem Jahr in die Programmkinos kam.

"Ich finde es grundsätzlich super, dass Breakdance dadurch mehr Anerkennung und Wertschätzung in der Gesellschaft findet. Dass man sieht: Da gehört viel Arbeit dazu." Auch wenn er selbst nicht teilnehmen würde, findet er gut, dass junge Tänzerinnen und Tänzer nun die Möglichkeit dazu haben.

Die Saxonz schlagen selbst immer wieder Brücken in andere kulturelle Bereiche. Etwa in Zusammenarbeit mit der Folk-Band The Trouble Notes und mit dem Festspielhaus Hellerau. Seit 2020 unterhalten die Saxonz ein eigenes Tanzstudio und fördern Kinder und Jugendliche.

Nachwuchsförderung im Breakdance

Mittlerweile gebe es ein gutes Grundgerüst in Sachsen und in jeder größeren Stadt Plattformen, um mit dem Tanzen anzufangen, ist sich Philipp Lehmann sicher. "Der Sportgedanke ist das Eine", gibt er zu bedenken, "aber das Andere ist, eine Passion für Kunst mitzubringen. Für Tanz sollte man schon brennen."

Der Sportgedanke ist das Eine, aber das Andere ist, eine Passion für Kunst mitzubringen.

Philipp Lehmann

Auch Heiko "Hahny" Hahnewald kümmert sich im Rahmen von Tanztrainings um den Breakdance-Nachwuchs. Er bemerkt eine zunehmende "Sattheit" der Kinder, die er auf den zunehmenden Medienkonsum zurückführt. "Der Wille, wirklich zu sagen: Ich trainiere hart, ich gehe an Schmerzgrenzen, ich habe Ziele – das kann ich mit der Situation von vor zwanzig, dreißig Jahren nicht vergleichen. Aber es gibt natürlich immer wieder Ausnahmetalente."

Und wer weiß, vielleicht blickt ja in vierzig Jahren ein anderer B-Boy, oder ein B-Girl auf eine 40-jährige Tanzkarriere zurück – so wie "Hahny", der Junge vom verwaschenen Schwarz-Weiß-Foto aus Meißen in der DDR.

Weitere Informationen:

Ausstellung über Breakdance in der DDR
vom 8. August bis 23. September 2024

Ausstellungseröffnung am 8. August ab 18 Uhr mit Filmvorführung "Dessau Dancers" und Zeitzeugengespräch u.a. mit Tom Nixxx und Andy K.

Adresse:
Großer Ratssitzungssaal des Rathauses zu Meißen
Markt 1
01662 Meißen


Hip-Hop & Streetart-Festival "Down to the beat"
Samstag, 10. August 2024
AKTI Meißen
Elbgasse 1, 01662 Meißen
Einlass ab 13 Uhr
Eintritt frei

Redaktionelle Bearbeitung: sg, tis, lg

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 08. August 2024 | 08:09 Uhr

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