Die Vogtland-Revue - Uraufführung am Theater Plauen-Zwickau 7 min
Das Theater Plauen-Zwickau hat mit der "Vogtland-Revue" ein Stück über Heimat auf die Bühne gebracht. Marlene Drexler mit einer Kritik. Bildrechte: André Leischner

Uraufführung "Die Vogtland-Revue": Theater Plauen lädt zum Nachdenken über Heimat ein

10. November 2024, 15:38 Uhr

Am Theater Plauen-Zwickau hat am Samstag "Die Vogtland-Revue" ihre Uraufführung gefeiert. Das Stück ist eine Auftragsarbeit der Autorin und preisgekrönten Dokumentarfilmerin Sabine Michel zum Thema Heimat. Entstehen sollte ein liebevoller und zugleich kritischer Blick auf das Vogtland und seine Menschen. Nach Ansicht unserer Kritikerin scheitert die Produktion in der Umsetzung jedoch an der Komplexität der Realität.

Ein verlässlicher Eisbrecher im doppelten Sinne: Der Vorhang geht auf und Ute Menzel, Plauener Ensemble-Urgestein, stimmt das Volkslied "Dar Vuglbärbaam" an. Geschrieben auf Mundart, handelt es vom Vogelbeerbaum, dem Symbolbaum in der südsächsischen Region Erzgebirge. Auch wenn das Erzgebirge mit dem Vogtland, um das es an diesem Abend gehen soll, nicht identisch ist, taugt es zum inhaltlichen Einstieg. Das Publikum kommt – wenngleich auch eher zögerlich – kurz ins Schunkeln.

Eine Gruppe von Menschen in mehrheitlich weißer Kleidung tanzt auf einer Treppe, die auf einer Theaterbühne steht
"Die Vogtland-Revue" lädt zum Nachdenken über Heimat im Allgemeinen und das Vogtland im Speziellen ein. Bildrechte: André Leischner

Die Autorin und Dokumentarfilmerin Sabine Michel hat für das Theater Plauen-Zwickau ein Stück zum Thema "Heimat" geschrieben. Ein Begriff, der in Deutschland aufgrund der NS-Zeit lange als belastet galt und auch heute noch vorrangig vom rechten politischen Rand besetzt wird.

"Die Vogtland-Revue" – in Plauen inszeniert von der freischaffenden Regisseurin Mona Sabaschus – will sich Geschichte und Gegenwart annehmen, mit dem Ziel, einen "liebevoll-kritischen Blick" auf Land und Leute zu werfen. Im naturräumlichen Sinne beschreibt das Vogtland die Region im Grenzgebiet von Bayern, Sachsen, Thüringen und dem früheren Böhmen.

Heimat Vogtland im Mittelpunkt

Für ihren aktuellen Film "Frauen in Landschaften" porträtierte Sabine Michel unter anderem die vogtländische Bundestagsabgeordnete Yvonne Magwas. Selbst 1971 in Dresden geboren ist, hat sich Michel im Zuge dessen wie aus der Stückbeschreibung hervorgeht, "intensiv mit dem Vogtland befasst und sich in diesen Landstrich verliebt" – ein Landstrich, der wie viele ländlich geprägte Regionen in Ostdeutschland, seit vielen Jahren von Abwanderung und Überalterung betroffen ist.

Vor allem die jungen Menschen verlassen ihre Heimat, wobei – so zumindest der Eindruck der Autorin – oft eine tiefsitzende Verbundenheit bleibe, die zugleich konterkariert werde durch die Vorstellung vom Vogtland als einer patriarchal geprägten und unzeitgemäßen Gegend.

Sabine Michel: eine Frau mit blonden halblangen Haaren, schwarzem Mantel und schwarzem Schal steht auf der Straßen und blickt in die Kamera
Die Autorin und Dokumentarfilmerin Sabine Michel arbeitet für Kino, Fernsehen und am Theater und brachte zuletzt das Buch "Es ist einmal: Ostdeutsche Großeltern und ihre Enkel im Gespräch" heraus.
Bildrechte: imago/Kai Horstmann

Die Abend nimmt die Perspektive der Menschen ein, die ihre vogtländische Heimat verlassen. Ins Zentrum wird die Figur "Marie" gerückt, die für sich vor Ort keine Zukunft mehr sieht: "Service, Service, Service. Hotel, Gastronomie, Senioren. Nachts keine Straßenbahn und kaum Veranstaltungen im einzigen Club." Daher ihr Entschluss, nach München zu ziehen – eine Entscheidung, die ihre Freunde als Verrat wahrnehmen: "Wir haben doch gesagt, wie bleiben hier."

Reise durch die Geschichte der Region

Um Marie davon zu überzeugen, doch zu bleiben, wendet der Abend eine große Portion Magie an: Die junge Frau wird verzaubert und auf eine Zeitreise geschickt. Sie begegnet erst einem Grubenarbeiter aus dem 17. Jahrhundert, dann dem ehemaligen Vogt von Plauen, Heinrich I. Danach erlebt sie Auf- und Abschwung der Plauener Spitze – das Produkt, das Plauen weltbekannt machte und der Stadt im Jahr 1900 bei der Weltausstellung in Paris den Grand Prix einbrachte.

Blick auf eine Theaterbühne, auf der ein langer Tisch steht, an dem verschiedene historische Personen sitzen
Die Auftragsarbeit für das Theater Plauen-Zwickau entführt in die Geschichte der Region. Akustisch wird die Zeitreise mit Musik vom "Vogelbeerbaam" bis hin zu Pop und Rock untermalt. Bildrechte: André Leischner

Weiter wird Marie Zeuge davon, wie Plauen in den 1920er-Jahren zu einer Hochburg der Nationalsozialisten aufsteigt: Als einer der ersten Städte verlieh der hiesige Stadtrat Adolf Hitler die Ehrenbürgerwürde. Und bei dem Ritt durch die Zeiten dürfen natürlich auch DDR, Friedliche Revolution und Mauerfall nicht fehlen.

Diese Geschichtsstunde, die mit mal mehr, mal weniger passenden Liedern durchsetzt ist, kommt im Gewand einer eher prüden Version von "Alice im Wunderland" daher. Die Bühne liefert freundlich-ästhetische Bilder in Pastellfarben mit Glitzerregen, Luftballons und weißen Schleiern.

Julia Hell als Marie trägt, mädchenhaft in rosa gekleidet, zwei niedliche Space Buns und tanzt und singt sich – durchaus charmant – durch die Vergangenheit. Das Auffrischen von Maries Geschichtswissen soll offenbar ein neues Verantwortungsgefühl bei ihr für das Fortführen von Geschichte entfachen und sie vom Umzug nach Bayern abhalten.

Probleme des Vogtlands in der Gegenwart

So weit, so nett, so allgemein bekannt. Nach der Pause steigt die Spannung umso mehr, welche Sprache, welche Bilder nun für die Gegenwart gefunden werden. Die enttäuschende Antwort: gar keine. Da wo eine (selbst-)kritische, mitunter auch schmerzhafte Diagnose stehen müsste, um dem Abend Biss und Relevanz zu verleihen, rutscht er in plakativen Kitsch ab.

Das Publikum wird Adressat des Appells: "Es gibt genügend Gründe für Plauen. WIR müssen es in die Hand nehmen!" Kurzum: Was ist eigentlich euer Problem? Bleibt doch einfach hier, dann gibt es keine Abwanderung mehr! Zack, Problem gelöst.

Zwei Frauen und ein Mann sitzen um einen Tisch, ein zweiter Mann steht gerade auf
Gehen oder bleiben? Mit dieser Frage muss sich nicht nur Marie, die Hauptdarstellerin in "Die Vogtland-Revue" auseinandersetzen, sondern auch viele junge Menschen in der Region. Bildrechte: André Leischner

Ein Zirkelschluss, der mindestens naiv – und auch ein bisschen zynisch ist (und sich in dem Moment widersprüchlicher Weise an jene richtet, die ja geblieben sind). Die handfesten, strukturellen Gründe für Menschen zu gehen, wurden ja genannt: keine zufriedenstellenden beruflichen Aussichten, zu wenig soziokulturelle Infrastruktur, patriarchale Strukturen, reaktionäres Denken. Verständlich wenn man als junge Frau, wie Marie sie ist, diesen Kampf nicht in Unterzahl kämpfen will.

Der Ansatz von "Die Vogtland-Revue", den Heimatbegriff nicht völkischen Strömungen zu überlassen, sondern mit ihm emanzipatorisch umzugehen, ist ein guter. Die unterkomplexe Darstellung der Realität an diesem Abend, bei gleichzeitiger Überschätzung der Möglichkeiten einzelner Individuen greift dann aber doch zu kurz.

Weiterführende Informationen

Die Vogtland-Revue (UA)
Auftragswerk für das Theater Plauen-Zwickau von Sabine Michel

Vogtlandtheater Plauen
Theaterplatz | 08523 Plauen

Aufführungen:
24. November, 18 Uhr
14. Dezember, 19.30 Uhr
04. Januar, 19.30 Uhr
26. Januar, 18 Uhr
28. Februar, 19.30 Uhr (letzte Aufführung)

Gastspiele:
17. Januar, 19:30 Uhr, Vogtlandhalle Greiz
09. Februar, 19:30 Uhr, Musikhalle Markneukirchen

Redaktionelle Bearbeitung: tmk

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 11. November 2024 | 13:10 Uhr

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