100. Geburtstag Warum Helmut Schmidt in der DDR für Maler Bernhard Heisig Modell stand
Hauptinhalt
31. März 2025, 10:08 Uhr
Er war der legendäre Mitbegründer der Leipziger Schule: Heute vor 100 Jahren wurde Bernhard Heisig geboren. Er war einer der bedeutendsten Maler der DDR – und weit darüber hinaus beliebt. Vier Jahre vor der Wiedervereinigung porträtierte der Künstler den ehemaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt. Jahre später haben die beiden nochmal von dem Treffen erzählt. Die ganze Geschichte zum Nachlesen:
- 1986 malt Bernhard Heisig ein Gemälde von Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt.
- Schmidt reist dafür zwei Mal in die DDR, nach Leipzig. Auch die Stasi weiß vom Porträt-Projekt.
- Als 1998 eine Debatte um Heisigs Nähe zum Staatsapparat entbrennt, unterstützt Schmidt den Künstler.
Am Montag wäre der Maler Bernhard Heisig (1925-2011) 100 Jahre alt geworden. Heisig war einer der bedeutendsten Künstler der DDR und Mitbegründer der Leipziger Schule. Doch er hat nicht nur in der Kunstszene seine Spuren hinterlassen, sondern auch in der großen Politik: 1986 porträtierte er den früheren Kanzler Helmut Schmidt (1918-2015).
Wie kam es zu dem deutsch-deutschen Porträt? Der Mitteldeutsche Rundfunk hatte später exklusive Interviews geführt: 1995 mit Bernhard Heisig zu seinem 70. Geburtstag und drei Jahre später mit Helmut Schmidt.
Bundeskanzler sucht Porträtmaler in der DDR
Lange hatte Helmut Schmidt gegrübelt, wer denn sein offizielles Porträt für das Bonner Kanzleramt malen sollte. Doch dann entdeckte er Arbeiten von Bernhard Heisig in einer Kunstzeitschrift, und die Entscheidung war gefallen.
Herr Schmidt, ziehen Sie den Anzug aus, oder ich muss auch einen Anzug anziehen! So geht es ja nicht.
Schmidt sagte: "Dass es sich um einen Ostdeutschen handelt, hat die Sache für mich zusätzlich interessant und attraktiv gemacht, weil ich die Verbindung zwischen den beiden, damals geteilten Teilen des Volkes aufrecht zu erhalten, für eine ganz wichtige Aufgabe gehalten habe." Er hätte keinen drittklassigen Maler aus der DDR beauftragt, "aber einen erstklassigen – sehr gerne."
Helmut Schmidt in Leipzig: Porträtsitzung gleicht Staatsbesuch
Es folgten diplomatisch heikle Vorbereitungen. Doch schließlich reiste der Altkanzler nach Leipzig, mit großem Tross und viel Tamtam. Und das zum stillen Amüsement von Bernhard Heisig. Der Tag in Leipzig, so erinnerte sich Heisig, sei "irrsinnig heiß" gewesen und Helmut Schmidt habe beim Treffen einen dunklen Anzug getragen. Da habe er ihn aufgefordert: "Herr Schmidt, ziehen Sie den Anzug aus, oder ich muss auch einen Anzug anziehen! So geht es ja nicht."
Schmidt habe dann sogar seine Schuhe ausgezogen, "es war ganz leger", erinnerte sich Heisig. Derweil hätten sich die Sicherheitsbeamten aus Ost und West in seiner Küche getroffen und Limonade getrunken: "Es war schon sehr seltsam."
Gipfeltreffen von Kunst und Politik
Es waren seltsame Begleitumstände für den Leipziger Maler. Wie erging es da dem Politiker bei den Porträtsitzungen? "Zunächst haben wir uns gegenseitig berochen, und das wurde sehr schnell ein gutes, persönliches Verhältnis", schilderte Schmidt und fügte hinzu: "Übrigens sind es nicht besonders viele Porträtsitzungen gewesen. Ich hasse, zu sitzen, ob es sich um Maler handelt oder um Bildhauer."
Mehr als zwei Sitzungen gibt es nicht, sagte der Alt-Kanzler und deshalb reiste er auch nur zwei Mal nach Leipzig. Nach dem Skizzieren machte sich der Maler sofort ans Werk. Doch kurz danach erlebte Bernhard Heisig eine weitere Begegnung der seltsamen Art – und zwar mit der Leipziger Verkehrspolizei.
Stasi beäugt Bernhard Heisig
"Ich fuhr auf der Straße mit meinem Wagen und plötzlich wurde ich gestoppt mit schlechtem Gewissen, dass ich nun offenbar zu schnell gefahren bin." Was das soll, habe da der Polizist gefragt und ob das Bild fertig sei, erinnerte sich Heisig. Auf die Frage, woher er vom Porträt wisse, antwortete der Beamte: "Wir wissen alles, gute Fahrt."
"Da war ich schon etwas verblüfft", gab Heisig im Nachgang zu, denn trotz des Medientrubels bei Schmidts Besuch sei das Ereignis im DDR-Fernsehen komplett ausgespart worden.
Dass es sich um einen Ostdeutschen handelt, hat die Sache für mich zusätzlich interessant und attraktiv gemacht.
Doch die Stasi war bestens informiert über den künstlerischen Fortgang. Dann war das Werk endlich vollendet und der kunstsinnige Auftraggeber prüfte die Porträts mit kritischen Augen: "Er hat mehrere gemalt und die sind nicht alle gleich gut. Herr Heisig hat mir eine seiner Öl-Skizzen geschenkt. Die hängt bei mir zuhause, schnell hingehauen innerhalb einer Stunde oder so. Aber fertige Portäts hat er, glaube ich, drei gemacht von mir." Alle seien ähnlich: Charakteristisch und gut gemalt, sagte Schmidt.
Debatte um Mitgliedschaft in SED und Waffen-SS
Helmut Schmidt hat sich später im Jahr 1998 auch für den Maler eingesetzt, als eine heftige Debatte um dessen Person tobte. Heisig wurde vorgeworfen, ein opportunistischer Staatskünstler gewesen zu sein.
Der Maler wurde auch dafür kritisiert, dass er im Alter von 17 Jahren in die Waffen-SS eingetreten war. Deshalb dürften die Werke des Malers nicht dauerhaft im Reichstag präsentiert werden, sagten die Kritiker.
Was hier interessiert, ist der künstlerische Rang.
Der Altkanzler Schmidt reagierte prompt: "Ich finde diesen Streit zum Kotzen. Ob jemand irgendwann mal den Nazis nachgelaufen ist oder ob jemand sich mit den Kommunisten eingelassen hat, das ist alles interessant. Aber was hier interessiert, ist der künstlerische Rang." Heisig, so Schmidt, sei einer der besten deutschen Maler in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gewesen: "Und deswegen gehört er da auch hin."
Werkschau zum 100. Geburtstag in Leipzig
"Bernhard Heisig. Geburtstagsstilleben mit Ikarus"
20. März bis 9. Juni 2025
Adresse:
Museum der bildenden Künste Leipzig
Katharinenstraße 10
04109 Leipzig
Öffnungszeiten:
Dienstag, Donnerstag bis Sonntag, 10 bis 18 Uhr
Mittwoch, von 12 bis 20 Uhr
Feiertage, von 10 bis 18 Uhr
Montags geschlossen
Eintritt:
10 Euro, ermäßigt: 5 Euro, Gruppe: 7,50 Euro pro Person
Hinweise zur Barrierefreiheit:
Das Museum ist für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen schwellenarm erreichbar.
Redaktionelle Bearbeitung: tis
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 31. März 2025 | 07:10 Uhr