Kunstsammlungen Chemnitz Ausstellung zeigt erstmals geschenkte Werke von "Brücke"-Künstler Erich Heckel
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18. November 2024, 18:38 Uhr
Die Kunstsammlungen Chemnitz haben eine umfangreiche Ausstellung mit Aquarellen und Druckgrafiken des Expressionisten und "Brücke"-Künstlers Erich Heckel eröffnet. Die rund 60 Werke sind bis zum 2. März zu sehen und stammen aus zwei Schenkungen. Neben Heckels Großnichte Katharina Coupland übereignete der Berliner Sammler Jürgen Brinkmann dem Museum weitere Werke, die zweitweise als verloren galten.
- Die neue Ausstellung in Chemnitz zeigt Grafiken und Aquarelle von Erich Heckel aus zwei Schenkungen, davon gut die Hälfte aus seiner "Brücke"-Zeit.
- Viele der Werke stammen ursprünglich aus einer Sammlung, die der Dresdner Sammler Wolfgang Jess in den 20er und 30er Jahren aufbaute.
- Die Ausstellung zeigt auch Werke aus der nach-expressionistischen Zeit.
Er war die treibende Kraft der Künstlergruppe "Die Brücke" und ihr unermüdlicher Geschäftsführer. Der 1883 in Döbeln geborene und in Chemnitz aufgewachsene Maler und Grafiker Erich Heckel gehört zu den Wegbereitern einer Revolution in der bildenden Kunst.
1905 gründete er unter anderem mit seinen einstigen Chemnitzer Schulkameraden Kirchner und Schmidt-Rottluff die "Brücke" und gilt als einer der wichtigsten Repräsentanten des deutschen Expressionismus.
Heckels expressive Kaltnadelradierungen
So zeigt die Chemnitzer Ausstellung die zwei "Botenjungen" von 1917, eine handtellergroße Kaltnadelradierung von Erich Heckel. Für die hat der Künstler die Körperformen – wie schon so oft zuvor – ins Eckige vereinfacht, was die Gesichter der beiden überschlanken Gestalten markant hervorhebt. Aus ihnen sprechen Ernst, Nervosität sowie Deformationen. Botenjungen waren in der Zeit von Inflation und Erstem Weltkrieg als ärmliche Überbringer – oft schlechter Nachrichten – Vielem ausgesetzt.
"Ich mag Heckels Radierungen aus den 1910er Jahren, sie sind fast so klar und entschieden im Strich der Kaltnadel wie die Holzschnitte aus dieser Zeit," erklärt Kerstin Drechsel, Kuratorin der Grafischen Sammlungen an den Chemnitzer Kunstsammlungen.
Zurückerhaltene Werke aus der Schenkung Jürgen Brinkmann
Heckels "Botenjungen" gehören zu jenen 39 Grafiken und vier Aquarellen, die der Berliner Sammler und Ingenieur im Ruhestand Jürgen Brinkmann den Kunstsammlungen Chemnitz 2023 geschenkt hat. Darunter 15 Bildmotive, die durch die Aktion "Entartete Kunst" verloren gingen und jetzt wieder ins Haus kommen. In vier Sälen präsentiert sie die Ausstellung jetzt zum ersten Mal der Öffentlichkeit.
Gut die Hälfte der Motive stammt aus Heckels "Brücke"-Zeit. Sie sind somit kleine Kostbarkeiten. So auch jene Kaltnadelradierung von 1911, die eine mit der Nadel grob vereinfachte Landschaft der Moritzburger Teiche zeigt, samt Badenden. Dazu die "Drei Mädchen am Strand" von 1912 – beides Bilder, zu denen von Heckel auch Gemälde existieren.
Berühmte und unbekannte Modelle der "Brücke"-Künstler
Großartig sind Heckels Artisten am Reck von 1919. Eine Szene, in der er mit dem Stichel die Atmosphäre verdichtete. Nicht zu vergessen: die minderjährige Fränzi mit ihren von Natur aus pubertär-eckigen Formen. Sie war ein beliebtes Modell der "Brücke"-Künstler, wohingegen das Akt-Modell aus dem Bild "Mädchen", einem grell-bunten Aquarell von 1909, in einer Atelierszene im expressiven "Brücke"-Stil, unbekannt bleibt. Dennoch zieht das Bild als ein Hauptblatt der Schau die Blicke auf sich.
Bei einem Aquarell daneben handelt es sich wiederum um Heckels Ehefrau Siddi. 1923 malte er sie als Akt in freier Natur, was die Kunstsammlungen nun unter anderem mit ihrer 2022 – für 745.000 Euro erworbenen – "Stehenden", einer Holz-Plastik von 1920, kombinieren können.
Der verschollene Dresdner Sammler Wolfgang Jess
Eine rote Wand sowie eine Vitrine betonen im ersten Raum, dass die Sammlung Brinkmann ursprünglich in den 1920er- und 30er Jahren von dem Dresdner Verleger Wolfgang Jess zusammengetragen wurde. Nach 1945 galt Jess als verschollen. Brinkmann erwarb die Sammlung von Jess‘ Ehefrau Marianne. Kuratorin Kerstin Drechsel betont:
"Wir haben nachweisen können, dass Wolfgang Jess auch in Chemnitz gekauft hat. Wir hatten in Chemnitz 1921 und in den 1930ern insgesamt zwei Kunstschauen von Erich Heckel und haben in der Schau das Ausstellungsbuch ausgelegt, in dem man beispielweise sieht: Dieser Holzschnitt ist von Wolfgang Jess erworben."
Weitere Heckel-Werke aus der Schenkung Katharina Coupland
Eine zweite Schenkung von neun Heckel-Aquarellen und drei Grafiken, teils aus dem Spätwerk, stellen die Kunstsammlungen am Ende ihrer sehenswerten Schau aus. Darunter eine farbenfroh-abstrahierte Flensburger Förde von 1919, aber auch eine Meereslandschaft bei Bayonne, die der rege herumreisende Heckel 1929 am Atlantik malte. Da hatte seine Kunst bereits einen Stilwandel erfahren: weg von zu großer Expressivität, hin zu einer milderen, realistischeren Sicht auf die Welt.
Weitere Informationen zur Ausstellung
Ausstellung der Kunstsammlungen Chemnitz: "Erich Heckel – Aquarelle und Druckgrafik aus der Sammlung Jess"
Zu sehen bis zum 2. März am Theaterplatz in Chemnitz.
Ein Katalog ist unter gleichem Namen erschienen und kostet 38 Euro.
Quelle: MDR KULTUR (Ulrike Thielmann), Redaktionelle Bearbeitung: lm
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 19. November 2024 | 06:15 Uhr