Seniorenheim für Männl Heim statt Halde: Im Erzgebirge bekommen alte Räuchermännchen ein letztes Zuhause
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22. Dezember 2024, 10:40 Uhr
Stilecht qualmen in den Wohnzimmern der Menschen seit gut 200 Jahren kleine und große Räuchermännchen. Mal kunstfertig gedrechselt, mal selbst gebaut - vor allem im Erzgebirge. Mit der Zeit sammeln sich in den Familien etliche Männel-Exemplare an. Und manchmal werden kaputte oder weniger schöne auch aussortiert. Damit sie nicht auf dem Müll enden, gibt es in Niederwürschnitz spezielles "Räucher-Refugium". In dem finden alte Räuchermännchen einen würdevollen Platz zum Altern.
"Jedes Jahr geht’s zum Advent auf'n Buden 'nauf" - so sagt man es zumindest im Erzgebirge, wenn zur Vorweihnachtszeit die Weihnachtsdeko vom Dachboden geholt wird. Und dann passiert, was jedes Jahr passiert: Die Räuchermännchen werden aufgeweckt und bekommen ihren Platz in der guten Stube. Aber viele Haushalte haben inzwischen so viele "Rachermannln", dass manch altgedienter Kamerad nicht mehr zum Einsatz kommt oder sogar weggeworfen werden soll.
Ausgemusterte Exemplare willkommen
Ein Fall für Florian Kunze aus Niederwürschnitz bei Chmenitz. Der junge mann findet: Wer sich jahrelang ins Zeug gelegt hat, verdient auch einen schönen Lebensabend - und das gelte nicht nur für Menschen. Deshalb betreibt er ein Seniorenheim der ganz besonderen Art. Die Bewohner sind allesamt kleine bärtige Männer im hohen Alter: Räuchermännchen, die stets treu ihren Dienst getan haben und irgendwann ausgemustert wurden.
Im Imbiss des Kulturzentrums Alte Ziegelei in Niederwürschnitz hat Kunze die "Räuchermännelsruh" eingerichtet: "Ich fand die Idee von Anfang an spitze. Ich bin großer Fan, bin hier aufgewachsen, sehr verbunden mit unserer Heimat hier und ich finde, es gehört einfach dazu." Er habe selber mehrere Schwibbögen, Räuchermänner, Pyramiden und "das ganze Drum und Dran".
Vor allem alte DIY-Männchen gesucht
Die Idee für ein Altersheim für ausrangierte Räuchermännchen hatte Rolf Höfer vor fast 30 Jahren. Er war damals Bürgermeister und Heimatvereinsvorsitzender: "Ich hab ja selber Räuchermännchen gemacht, die waren meistens mehr gebastelt - aus Besenstielen oder was wir da hatten." Um diese Männeln gehe es ihnen, sagt Höfer. "Wir wollen vor allen Dinge haben, die in der DDR gefertigt wurden von Hobbykünstlern und -drechslern, die nicht unbedingt ganz große Schönheiten sind, auch schon in kleinen Defekt haben. Die nehmen wir bei uns im Seniorenheim Räuchermännelsruhe auf."
Zunächst waren die Räuchermännchen in einer kleinen Ausstellung in Niederwürschnitz zu sehen. Inzwischen stehen am neuen Standort, der Alten Ziegelei, mehr als 800 Figuren. Selbst Nussknacker finden hier Asyl. Allerdings gibt es eine Bedingung, betont Rolf Höfer: "Wir nehmen Plagiate - vor allen Dingen aus Fernost - nicht an." Es müssten welche sein, die entweder von den Kunsthandwerkern gemacht wurden oder die privat entstanden sind. Dann fügt er hinzu: "Hat ja jeder Erzgebirger nicht nur einen Baum und einen Sohn, sondern mindestens ein Räuchermännel gemacht."
Ausstellung im Außenbereich
Zur Adventszeit hätten die kleinen Kerlchen ihren großen Auftritt, freut sich Seniorenheim-Chef und Imbiss-Betreiber Florian Kunze: "Wir haben mit der Adventszeit unseren Außenbereich aufgebaut, haben so eine Art Regal gebaut - alles in Handarbeit. Dort haben wir unsere Lieblingsräuchermänner ausgestellt."
Kunze hofft, dass sich die Menschen an den Ausstellungsstücken erfreuen können. Nach Mariä Lichtmess (am 2. Februar) sollen die Räuchermännchen dann wieder in die Stube ziehen: Im Imbiss-Gastraum sind die Räucher-Senioren das ganze Jahr über zu bewundern. Und anders als in vielen echten Seniorenheimen sind dort noch genügend Plätze frei.
MDR (pri)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Dresden | 20. Dezember 2024 | 16:30 Uhr