Erzgebirgskreis Nach Kündigungsschreiben: 1.000 ukrainische Flüchtlinge auf Wohnungssuche
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26. Mai 2024, 17:23 Uhr
Etwa 1.000 Ukrainer und Ukrainerinnen im Erzgebirgskreis brauchen dringend eine neue Wohnung. Sie haben Mitte Mai ein Schreiben vom Landratsamt erhalten, das nun für Aufregung sorgt. Binnen weniger Wochen sollen sie die vom Landkreis zur Verfügung gestellten Wohnungen räumen. Aus Sicht des Landrats völlig zurecht.
- Im Erzgebirgskreis müssen mehr als 1.000 Flüchtlinge aus der Ukraine binnen kürzester Zeit ihre Wohnungen verlassen.
- Menschen aus der Ukraine müssen sich anders als Asylbewerber aus anderen Ländern selbst um Wohnungen kümmern.
- Wer bis Mitte Juni keine Wohnung findet, kann in einer Notunterkunft übernachten.
Der Erzgebirgskreis hat mehr als 1.000 ukrainische Flüchtlinge Mitte Mai in einem Schreiben aufgefordert, ihre vom Landkreis zur Verfügung gestellten Wohnungen bis zum 15. Juni zu räumen. Wie Landrat Rico Anton (CDU) MDR SACHSEN sagte, laufen ihre Mietverträge aus. Nach ihrer Flucht waren viele Ukrainer im Erzgebirge unbürokratisch in Asyl-Wohnungen untergekommen.
Für Flüchtlinge aus der Ukraine gelten andere Regeln
Die von den Kommunen angemieteten Unterkünfte seien für Flüchtlinge aus der Ukraine keine Dauerlösung, sondern Asylsuchenden vorbehalten, wie der Landrat MDR SACHSEN erklärt: "Bei den Wohnungen handelt es sich um sogenannte Gewährswohnungen, also Wohnungen, die der Landkreis angemietet hat, die unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen. Das trifft auf die Ukrainer nicht zu. Diese sind Bürgergeldempfänger und angehalten, sich am freien Wohnungsmarkt eine Wohnung zu suchen."
Rechtlich gesehen sind die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine seit einer Gesetzesänderung vom Sommer 2022 gleichgestellt mit deutschen Bürgergeldempfängern. "Mit dem Bezug von Bürgergeld sind eben nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten verbunden", so der Landrat.
Anstehende Kündigungen waren lange bekannt
Dass die Übergangswohnungen nicht auf Dauer genutzt werden können, wurde den Betroffenen laut Landrat Anton von Anfang an transparent gemacht. Diejenigen, die jetzt mit einem Kündigungsschreiben konfrontiert wurden, hätten laut Landrat Rico Anton versäumt, sich eher um eine neue Wohnung zu kümmern. Bereits bei deren Einzug sei klargestellt worden, dass es sich um eine Übergangslösung handle, "teilweise im Jahr 2022".
Seit Ende 2023 seien vom Landratsamt sukzessive die Wohnungskündigungen verschickt worden. Denn die Wohnungen würden dringend für Flüchtlinge aus anderen Ländern gebraucht, die sich im Gegensatz zu ukrainischen Geflüchteten keine eigene Wohnung suchen dürfen.
Landrat will "Druck erhöhen"
Im Erzgebirgskreis leben laut Landrat rund 5.500 ukrainische Flüchtlinge. Die meisten haben sich bereits selbst um eine Wohnung gekümmert, wie der Landrat MDR SACHSEN sagt: "Der allergrößte Teil der Ukrainer wohnt schon in Wohnungen mit privatrechtlichen Mietverhältnis. Bei denjenigen, die ursprünglich in Gewährswohnungen untergebracht waren, haben sich auch schon 40 Prozent eine eigene Wohnung gesucht. Sodass von den 1.700, die ursprünglich in den Gewährswohnungen untergebracht waren, jetzt noch etwa 1.000 verbleiben, bei denen wir noch den Druck erhöhen müssen."
Auch der ukrainische Kriegsflüchtling Sascha aus Luhansk lebte übergangsweise in einer Gewährswohnung, die ihm der Landkreis zur Verfügung gestellt hat. Mittlerweile lebt er in einer eigenen Wohnung in Johanngeorgenstadt und zahlt seine Miete selbst. Auch einen Job hat er gefunden. "Die Menschen in dieser Stadt sind sehr freundlich und ich habe viel Hilfe bekommen. Das ist eine gute Stadt für mich." Eine eigene Wohnung zu finden, sei nicht so schwer gewesen, auch wenn einige Dinge anders laufen würden, als in der Ukraine.
Pragmatische Hilfe von der Wohnungsgesellschaft
In Johanngeorgenstadt ist man um pragmatische Lösungen bemüht. Die dortige kommunale Wohnungsgesellschaft vermietet möblierte Übergangswohnungen für ukrainische Flüchtlinge an die Dienstleistungsgesellschaft des Landratsamtes (DGE). "In Abstimmung mit dem Landratsamt werden die Mietverhältnisse nun nach und nach aufgekündigt. Wir versuchen pro-aktiv eine Lösung mit den Betroffenen zu finden und neue Wohnungen anzubieten", wie Geschäftsführer Norbert Nitschke MDR SACHSEN sagt. Vor allem ältere ukrainische Flüchtlinge seien von der Situation betroffen, wie der Geschäftsführer einschätzt. Ein großes Problem seien Sprachbarrieren. Zum Glück gebe es Apps, die die Kommunikation erleichterten.
Einige können in ihren Wohnungen bleiben und selbst Mieter werden
Bei einem "nicht unerheblichen Teil der Wohnungen" sei es möglich, dass die ukrainischen Bewohner und Bewohnerinnen in den Wohnungen bleiben können, wie der Landrat und Wohnungsgesellschaft übereinstimmend MDR SACHSEN auf Nachfrage mitteilten. Bei einigen Wohnungen konnten die Menschen aus der Ukraine in der Wohnung bleiben und anstelle der Dienstleistungsgesellschaft des Landratsamts selbst direkt Mieter werden. "Wir versuchen, die Wohnungen, die sie schon kennen, umzuwandeln. Aber das ist nicht in jedem Fall möglich, so dass wir auch neue Wohnungen finden müssen", so Nitschke.
Probleme bereite dabei beispielsweise die Bürokratie, die bereits für Deutsche nur schwer umzusetzen sei, wie Nitschke sagt. So haben Flüchtlinge andere Ansprüche auf die Wohnfläche als Bürgergeldempfänger, gleichzeitig gebe es Vorgaben, was die Miete für Bürgergeldempfänger betreffe, "am Ende muss das Ganze passfähig sein, damit wir unsere Kosten decken können."
Falls ein Umzug anstehe, gestaltet sich oftmals die Anschaffung und der Transport von Möbeln schwierig für die Ukrainier. "Hier versuchen Ehrenamtliche, aber auch wir, mit eigenem Personal zu unterstützen", sagte der Geschäftsführer zu MDR SACHSEN.
Wenn jemand nachweist, dass er nicht innerhalb von vier Wochen umzieht, sondern eine Wohnung gefunden hat, die er erst in zwei Monaten beziehen kann, dann werden wir damit kulant umgehen.
Übernachtung in Notunterkunft möglich
Wenn Betroffene der Forderung, ihre Wohnungen zu verlassen, nicht fristgerecht nachkommen, schließt das Landratsamt laut einem Bericht der Freien Presse Räumungen nicht aus. Wer keine Wohnung findet, solle vorübergehend in einer Notunterkunft in einer Turnhalle übernachten. Zu MDR SACHSEN sagte Landrat Rico Anton: "Wir versuchen alles, um Obdachlosigkeit zu vermeiden. Im äußersten Notfall haben wir eine Notunterkunft, wo eine temporäre Unterbringung möglich ist." In Härtefällen seien Fristverlängerungen denkbar: "Wenn jemand nachweist, dass er nicht innerhalb von vier Wochen umzieht, sondern eine Wohnung gefunden hat, die er erst in zwei Monaten beziehen kann, dann werden wir damit kulant umgehen."
MDR (kav)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 24. Mai 2024 | 19:00 Uhr