Ortschaftsrat Groß Schierstedt Wie ein Generationswechsel in der Kommunalpolitik funktionieren kann
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24. Juni 2024, 14:27 Uhr
Nach der Kommunalwahl gibt es in vielen Kreistagen, Stadt- und Ortschaftsräten neue Gesichter. Das liegt nicht nur an Verschiebungen in der politischen Landschaft, sondern auch an einem anstehenden Generationswechsel. Im Ascherslebener Ortsteil Groß Schierstedt sind fast alle Ortschaftsräte neu im Amt und deutlich jünger. Dieser Wechsel scheint geplant gewesen zu sein. Eine Bestandsaufnahme nach der Kommunalwahl zeigt ein Stimmungsbild.
- Der jüngste Ortschaftsrat in Groß Schierstedt ist 20 Jahre alt.
- Ortschaftsräte können wenig entscheiden, aber dann doch einiges bewegen.
- Es geht allerdings nur gemeinsam.
Im Gemeindehaus von Groß Schierstedt, einem Ortsteil von Aschersleben, scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Knallorange DDR-Stühle stehen im Besprechungszimmer, Spannteppich liegt auf dem Boden, und ein Kachelofen ragt aus der Wand. Auf einem Schreibtisch steht ein Faxgerät, aber kein Computer. Am Gebäude hat sich in den vergangenen Jahrzehnten wenig verändert.
Junge Generation übernimmt: neue Ortschaftsräte treten an
Eine neue Generation geht jetzt in das Gebäude ein und aus. Ein neuer Ortsbürgermeister wird hier seine Sprechstunden abhalten und auf der ersten Sitzung im Juni von neuen, jüngeren Ortschaftsräten gewählt werden. Einer von ihnen, der jüngste, ist Fabrice Gürth. Er ist 20 Jahre alt und neu gewählt.
Ich denke, dass die junge Generation nachrücken muss.
"Ich denke, dass die junge Generation nachrücken muss", sagt er. "Und dass wir auch die Generation sind, die nachher im Ort hier wohnen bleibt." Man könne viel von den Älteren und ihrer Lebenserfahrung lernen. Aber jetzt sei offensichtlich die Zeit für einen Wechsel gekommen. Junge Menschen wie Fabrice Gürth sind in diesem Teil Sachsen-Anhalts normalerweise erst mal ein paar Jahre weg – zum Studium oder für den ersten Job.
Ich bin hier aufgewachsen und habe das Dorf kennen und lieben gelernt.
"Ich wohne ja schon seit 20 Jahren in dem Dorf und meine Familie wohnt auch schon seit über 100 Jahren hier", sagt er. "Ich bin hier aufgewachsen und habe das Dorf kennen und lieben gelernt." Jetzt sei es offensichtlich Zeit, mitzureden.
Dafür sind Ortschaftsräte zuständig
Der Einfluss von Ortschaftsräten ist begrenzt. Sie sind Kommunikationsschnittstelle zwischen den Anwohnern vor Ort und den Stadtverwaltungen. Entscheiden können sie wenig – in vielen Stadträten ist es aber gelebte Praxis, den Willen der Ortschaftsräte zu berücksichtigen, wenn keine Sachzwänge dagegen sprechen. Sie haben also Einfluss, können aber direkt eher wenig entscheiden – außer vielleicht über die Vergabe von Zuschüssen für die Vereine im Ort. Das weiß auch Fabrice: "Im Endeffekt ist man abhängig von der Stadt." Für die erste Ortschaftsratssitzung hat er sich vorgenommen, erst einmal zuzuhören und Einblicke zu sammeln.
Wie ein Generationswechsel funktionieren kann
Fragen kann er René Krebs. Er ist der einzige Ortschaftsrat, der schon praktische Erfahrung hat. Er wurde zum zweiten Mal gewählt. "Sicherlich haben wir nicht viel zu sagen, was die Stadt im Endeffekt entscheidet", stellt er fest. Man könne aber ein wenig stänkern. Eigeninitiative und regelmäßiges Nachfragen sind gefragt. Ein Thema für ihn ist der Zustand des Mühlgrabens, einer Löschwasserentnahmestelle für die Feuerwehr. Der Graben benötigt Pflege.
Warum Einigkeit wichtig ist
Was die Prozeduren im Ortschaftsrat betrifft: In Groß Schierstedt haben sie den Generationswechsel offensichtlich geplant. Die ehemaligen Räte bleiben ansprechbar. Übrigens gehören alle Ortschaftsräte hier der gleichen Wählergruppe an, der Wählerinitiative Groß Schierstedt. Ein Vertreter von Parteien sitzt hier nicht am Tisch. Auch das ist auf dem Dorf nicht untypisch. Vielleicht hilft Geschlossenheit auch, wenn es darum geht, in einer Stadt wie Aschersleben die Interessen eines einzelnen Ortsteils zu vertreten. Immerhin gehören zur Gemeinde noch zehn weitere Dörfer und die Kernstadt.
Herausforderungen und Alltag im Ortschaftsrat
"Man muss ein dickes Fell haben", sagt René Krebs. "Man darf nicht alles in sich reinfressen – sicherlich gibt es dann Sachen, bei denen man nicht gleich runterkommt und noch ein bisschen grübelt." Das dürfe man sich nicht auf den Buckel binden, stellt er fest. Häufig geht es in den Ortschaftsratssitzungen um alltägliche Dinge wie Grünpflege, Schlaglöcher und Straßenlaternen. Diese Probleme sind häufig nicht von heute auf morgen zu lösen. Es braucht Geduld.
Was es auf dem Dorf braucht
Auch Stefan Jorde sitzt zum ersten Mal im Ortschaftsrat seines Heimatdorfes. Für ihn bot es sich an, als junger Familienvater Verantwortung zu übernehmen. "Ja, ich bin jetzt quasi schon die mittlere Altersstufe, zwischen der ganz jungen Generation und denen, die jetzt die Älteren sind", stellt der Mittdreißiger fest. Ihm ist der Erhalt der Vereine und der Kita wichtig. "Wir haben eine örtliche Kita, auf die wir sehr stolz sind." Er möchte dafür sorgen, dass die junge Generation hier bleibt. Später, bei einem Spaziergang durchs Dorf, erzählt er vom Gedanken, vielleicht als Großvater die eigenen Enkel in der Kita im Ort zu sehen. "Dass eben die nächste Generation auch der Meinung ist: Hier lohnt es sich zu leben. Man kann hier wohnen, arbeiten und die Kinder betreuen." Kurze Beine, kurze Wege – das ist wichtig auf dem Dorf.
In Groß Schierstedt gibt es eine Sporthalle, ein schickes Dorfgemeinschaftshaus und die Kita, aber keine Grundschule oder ein Lebensmittelgeschäft. Verkaufswagen halten jedoch im Ort. Dafür gibt es ein reges Vereinsleben. Gerade sind die Flyer für das Schützenfest aus dem Druck gekommen. Für die Wahl zum Ortschaftsrat gab es einen Aufruf: Wer will mitmachen? Dann sind sie als Wählergemeinschaft angetreten.
Wichtig: gemeinsame Interessen vertreten
Gerade die Ratsmitglieder, die aufhören wollten, hätten das lange vorher schon kommuniziert. Das sei nicht überraschend gekommen, stellt Stefan Jorde fest. Und die jüngeren konnten sich vorbereiten. "Als die Liste entstanden ist, waren wir extrem stolz, dass wir die Liste voll bekommen haben." Sie sei ruckzuck gefüllt gewesen. So funktioniert das auf dem Dorf. Vielleicht liegt es daran, dass es nur geschlossen funktioniert, die Interessen eines kleinen Ortes in einer viel größeren Stadt durchzusetzen.
Genau so wichtig dürfte Beständigkeit sein. Und die zeigt sich vielleicht auch bei der Einrichtung des Gemeindehauses.
MDR (Tom Gräbe), zuerst veröffentlicht am 22.06.2024
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT | MDR SACHSEN-ANHALT | 21. Juni 2024 | 11:30 Uhr
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