Junge Kommunalpolitiker: Alexander Glattki, Marc Zeidler, Sean Winkler
Sie sind jung und politisch engagiert: Alexander Glattki, Marc Zeidler und Sean Winkler (v.l.n.r.) Bildrechte: MDR/Daniel George

Kommunalwahl 2024 "Ich will mich nicht wegducken" – warum sich junge Menschen politisch engagieren

07. Juni 2024, 08:08 Uhr

Was bewegt junge Menschen, sich in diesen so bewegten Zeiten in der Kommunalpolitik zu engagieren? In welch einem Klima machen sie ihre ersten politischen Schritte? Und welche Hürden gibt es? Drei junge Männer aus Sachsen-Anhalt erzählen von ihren Erfahrungen. Teil zwei unserer Serie über junge Menschen in der Kommunalpolitik.

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Es nieselt an diesem Vormittag im April auf dem Bahnhofsvorplatz. Dunkle Wolken ziehen auf über Oschersleben. Das passt so gar nicht ins Bild. Denn eigentlich will Alexander Glattki seine Heimatstadt erstrahlen lassen – oder zumindest einen gehörigen Teil dazu beitragen.

"Ich möchte die nächsten Jahre hier mitgestalten. Ich möchte, dass Menschen wieder nach Oschersleben ziehen", sagt der 25-Jährige. "Wir hatten jahrelang eine Abwanderung. Auch durch die Intel-Ansiedlung haben wir jetzt die Chance, junge Menschen wieder herzuholen. Das funktioniert nur durch die Gestaltung von Oschersleben hin zu einer attraktiven Stadt, auch für junge Leute. Dafür möchte ich mich einsetzen, damit die Stadt auch Zukunft hat."

Was bewegt junge Menschen, sich in diesen so bewegten Zeiten in der Kommunalpolitik zu engagieren? In welch einem Klima machen sie ihre ersten politischen Schritte? Und welche Hürden gibt es? Drei Menschen aus Sachsen-Anhalt erzählen von ihren Erfahrungen.

Im ersten Teil des Schwerpunkts hatte MDR SACHSEN-ANHALT mit jungen Politikerinnen und Politikern von SPD, Grünen und Linke gesprochen.

Hoffnung auf mehr junge Menschen in der Kommunalpolitik

Für Alexander Glattki hat 2015 alles begonnen. Damals, so sagt er, entwickelte sich sein Interesse für Politik – und der Wunsch, daran mitzuarbeiten. Während der Flüchtlingsbewegung habe er Jugendlichen in einer Flüchtlingsunterkunft ehrenamtlich beim Deutsch lernen geholfen, erzählt der gebürtige Oscherslebener. "Das war sehr spannend", sagt das CDU-Mitglied heute. "Aber es war auch nicht immer alles so gut, was man miterlebt hat."

Was genau er meint? "Ich hatte immer das Gefühl, dass in den Medien nicht auf die Problematiken aufmerksam gemacht wird. Natürlich kamen viele Flüchtlinge aus Afghanistan und Syrien, wo Krieg war. Aber es war auch so, dass viele aus anderen Ländern kamen – und vor allem auch viele, die sich nicht integrieren wollten", sagt Alexander Glattki. "Man sollte nicht immer alles positiv sehen, sondern hinterfragen."

Diese Haltung habe er in die Politik einbringen wollen, so der 25-Jährige. 2018 trat Glattki in die Junge Union ein, drei Jahre später in die CDU. Während seines Studiums der Politikwissenschaften und Soziologie an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg engagierte er sich außerdem im Studierendenrat. "Die Hochschulgruppe in Magdeburg war relativ klein, als ich angefangen habe, dann haben wir sie aufgebaut. Netzwerken kann ich", sagt Glattki. Und: "Ich hoffe, dass mir das vielleicht auch in Oschersleben gelingt, einige junge Leute in die Kommunalpolitik zu holen."

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Was treibt junge Menschen an, in Krisenzeiten bei einer Kommunalwahl anzutreten? Alexander Glattki von der CDU aus Oschersleben im Interview.

MDR SACHSEN-ANHALT So 21.04.2024 19:00Uhr 00:29 min

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Nicht nur "alte weiße Männer" in der Kommunalpolitik

Denn Glattki sagt zwar: "Wir haben nicht nur alte Männer bei uns in der Partei, sondern auch Frauen oder junge Kandidaten wie mich." Doch es stimme schon, dass sich gerade in ländlichen Regionen "tendenziell eher die älteren Männer politisch engagieren", sagt der 25-Jährige. Nun kandidiert auch Glattki erstmals für ein kommunalpolitisches Amt, für den Stadtrat von Oschersleben. "Ich bin froh, dass ich von der CDU hier durchweg positive Reaktionen auf meine Kandidatur bekommen habe und dass sie einem jungen Kandidaten wie mir die Chance gegeben haben – und das auch relativ weit oben auf Listenplatz zwei, das ist nicht selbstverständlich."

Alexander Glattki will auch mit gutem Beispiel vorangehen, andere junge Menschen zum Engagement in der Kommunalpolitik animieren. Denn er glaubt: "Junge Menschen engagieren sich. Das sehen wir zum Beispiel bei Fridays for Future. Aber die Bindungsfähigkeit von Parteien hat stark abgenommen." Das habe seiner Meinung nach verschiedene Gründe: "Zum einen kostet eine Parteimitgliedschaft auch Geld. Viele sind nicht bereit, dafür Geld auszugeben. Und viele sehen auch die Partei als eine solche an, die eine stramme Linie hat und wenn man eine andere Meinung hat, kann man nicht so viel bewirken. Dabei ist das gar nicht so."

Alexander Glattki, CDU Oschersleben
Alexander Glattki, CDU-Politiker aus Oschersleben Bildrechte: MDR/Daniel George

Man muss auf die Leute zugehen. Dann schafft man es auch wieder, aktiv Leute in die Partei zu holen.

Alexander Glattki, CDU

"Die Gemüter sind aufgeheizt"

Wie Glattki dieses Bild ändern will? "Es gibt zu wenige Leute, die aktiv in den Dörfern und Gemeinden werben. Die Strukturen sind gefestigt und irgendwie will man aus diesen gefestigten Strukturen nicht raus. Ich glaube, das ist das Problem", sagt er. Also: "Man muss auf die Leute zugehen. Dann schafft man es auch wieder, aktiv Leute in die Partei zu holen."

Weil sich sein Studium dem Ende entgegen neigt, sei nun mehr Zeit für kommunalpolitisches Engagement, sagt Glattki. Außerdem kehrt er zurück aus Magdeburg in seine Heimatstadt. Dort will er sich beispielsweise im Sinne des Klimaschutzes für ein neues Fahrradwegekonzept und die Einführung von Gemeindearbeitern in den Dörfern einsetzen.

"Wir hatten jetzt schon einen Wahlstand hier in Vorbereitung auf die Kommunalwahl und da kamen natürlich viele Äußerungen von Menschen, dass sie sich von uns nicht mitgenommen fühlen", sagt Glattki. "Viele vermischen das auch mit der Landes- und Bundespolitik, die die Kommunalpolitik ja aber überhaupt nicht beeinflussen kann." Der 25-Jährige sagt: "Ja, die Gemüter sind aufgeheizt, aber ich denke, dass wenn wir Politiker uns ordentlich artikulieren und öffentlichkeitswirksam sagen, wo die Richtung hingeht, auch die Akzeptanz zu den demokratischen Parteien zurückkommt."

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Do 28.03.2024 12:00Uhr 00:35 min

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"AfD war die einzige Partei, die zu mir gepasst hat"

Von aufgeheizter Stimmung spricht Marc Zeidler nicht. Der 21-Jährige sitzt im Wahlkreisbüro der AfD in Oschersleben. 2020 trat Zeidler, der aus dem kleinen Örtchen Emmeringen stammt, in die AfD ein. "Ich habe mich schon früh politisch engagiert", sagt er im Blick zurück. Und: "Für mich war die AfD die einzige Partei, die zu mir gepasst hat." In Sachsen-Anhalt wird die Partei seit vergangenem Jahr vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft.

Warum er sich überhaupt dafür entschieden hat, in der Kommunalpolitik aktiv zu werden? "Ich habe früher viel gemeckert und mir dann gedacht: 'Setze ich meine Meckerei doch in die Tat um!'", erzählt der 21-Jährige. Welche Themen ihn zum Eintritt in die Partei bewegt haben? "Das war damals ganz schön viel", sagt er. "Wirtschaftlich, die Steuern, und Asylpolitik war ein heißes Thema. Das hat mich bewogen, hier mitzumachen in der AfD".

Der Kontakt zur Partei kam damals über Social Media zustande, erzählt der heute 21-Jährige. Im Familienkreis sei viel über die aktuelle politische Situation diskutiert worden. Schnell habe er Beiträge der AfD in den sozialen Netzwerken mit einer "Gefällt-mir"-Angabe versehen. Und: "Da wurde ich dann angeschrieben von jemandem, der hier im Kreisvorstand saß und noch immer sitzt. Mit dem hatte ich dann ein Gespräch und er hat gesagt, ich solle doch Mitglied werden. Dann habe ich gleich zugestimmt und dann war ich Mitglied."

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Wie werden junge Menschen in der Kommunalpolitik aufgenommen? Marc Zeidler von der AfD aus Oschersleben im Interview.

MDR AKTUELL So 21.04.2024 10:00Uhr 00:17 min

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Handwerker statt Berufspolitiker

Für Zeidler, so sagt er, stand schnell fest, dass er sich bei den kommenden Kommunalwahlen zur Wahl stellen wolle. "Ich hatte direkt eine große Motivation, auf kommunaler Ebene in die Politik zu gehen", sagt der 21-Jährige. "Da habe ich drauf hingearbeitet, dass ich das auch kann. Für mich war schon vor zwei, drei Jahren klar, dass ich für die Stadt und den Kreis kandidieren möchte. Das war jetzt die erste Möglichkeit und die habe ich gleich angepackt."

Zeidler steht direkt auf Listenplatz eins bei der Wahl für den Stadtrat. Eine Karriere als Berufspolitiker strebe er derzeit allerdings nicht an, sagt der 21-Jährige. "Nein, zurzeit ist das nicht das Ziel", sagt er. "Ich bin Handwerker und das möchte ich auch bleiben." Aktuell befindet er sich in den letzten Zügen seiner Ausbildung zum Elektriker. "Danach würde ich am liebsten noch einen Meister machen und mich dann vielleicht selbstständig machen", sagt er.

Zeidler glaubt, dass sein beruflicher Hintergrund ein Vorteil ist. In der Partei sei er sehr gut aufgenommen worden, sagt Zeidler. Auch bei Veranstaltungen würden die Menschen positiv auf seinen Job reagieren. "Ein Grund dafür ist auch, dass ich Handwerker bin und keine Sozialwissenschaften oder so etwas studiere", sagt Zeidler. "Wenn ich sage, dass ich politisch engagiert bin und auch noch eine Ausbildung zum Elektriker mache, dann begrüßen das die Leute immer sehr. Ich komme mir immer sehr willkommen vor."

Kommunalpolitik nah an den Menschen: "Das finde ich schön"

Dass sich wenige junge Menschen politisch engagieren, kann Marc Zeidler aus eigener Erfahrung nicht bestätigen. "In unserer Umgebung gibt es relativ viele junge Menschen", sagt er. "Auch in meiner alten Klasse damals waren zwei Mitschüler politisch aktiv und dann auch in einer Partei." Zwar in anderen Parteien als der AfD, aber: "Das war trotzdem ein solides Miteinander", sagt Zeidler. "Die waren zwar aus anderen Parteien, aber ich habe mich trotzdem mit denen verstanden."

Auch seine Freunde hätten sein politisches Engagement begrüßt. "Die fanden das cool", erzählt der 21-Jährige. Was ihn antreibt? "Ich möchte etwas bewegen, meine Vorstellungen bewegen", sagt er. Und: "Das sind die konservativen Vorstellungen, die ich schon länger habe."

Marc Zeidler, AfD-Politiker aus Oschersleben
Marc Zeidler, AfD-Politiker aus Oschersleben Bildrechte: MDR/Daniel George

Man muss auch mal ein kleines Risiko eingehen, damit man etwas Großes schaffen kann. Einige Ältere sehen nur das Risiko. Die bewegen dann nicht mehr viel.

Marc Zeidler, AfD

Diese wolle er in seiner Heimat umsetzen, denn an der Kommunalpolitik schätze er vor allem die Nähe zu den Menschen. "Wir haben ungefähr 20.000 Einwohner in Oschersleben. Wenn man durch die Straßen der Stadt geht oder in den Nachbar-Dörfern oder auf dem Dorf-Fest ist, kennt man überall jemanden. Das ist angenehm. Das finde ich schön." So würden die Probleme schneller deutlich werden und "du kannst schneller reagieren", sagt Zeidler.

Für einen neuen BMX-Park oder eine Fahrradstrecke wolle er sich einsetzen, sagt der AfD-Politiker, vor allem für die Jugend. Deshalb sei es wichtig, dass sich auch junge Menschen in der Kommunalpolitik engagieren. Denn: "Ich finde, junge Menschen, die wiegen viele Sachen noch nicht so streng ab, wie es manche ältere tun. Ich glaube, es gibt so etwas wie einen leichtsinnigen Optimismus. Ich finde, das ist wichtig", sagt Marc Zeidler. "Man muss auch mal ein kleines Risiko eingehen, damit man etwas Großes schaffen kann. Einige Ältere sehen nur das Risiko. Die bewegen dann nicht mehr viel."

Im MDR-Talk FAKT IST! aus Magdeburg wurde im Februar über Politik als Ehrenamt diskutiert – und die Frage gestellt, warum Menschen sich das antun, obwohl sie mitunter beschimpft werden. Hier können Sie die komplette Sendung nachsehen.

Die Gäste im Fakt-ist-Studio 60 min
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Verkrustete Strukturen und Seilschaften

In seiner Heimat etwas bewegen, das will auch Sean Winkler. Der 24-Jährige sitzt bereits seit 2019 für die FDP im Stadtrat von Wolmirstedt. Als Winkler kandidierte, war er gerade 18 Jahre alt. "Das war damals sehr aufregend für mich", sagt Winkler im Blick zurück auf seine Anfänge in der Kommunalpolitik. Doch er gibt auch zu: "Ich war dann auch erstmal relativ ernüchtert, weil ich gemerkt habe, dass diese ganzen Klischees, die es über Politik gibt, zum Teil stimmen." Zum Beispiel? "Es ist sehr bürokratisch. Alles dauert ewig. Diese Erfahrungen waren teilweise ermüdend. Sie haben mir geholfen, politische Prozesse zu verstehen, mir aber auch gezeigt, warum es Politikverdrossenheit gibt. Eben weil viele Strukturen sehr verkrustet sind und es oft auch um persönliche Gefälligkeiten und Seilschaften geht, gerade in der Kommunalpolitik."

Winkler steht auf der Schlossdomäne im historischen Kern von Wolmirstedt. Er ist hier aufgewachsen, studiert mittlerweile zwar Lehramt in Potsdam, lebt allerdings noch immer in der Kleinstadt am Rande von Magdeburg. "Ich fühle mich der Stadt einfach verbunden und brenne für die Themen hier", sagt der 24-Jährige. So habe er sich beispielsweise für frei zugängliches WLAN auf der Schlossdomäne und eine Digitalisierung der Verwaltung eingesetzt. Er sagt: "Wenn ich durch Wolmirstedt gehe, bestimmte Sachen sehe oder höre, habe ich das emotionale Verlangen, die Stadt besser machen zu wollen."

Deshalb wird sich Winkler auch in diesem Jahr wieder zur Wahl stellen. Trotz der anfänglichen Ernüchterung über die politischen Prozesse. Weil er mitgestalten will. Und weil er fest daran glaubt, dass junge Menschen in der Kommunalpolitik wichtig sind. Bei ihm habe die Klimabewegung "Fridays For Future" den Anstoß für das politische Engagement gegeben. "Ich war nie dabei, aber habe gesehen, dass es dieses politische Interesse der jungen Menschen gibt", sagt Winkler. Er habe sich gedacht: "Wenn alle diese Menschen, die da protestieren, in Parteien eintreten würden, wäre das natürlich der mühsamere Weg, aber dann könnte man viel mehr ändern." Das sei fortan auch sein Anspruch gewesen: "Ich will mich nicht wegducken und nur gegen etwas sein, mich aber nicht selber einbringen. Ich will aktiv im Kommunalparlament vor Ort sein und damit zeigen, dass auch junge Leute so etwas verändern können."

Sean Winkler, FDP-Politiker aus Wolmirstedt 1 min
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Warum sollten sich junge Menschen in der Kommunalpolitik engagieren? Sean Winkler von der FDP aus Wolmirstedt im Interview.

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"Du wirst als junger Kommunalpolitiker manchmal unterschätzt"

Denn Winkler glaubt auch: Junge Menschen in der Kommunalpolitik ziehen andere junge Menschen an. Und andersherum "kann ich mir vorstellen, dass es viele junge Leute abschreckt, wenn sie die Zusammensetzung von manchen Stadträten sehen", sagt der 24-Jährige. "Wenn sie sehen, dass oft nur ältere Menschen dort vertreten sind, die an ihren Plätzen kleben und gefühlt kandieren wollen, bis sie 100 Jahre alt sind, und die Plätze nicht frei machen. Das kann junge Menschen abschrecken – gerade, wenn sie von diesen Leuten dann teilweise noch von oben herab behandelt werden."

Das sei ihm zwar nicht passiert, doch Winkler sagt: "Du merkst schon manchmal, dass du unterschätzt wirst als junger Kommunalpolitiker. Das fällt schon auf, muss aber auch nicht schlecht sein, wenn du die Menschen dann positiv überraschen kannst." Es sei wichtig, dass auch ältere Vertreter und Vertreterinnen im Stadtrat dabei wären, sagt der FDP-Mann: "Man braucht diese Erfahrung. Der Stadtrat spiegelt ja auch den Altersdurchschnitt der Bevölkerung wider. Trotzdem darf das nicht dazu führen, dass junge Menschen sich wegducken und denken, dass sie sowieso keine Chance haben, in den Stadtrat einzuziehen und deshalb gar nicht erst kandidieren. Ich würde jeden ermutigen, sich zu engagieren."

Der Aufwand sei nicht gering, aber doch zu managen, erzählt Sean Winkler. Vier- bis achtmal im Jahr stünden Stadtratssitzungen auf dem Programm, hinzu kämen noch die Arbeit in den Ausschüssen und der Fraktion. "Mal hast du Monate, wo du gar keinen Termin hast, dann aber auch Monate, wo es ziemlich viele sind", sagt der 24-Jährige. "Mal gibt es Themen, wo du dich nicht so tief einarbeiten musst, aber dann gibt es auch Themen wie das neue Sportstadion, das bei uns gebaut werden soll, wo die Kosten aber gerade explodieren. Es war anberaumt mit sechs Millionen Euro, jetzt liegen wir schon weit über zehn Millionen Euro. Da musst du dich intensiv mit beschäftigen." Auch Kommunalpolitiker müssten sich ihrer Verantwortung bewusst sein, sagt Winkler, denn: "Das sind ja nicht unsere Gelder. Die kommen ja nicht aus dem Nichts. Das sind Steuergelder, die erarbeitet wurden. Da müssen wir sorgsam mit umgehen."

Kreissaal, Hörsaal, Plenarsaal? "Schwierig!"

Dennoch habe er die Erfahrung gemacht, dass es im Stadtrat auch Kommunalpolitiker geben würde, die "einfach ihre Zeit absitzen", wie Winkler erzählt. "Es hängt immer davon ab, wie sehr man Ansprüche an sich selber hat. Es gibt Leute, die habe ich noch nie reden gehört. Und es gibt halt Menschen, die sich aktiv beteiligen." Zur letzteren Sorte will der 24-Jährige gehören.

Wenngleich Winkler aus Erfahrung sagen kann, dass die gesellschaftliche wie politische Stimmung aktuell aufgeheizter ist als vor fünf Jahren, als er erstmals kandidierte. "Die politischen Ränder werden stärker und die Stimmung hat sich verschärft", sagt er. Und: "Der Bundestrend zieht die SPD, die Grünen und auch die FDP runter. Natürlich werden wir auch hier vor Ort erstmal auf die Arbeit der Ampel-Koalition angesprochen. Auch, wenn die Themen in der Kommune andere sind als in der Bundespolitik." Da die Kommunalwahl in diesem Jahr am gleichen Tag wie die Europawahl stattfindet, glaubt der FDP-Politiker, "dass wir wieder eine stark bundespolitische Einfärbung erleben werden".

Sean Winkler, FDP-Politiker aus Wolmirstedt
Sean Winkler, FDP-Politiker aus Wolmirstedt Bildrechte: MDR/Daniel George

Nein, ich strebe die Politik nicht hauptberuflich an. Lehrer werden ja auch gebraucht – sicherlich mehr als Politiker.

Sean Winkler, FDP

Ob die Landes- oder gar Bundespolitik für ihn später einmal ein Ziel sei? "Nein, ich strebe die Politik nicht hauptberuflich an", sagt Sean Winkler. "So etwas lässt sich ohnehin nicht planen. Ich würde es nicht ausschließen. Ich bin ja politisch aktiv, um zu gestalten. Und umso höher du kommst, umso mehr kannst du auch gestalten."

Aber der 24-Jährige sagt auch: "Ich finde diesen Ansatz von Kreissaal, Hörsaal, Plenarsaal immer ein bisschen schwierig. Es gibt ja Leute, die treten mit 18 Jahren oder auch schon früher in ihre Partei ein, kandidieren dann für alles mögliche, studieren Politikwissenschaften und streben geradlinig ihre Karriere an. Das würde ich nicht machen." Deshalb wolle er sein Lehramts-Studium beenden und auch als Lehrer arbeiten, nebenbei in der Kommunalpolitik bleiben. Sean Winkler lacht: "Lehrer werden ja auch gebraucht – sicherlich mehr als Politiker."

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MDR (Daniel George) | Zuerst veröffentlicht am 20.04.2024

Dieses Thema im Programm: FAKT IST! aus Magdeburg | 19. Februar 2024 | 22:10 Uhr

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