Bürgermeisterin Doreen Krüger aus Möckern Kommunalpolitik in Krisenzeiten: "Den Mut fassen, sich zur Wahl zu stellen"
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07. Juni 2024, 08:01 Uhr
Als Frau in der Kommunalpolitik ist Doreen Krüger in Sachsen-Anhalt eher die Ausnahme. Die parteilose Bürgermeisterin von Möckern sah sich im Wahlkampf vor anderthalb Jahren mit Anfeindungen konfrontiert. Doch sie machte weiter – und hofft nun, dass sich noch mehr Menschen kommunalpolitisch engagieren. Ein Besuch im Rathaus von Möckern.
- Noch immer ist der Frauenanteil in Sachsen-Anhalts Kommunalparlamenten gering. Laut Doreen Krüger sollte sich das ändern.
- Die 44-Jährige arbeitet seit anderthalb Jahren als Bürgermeisterin von Möckern – und ist parteilos aus Überzeugung.
- Dass das politische Klima auch in der Kommunalpolitik mitunter rau sein kann, musste sie im Wahlkampf erleben.
Immer wieder wirft Doreen Krüger einen Blick hinüber an die Wand. Denn dort, in ihrem Büro im Rathaus von Möckern, hängt der große Überblick: An einer weißen Tafel hat die Bürgermeisterin alles notiert, was noch erledigt werden muss – und freier Platz ist kaum noch darauf.
"Es gibt sehr viele Themen, die wir gerade abarbeiten. Ich bin unheimlich stolz, wie alle bei uns mitziehen", sagt die 44-Jährige. Seit anderthalb Jahren hat Krüger nun bereits das Amt der Bürgermeisterin von Möckern inne. Bereits vorher engagierte sie sich im Stadtrat.
Die Kommunalpolitik liegt ihr am Herzen. Auch in Krisenzeiten, denn: "Auf kommunaler Ebene hast du immer noch die Chance, etwas zu verändern, etwas zu bewegen, leichter als in der Landes- und Bundespolitik", sagt Krüger. "Es ist direkter. Und deshalb sollten auch noch mehr Menschen den Mut fassen, sich zur Wahl zu stellen."
Frauen in der Kommunalpolitik eher die Ausnahme
Doreen Krüger ist eine von wenigen Ausnahmen. Die Kommunalpolitik wird in Sachsen-Anhalt noch immer von Männern dominiert. Der Frauenanteil in den Kommunalparlamenten liegt hierzulande nur bei rund 20 Prozent. Ein noch größeres Gefälle zeigt sich zwischen Stadt und Land: Den höchsten Frauenanteil gibt es in Halle mit knapp 32 Prozent, den niedrigsten in Mansfeld-Südharz mit 12,5 Prozent. Im Jerichower Land, wo auch Krüger arbeitet, waren es im März 2022 ebenfalls nur 14,3 Prozent.
"FRAUEN.MACHT.POLITIK!" fordert deshalb auch der Landesfrauenrat Sachsen-Anhalt e.V. mit seiner aktuellen Kampagne. Bis zur Kommunalwahl 2024 unterstützen Landesfrauenratschefin Daniela Suchantke und ihr Team gezielt Frauen auf ihrem Weg in politische Ämter. Kommunalpolitik sei die Basis der Demokratie. Was hier entschieden werde, beeinflusse den Alltag der Bevölkerung direkt. "Fragen der Vereinbarkeit, gerechter Lohn, familien- und frauenfreundliche Stadtplanung, Gewaltfreiheit – dies sind nur einige Beispiele", erzählt Daniela Suchantke.
Warum also sind Frauen in der Kommunalpolitik noch immer in der Minderheit? "Darüber haben wir auch beim Bürgermeisterinnen-Treffen im vergangenen Jahr diskutiert", erzählt Doreen Krüger. "Der Zeitfaktor spielt eine Rolle, weil Frauen eben in der Regel doch noch mehr für die Familie da sind. Teilweise ist es aber auch Unwissenheit und Unsicherheit. Viele wissen nicht, wie viel Aufwand das überhaupt macht. Außerdem wägen Frauen wahrscheinlich doch eher mal ab, ob sie den Aufgaben gewachsen sind. Also: Was kommt da auf mich zu und schaffe ich das wirklich?"
Bereits im Frühjahr 2022 hatte MDR Data recherchiert, wie es um den Anteil von Frauen in den Kreistagen und Stadträten der kreisfreien Städte steht. Die Ergebnisse waren ernüchternd.
"Weiblicher Blick ist doch anders"
Doreen Krüger kann nur an interessierte Frauen appellieren, den Mut zu fassen, für die Kommunalparlamente zu kandidieren, denn: "Eigentlich ist es kein Hexenwerk. Der Stadtrat tagt bei uns vier- bis fünfmal im Jahr. Dazu kommen noch die Sitzungen der Ausschüsse, aber auch nicht jede Woche."
In ihrem Stadtrat gebe es nur zwei Frauen – von insgesamt 28 Mitgliedern. "Ich komme mit den Männern gut zurecht und wir fahren eine einheitliche Linie. Trotzdem würde ich mir manchmal wünschen, dass dort mehr Frauen sitzen, weil sie einen anderen Blickwinkel auf bestimmte Themen haben", sagt Krüger. "Die Männer sind auch sehr gewissenhaft, das will ich ihnen gar nicht absprechen. Aber so ein weiblicher Blick ist manchmal doch anders."
Wenn du in einer Partei bist, unterliegst du auch immer einem Fraktionszwang und den Ansichten der Partei. Ich will in den unterschiedlichen Themen aber frei entscheiden können.
Parteilos aus Überzeugung
Seit fünf Jahren engagiert sich Doreen Krüger nun bereits in der Kommunalpolitik. Zuvor war sie jahrelang Vorsitzende der Stadtelternvertretung in Möckern. "Bis meine Tochter aus der Betreuung im Hort ausgeschieden ist", erzählt die 44-Jährige. Dann kandidierte sie für den Stadtrat und packte den Einzug. 2022 schließlich ihre Kandidatur für das Amt der Bürgermeisterin.
"Das ging gar nicht von mir aus, sondern von anderen Fraktionen, die mich gefragt hatten, ob ich mir das nicht vorstellen könne", erzählt Krüger. "Ich habe mir dann etwas Bedenkzeit erbeten und mit meiner Familie gesprochen." Diese hätte zu ihr gemeint: "Wenn du es jetzt nicht machst, machst du es wahrscheinlich gar nicht mehr."
Also stellte sich Doreen Krüger, gelernte Verwaltungsfachangestellte, zur Wahl – allerdings weiterhin, ohne einer bestimmten Partei anzugehören. Stattdessen war sie Mitglied der Wählergemeinschaft Fläming. "Wenn du in einer Partei bist, unterliegst du auch immer einem Fraktionszwang und den Ansichten der Partei", sagt die parteilose Bürgermeisterin. "Ich will in den unterschiedlichen Themen aber frei entscheiden können. In einer Wählergemeinschaft bin ich mehr oder weniger nur meinem Gewissen unterlegen. Ich muss mich nicht nach einer Partei richten, sondern kann je nach Themenlage das Wichtige für mich herauspicken."
Harte Anfeindungen im Wahlkampf
Dass Kommunalpolitik in diesen so schwierigen Zeiten auch hart sein kann, musste Doreen Krüger im Wahlkampf erleben – und mit persönlichen Anfeindungen umgehen. "Das war extrem", sagt sie heute im Blick zurück auf das Jahr 2022. "Da musste ich viel aushalten."
Ihre Wahlplakate seien verschandelt worden, erzählt die Bürgermeisterin. Außerdem habe es Rundbriefe gegeben, die in zahlreichen Briefkästen im Wahlgebiet gelandet wären, auch in ihrem – und natürlich auch in den sozialen Netzwerken. "Dort stand dann zum Beispiel drin, dass die Stadt untergehen wird, wenn ich Bürgermeisterin werde, dass alles ganz schlimm wird", sagt Krüger. "Unterstützer von mir wurden verbal teilweise massiv angegangen. So etwas gehört sich einfach nicht."
Die 44-Jährige gibt zu: "Das hat mich schon getroffen, weil die Behauptungen einfach nicht der Wahrheit entsprochen haben. Man konnte leider nicht herausfinden, wer die Verfasser der Briefe waren. Aber ich habe mir dann gedacht: 'Da musst du durch, Zähne zusammenbeißen. Nach der Wahl hört das wieder auf.' So war es dann auch." Und: "Die Stadt ist nicht untergegangen", kann Doreen Krüger mittlerweile mit einem Lächeln sagen. "Wir entwickeln uns sogar weiter."
Bürgersprechstunde eingeführt
Ein neues Jugendzentrum soll entstehen, die Digitalisierung der Verwaltung wird vorbereitet, außerdem soll mehr Bauland für junge Familien zur Verfügung gestellt werden – solche Themen stehen in ihrem Büro an der Wand. Auch in Krisenzeiten soll es vorangehen. Wenngleich die Bürgermeisterin sagt: "Wir merken schon, dass die Bürger durch die bundes- und weltpolitische Lage verunsichert sind. Die Preise sind teilweise sehr stark gestiegen. Es gibt Existenzängste. Die Firmen haben zu kämpfen. Die Bürger sind gereizt. Was aber verständlich ist."
Umso wichtiger sei es, ihnen zuzuhören und Probleme gemeinsam anzupacken. Einmal im Monat steht die Tür der Bürgermeisterin im Rahmen einer Bürgersprechstunde deshalb für drei Stunden offen. "Die Termine sind meistens ausgebucht", sagt Doreen Krüger. "Wir sind dankbar über die Hinweise der Bürger, nehmen ihre Anliegen wahr und versuchen, zu helfen." An neuen Aufgaben für die weiße Wand im Büro mangelt es wahrlich nicht.
MDR (Daniel George) | Erstmals veröffentlicht am 18.02.2024
Dieses Thema im Programm: FAKT IST! aus Magdeburg | 19. Februar 2024 | 22:10 Uhr
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