Neuer Ortschaftsrat Warum Staßfurt nach der Kommunalwahl zwei Bürgermeister hat
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04. Juni 2024, 18:56 Uhr
Seit der Gemeindereform in Sachsen-Anhalt wird es für die Stadträte zunehmend schwieriger, in Städten mit vielen Ortsteilen den Überblick zu bewahren. Auf den Dörfern sind deshalb Ortschaftsräte üblich. In den Kernstädten: eher weniger. In Staßfurt soll sich das jetzt ändern: Die Stadt bekommt zur Kommunalwahl am 9. Juni einen Ortschaftsrat.
- Staßfurt soll einen eigenen Ortschaftsrat bekommen.
- Ortschaftsräte sind Kommunikations-Schnittstelle.
- Ein Ortschaftsrat für eine Kernstadt ist aber nicht alltäglich.
- Lokalpolitiker wollen Distanz abbauen.
Staßfurt – Wochenmarkt an einem Dienstagvormittag: Mit Sonnenschirm, Kugelschreiber und Flyern stehen Kandidaten für den Stadtrat und den Ortschaftsrat am Eingang zum Marktplatz. Ein paar Meter weiter, vor den Ständen der Händler, stehen in kleinen Grüppchen Anwohner zusammen. Man trifft sich hier. Die Wahl im Juni ist eines der Gesprächsthemen. Die Kandidaten stehen nur einen Steinwurf entfernt. Sie sind ansprechbar. Trotzdem gibt es offenbar eine Distanz. Eine, die dazu führt, dass die Anwohner hier kein Blatt vor den Mund nehmen.
"Wenn Sie durch Staßfurt fahren, da denken Sie, da fällt Ihnen der Popel aus der Nase", sagt einer der Marktbesucher. "Fahren Sie mal die Bernburger Straße, die Hohenerxlebener Straße hoch: jahrelang nie was gemacht." Die Antworten auf die Frage nach Erwartungen an den neuen Stadtrat, an den neuen Ortschaftsrat, sind direkt. Staßfurt müsse mehr belebt werden. Mehr Geschäfte brauche es, sagt eine Anwohnerin.
Eines haben alle Antworten gemeinsam: Es geht um konkrete, praktische Dinge. Ärgernisse vor der Haustür: Straßensanierungen, Stadtentwicklung, das geschlossene Schwimmbad, die Zukunft des Krankenhauses.
So arbeiten Stadt- und Ortschaftsräte
Nicht für alle, aber für viele dieser Themen ist der Stadtrat zuständig: 36 ehrenamtliche Räte, Anwohner aus Staßfurt selbst oder aus dem guten Dutzend Ortsteilen – aus Atzendorf, Lust, Neu Staßfurt, Neundorf oder Üllnitz. Gut 24.000 Einwohner leben innerhalb der Stadtgrenzen auf insgesamt 147 Quadratkilometern. Jedes Dorf im Blick zu behalten, das ist schwierig für die ehrenamtlichen Stadträte.
Dafür sind die Ortschaftsräte zuständig. Sie sind Kommunikations-Schnittstelle und Anlaufpunkt, der Ort, an dem Ehrenamtliche und Verwaltungen die Belange vor Ort besprechen. Viel bestimmen können sie in der Regel nicht. Sie geben ein Stimmungsbild ab, Empfehlungen. Die wiederum sind wichtig für die Entscheidungen der Stadträte, die zwar das letzte Wort haben, aber nicht den Überblick über alle Ortschaften haben können. Für die Kernstadt Staßfurt aber gibt es so einen Anlaufpunkt nicht.
Stadträte, die in Neundorf wohnen, entscheiden so über Bebauungspläne, Fragen der Ordnung und Sauberkeit oder Straßensanierungen in der Kernstadt. Einen Ortschaftsrat, der Empfehlungen für die Kernstadt abgibt, gibt es aber nicht. Offenbar ist das eine Lücke in der Entscheidungsfindung. Eine, die geschlossen werden soll. In Staßfurt bekommt die Stadt nach der Wahl einen eigenen Ortschaftsrat für die Kernstadt. Die Lokalpolitik will näher heranrücken an die Staßfurter, die hier auf dem Wochenmarkt einkaufen. Das Ziel: ansprechbarer werden.
Ortschaftsräte dienen der Meinungsbildung
"Alle Ortschaften um die Stadt Staßfurt herum haben einen Ortschaftsrat. Da wird diskutiert, was in der Ortschaft passieren soll, wie zum Beispiel das Heimatfest oder das Vereinsleben", sagt Dominik Iser, Stadtratskandidat für die CDU.
Ortschaftsräte würden gehört: "Das Wort des Stadtrats hat früher schon die Belange der Ortschaften und die Entscheidungen der Ortschaftsräte immer respektiert, solange es nicht kontraproduktiv zur Gesamtheit war."
Und das soll auch für Staßfurt gelten. "Nochmal eine zusätzliche Beratungsmöglichkeit zu schaffen, das kann helfen", stellt Staßfurts Bürgermeister René Zok fest. "Damit wir eben für die Aufgaben, die direkt mit den Straßen und Plätzen hier in Staßfurt zu tun haben, auch jemanden haben, der sich engagiert", so Zok.
Ein zusätzlicher Ortschaftsrat bedeutet: mehr Arbeit für die Verwaltung
Für die Verwaltung bedeutet ein zusätzlicher Ortschaftsrat zwei Dinge: Mehr Arbeit, wenn zu den jetzigen Ortschaftsratssitzungen noch eine weitere hinzukommt. Und: Nach der Wahl wird Staßfurt zwei Bürgermeister haben. Den Bürgermeister für die gesamte Stadt mit ihren Ortsteilen und einen Staßfurter Ortsbürgermeister. Den wählen die neuen Ortschaftsräte aus ihren Reihen.
"Mit den Ortsvorstehern, die ich schon habe, arbeite ich super zusammen", sagt Bürgermeister René Zok am Rande der letzten Stadtratssitzung vor der Kommunalwahl am 9. Juni. 35 Bewerber gibt es für die 19 Sitze im Ortschaftsrat Staßfurt. Darunter sind auch viele der jetzigen Stadträte. Auch Margit Kietz ist darunter. Auf dem Markt hier in Staßfurt jedenfalls wünscht man sich offenbar mehr Nähe zur Politik. "Wir wollen für die Bürger näher dran sein", sagt Kietz.
Lokalpolitiker wollen Distanz abbauen
Denn in Staßfurt auf dem Wochenmarkt ist eine Distanz zu spüren: zwischen den Kandidaten, der Lokalpolitik und den Staßfurtern. Und das ist nicht nur in Staßfurt so. Der Wahlstand mit den Kugelschreibern und den Sonnenschirmen, die Plakate an den Straßenlaternen – das sorgt auch für Argwohn. "Die Wahlen sind hier und alle Menschen stehen hier ohne Ende. Und jedes Mal sagen sie: Es wird sich so viel verändern", sagt ein Marktbesucher. "Jedes Jahr dasselbe: Hier wird geredet und es ändert sich nichts."
Näher dran zu sein, Distanz abzubauen – darum geht es. Wie der neue Ortschaftsrat arbeitet, das wird sich nach der Wahl zeigen.
MDR (Tom Gräbe)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT | 18. Mai 2024 | 12:00 Uhr
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