Stuhlreihen im Saal des Kulturpalasest Bitterfeld. 4 min
Der Kulturpalast Bitterfeld hat noch die Bestuhlung aus den 1950er Jahren. Der große Saal wartet darauf wieder bespielt zu werden. Anne Sailer zu den Umbauplänen. Bildrechte: MDR/Anne Seiler
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Der Kulturpalast Bitterfeld soll ein Musicalpalast werden – finanziert aus den Kohle-Milliarden des Strukturwandels. Der Stadtrat von Bitterfeld-Wolfen hat dem Millionenprojekt schon zugestimmt. Anne Sailer berichtet.

MDR KULTUR - Das Radio Di 08.04.2025 17:40Uhr 04:02 min

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Neue Musicalspielstätte Wie der Kulturpalast Bitterfeld wiederbelebt werden soll

08. April 2025, 04:00 Uhr

Mit Mitteln aus dem Strukturwandelfond soll aus dem Kulturpalast der Stadt Bitterfeld-Wolfen ein Musicalpalast werden – und damit ein Musicalstandort für ganz Deutschland. Der Kulturpalast ist ein Baudenkmal im Landkreis Anhalt-Bitterfeld in Sachsen-Anhalt. Er gilt als Wahrzeichen der Stadt. Ein paar Jahre stand er leer, dann kaufte ein Bitterfelder Unternehmer den Bau und schenkte ihn seiner Frau. Nach seinem Unfalltod im Jahr 2022 versucht diese, den Kulturpalast zu retten.

Der Kulturpalast Bitterfeld ist ein DDR-Denkmal. 1954, nach nur zwei Jahren Bauzeit fertiggestellt und von den Chemiearbeitern des Chemiekombinats Bitterfeld selbst hochgezogen, diente er jahrzehntelang als Kulturort für diese Arbeiter und deren Familien. Kein Bitterfelder, der hier nicht schon mal auf der Bühne ein Gedicht rezitiert oder bei der Jugendweihe ins Erwachsenenleben verabschiedet wurde – der Kulturpalast ist damit Teil der Bitterfelder DNA. Die Pläne für dessen neue Nutzung sind so konkret wie noch nie.

Untrennbar: Bitterfeld-Wolfen und der Kulturpalast der Chemiearbeiter

Der imposante Bau am Rande des Chemieparks gilt als Wahrzeichen der Stadt Bitterfeld. Er hat eine wechselvolle Geschichte. Zu DDR-Zeiten wurde er von den Chemiearbeitern nach der Arbeit genutzt. Philatelisten tummelten sich hier ebenso wie Schlagerfreude, Kunstinteressierte oder Ballettschüler. 1993 kaufte der Unternehmer Heinz-Jürgen Preiss-Daimler den Palast samt Chemiepark auf – bis 2016 traten weitere Künstler auf, doch immer weniger Gäste kamen, der Kulturpalast wurde geschlossen.

Kurz danach lagen bereits Kostenvoranschläge für den Abriss des Hauses bereit. Dagegen liefen die Bitterfelder Sturm. Ihr Kulturpalast müsse bleiben, forderten sie, kaum ein Einwohner, der hier nicht seine Jugendweihe verbracht hatte oder mindestens Jemanden kannte, der hier in den 1950er-Jahren mit angepackt hatte. Ein Abriss kam also nicht in Frage. Der Sandersdorfer Unternehmer Matthias Goßler wurde auf das Objekt aufmerksam und schenkte es symbolisch seiner Frau.

Junge Frau in den Sitzreihen des Kulturpalastes Bitterfeld, sitzend
Andrea Goßler sitzt im historischen Kulturpalast Bitterfeld. Mit der Empore hat der große Saal knapp 1200 Sitze. Bildrechte: MDR/Anne Seiler

Investitionen in Millionenhöhe: Kulturpalast sollte Multifunktionsgebäue werden

Mit den Worten: "Andere Männer schenken ihren Frauen Häuser, ich schenke dir einen Palast", überreichte Goßler den Kulturpalast Bitterfeld seiner verblüfften Frau. Diese glaubte nicht an dessen Erhalt und nahm den Palast in diesem Wissen dankend an. Doch innerhalb kürzester Zeit beschaffte ihr Mann Investoren und Investitionssummen in Millionenhöhe. Nach seinen Vorstellungen sollte ein Multifunktionsgebäude mit Kulturveranstaltungen auf drei Bühnen entstehen. Festivals und Boxkämpfe waren geplant. Und auch seine Frau begeisterte sich nun für das Projekt.

Blick in den Saal des Kulturpalastes in Bitterfeld
Noch ist der eiserne Vorhang des Bitterfelder Kulturpalastes geschlossen. Bald soll hier eine Musical-Produktion ihren festen Sitz bekommen. Bildrechte: MDR/Anne Seiler

Andere Männer schenken ihren Frauen Häuser, ich schenke dir einen Palast.

Matthias Goßler, Unternehmer

Unternehmer Matthias Goßler stirbt bei Unfall

Am 20. Juli 2022 verunglückte Matthias Goßler tödlich auf der A9. Nach Goßlers Tod stand Andrea Goßler mit dem Bitterfelder Kulturpalast alleine da, Investoren sprangen ab, sie musste von vorn beginnen. Sich weiter für den Erhalt des Gebäudes einzusetzen, wurde ein Teil ihrer Trauerarbeit. Nun ging auch sie Klinken putzen, schrieb Konzepte, überzeugte Investoren. Einer dieser Geschäftsleute brachte sie dann auf die Idee brachte, ein Musical-Haus aus dem historischen Gebäude zu machen.

Blumen und eine improvisierte Gedenktafel am Kulturpalast Bitterfeld
Matthias Goßlers Tod bestürzte viele Bitterfelder. Eine Gedenktafel am Haupteingang des Kulturpalastes erinnert an ihn. Bildrechte: MDR/Anne Seiler

Bitterfeld ein Musical-Standort mit Potenzial

Ein weggebrochenes Projekt aus dem Strukturwandelfond des Landes Sachsen-Anhalt machte einen zweistelligen Millionenbetrag verfügbar. Goßler und ihre Mitstreiter reichten das Konzept für das Musical-Haus ein, die Stadt Bitterfeld erklärte sich als Träger. Laut Goßler wäre Bitterfeld nicht nur ein perfekter Standort dafür. Die Stadt könne durch Arbeitsplätze, den Ausbau der Gastronomie und Hotelerie und als touristischer Standort nur gewinnen. Zudem liege Bitterfeld ideal, konstatiert die Unternehmerin. Es gehöre zum Speckgürtel von Leipzig, hätte Autobahn- und IC-Anbindung.

Bitterfeld-Wolfen wird massiv unterschätzt.

Andrea Goßler, Unternehmerin

Die Stadt Bitterfeld-Wolfen werde unterschätzt, meint die Unternehmerin. Das schlechte Image aus DDR-Zeiten konnte Bitterfeld-Wolfen noch nicht abstreifen. Aber vielleicht gelinge es nun. Die Stadt hat dem Musicalprojekt schon zugestimmt, nun müssen das Land Sachsen-Anhalt und der Bund die Millionenausgaben aus dem Strukturwandelfond absegnen. Dann muss es nur noch der mögliche Investor das Großprojekt umsetzen. Ob Bitterfeld also Deutschlands jüngste Musical-Stadt wird, kann nur die Zukunft zeigen.

Quelle: Anne Sailer (MDR KULTUR), redaktionelle Bearbeitung: gw

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 08. April 2025 | 17:40 Uhr

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