Experte im Interview Was bringen große Verwaltungsstrukturen?
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16. Juni 2023, 19:40 Uhr
In Sachsen-Anhalt gibt es große Städte. Die Stadt Gardelegen zum Beispiel ist nicht nur flächenmäßig eine der größten in Deutschland. Sie besteht aus einer Kernstadt und 48 Ortsteilen. Machen große Städte Sinn? Der Volkswirtschaftler Prof. Felix Rösel lehrt und forscht an der TU Braunschweig. Ein Interview über den Sinn vergangener Verwaltungsreformen in Sachsen-Anhalt.
MDR SACHSEN-ANHALT: Können größere Städte bzw. größere Verwaltungseinheiten effizienter arbeiten?
Felix Rösel: Für Sachsen-Anhalt wissen wir das noch nicht so genau. Wir haben da noch keine Untersuchungen, in die uns das mit Verlässlichkeit sagen können. Was wir wissen ist, wie das in Brandenburg funktioniert hat. Nach der Studie dort wäre ich skeptisch, was das Einsparen angeht. Bis auf kleinere Bereiche ist leider nichts erreicht worden, in größeren Strukturen. Hinterher wird im Grunde das Gleiche ausgegeben wie vorher auch, wenn man das mit nicht-fusionierten Gemeinden vergleicht. Kommunen sind eben keine Industrieunternehmen.
Was die Qualität der Leistungen angeht, das ist natürlich eine interessante Frage. Also vielleicht sind die Öffnungszeiten der Ämter ein bisschen länger. Aber auch da hilft ein Blick in andere Länder. In Dänemark gab es eine ähnliche Reform und dort sind die Leute eher unzufriedener geworden in diesen Gemeinden, die fusioniert haben. In größeren Einheiten werden Wege länger. Ja, also ein gemischtes Bild. Und eine dritte Baustelle ist immer Demokratie. Wahlbeteiligung ist ein gewisses Maß für Zufriedenheit. Die Leute gehen weniger häufig zur Wahl in diesen großen Einheiten. Und wir haben halt auch viel, viel weniger Kommunalpolitiker. Demokratie leidet in größeren Einheiten.
Aus vielen Ortschaftsräten ist zu hören: Man könne vor Ort wenig entscheiden. Ist das ein Phänomen, das sich generell in größeren Verwaltungsstrukturen beobachten lässt?
Ja, der Einschnitt ist sehr hart, wenn sie vorher als Gemeinderat über mehrere tausend Euro pro Kopf entscheiden konnten, wie die verteilt werden in der Gemeinde, und hinterher sind es vielleicht drei, vier Euro pro Einwohner. Oder sie dürfen entscheiden ob die Parkbank links oder rechts der Straße steht. Da entsteht schon so das Gefühl von Entmachtung. Was das Ausgeben angeht, kann man vor Ort sehr viel mehr gestalten. Und das ist das, was die Leute auch möchten.
Lässt sich sagen, ab welcher Bevölkerungsanzahl sich tatsächlich eine eigene Verwaltung lohnt? Gibt es so etwas wie eine Mindestgröße von Städten?
Jedes Bundesland beantwortet das anders. Offensichtlich gibt es da keine so ganz großen, generellen Schluss. Und selbst wenn man als kleine Gemeinde zu klein wäre: niemand hindert die Gemeinden daran, mit anderen Gemeinden zu kooperieren, gemeinsame Verwaltung zu bilden und das auch in den Bundesländern, die sehr, sehr kleinteilig sind. Also Thüringen hat noch relativ kleine Strukturen, zumindest in den meisten Teilen, in Rheinland-Pfalz oder Schleswig-Holstein, dort haben Städte gemeinsame Ämter gegründet. Man schließt sich eben zusammen zu starken, größeren Einheiten, behält die Demokratie aber vor Ort. Für mich ist das ein sehr plausibles Modell.
Die letzte Gemeindereform in Sachsen-Anhalt ist auch schon wieder einige Jahre her. Die Bevölkerung von Sachsen-Anhalt ist seither weiter geschrumpft. Muss man da generell noch mal ran?
Am Gebietszuschnitt selber würde ich gar keinen Fall etwas ändern. Das sorgt nur für sehr, sehr viel Frust vor Ort das sorgt für neue Reibungsverluste. Da würde ich die Hände von lassen auch nicht irgendwelchen Zahlen nachjagen. Besser ist natürlich, die wirklichen Probleme, die dahinter stecken, sich genauer anzuschauen. Auch die Fachkräfteknappheit in den Kommunen. Kommunen sind kaum noch in der Lage, genügend Fachkräfte zu finden.
Und dann gibt es noch Kooperationsmöglichkeiten. Und da, wo das vor Ort nicht von allein ins Laufen kommt, sollte man Formate bieten, in den sich solche Kooperation lohnen. Dass man damit experimentieren kann, dass man auch Standards des Landes senkt. Das sind wichtige Dinge, die das Land tun kann, um den Kommunen ermöglichen, mit der demografischen Veränderung umzugehen. Die wird sehr hart werden. Wo man aber die Hände von lassen sollte, ist an den Grenzen herumzuschrauben.
Die Fragen stellte Tom Gräbe.
MDR (Tom Gräbe)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT | MDR SACHSEN-ANHALT | 15. Juni 2023 | 15:58 Uhr
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