Gefahrenabwehr Harz: Der nächste Waldbrand kommt bestimmt

30. Dezember 2024, 16:54 Uhr

Der letzte Sommer hat der Natur gut in die Karten gespielt. Im Prinzip regnet es regelmäßig, sodass sich Waldbrände in Grenzen halten. Doch dann im September: An der Brocken-Südflanke fressen sich die Flammen über mehrere Tage durch Gestrüpp und Totholz, bis sie von Feuerwehrkameraden am Boden und aus der Luft eingedämmt und schließlich gelöscht werden. Welche Erkenntnisse erwachsen daraus, die mit Blick auf die kommende Waldbrandsaison von Bedeutung sein können?

Swen Wudtke
Bildrechte: MDR/Swen Wudtke

Ein großes Kuchenblech, belegt mit Holzspänen – eine Hälfte ganz normal, die andere mit einem rot schimmernden Flammschutzmittel benetzt. Mitentwickler Jens Kläber aus dem hessischen Maintal greift zum Feuerzeug und zündet beide Seiten zu Demonstrationszwecken an. Und siehe da: die Flammen ergreifen rasend schnell die normalen Späne – beim getränkten Holz kommen sie so gut wie gar nicht vorwärts.

Alles passiert auf dem Hof der Feuerwehrtechnischen Zentrale in Wernigerode – dem beruflichen Zuhause vom Kreisbrandmeister im Harz. Mit fachmännischem Blick verfolgt Kai-Uwe Lohse die Ausbreitung des Feuers auf dem Kuchenblech: "Wie man der Vorführung entnehmen kann, hält das Mittel seinem Namen stand. Und wo man es einsetzen kann, tut es seine Dienste."

Feuerschutz aus Lebensmittelzusätzen?

Doch was steckt drin in diesem Wundermittel gegen Flammen? Oder womöglich gegen ein flammendes Inferno? In seiner mündlichen Inhaltsangabe spricht Mitentwickler Jens Kläber von MainFire von "natürlichen Stoffen, die auch so in der Natur vorkommen oder die bei einem Brand als Produkt entstehen." Und im Gegensatz zu herkömmlichen Brandhemmern sei dieses Flammschutzmittel "frei von gefährlichen, giftigen Chemikalien." Alle Bestandteile seien Lebensmittelzusätze und kein Gefahrgut, ergänzt Kläber.

Brandschale
In kleinem Maßstab hat das Flammschutzmittel aus Lebensmittelbestandteilen seine Feuerprobe bestanden. Bildrechte: MDR/Swen Wudtke

Diese Angaben genügen dem Nationalparkchef aber nicht. Dem Einsatz dieses Flammschutzmittels beim Waldbrand am Brocken hatte Roland Pietsch deshalb nur zähneknirschend zugestimmt, als es schließlich zur Eindämmung des Feuers von Löschflugzeugen abgeworfen wurde. "Wir haben es hier mit einem stark basischen Mittel zu tun", dessen Auswirkungen auf Moor- und Moosböden im Einzugsgebiet von Trinkwassertalsperren der studierte Waldökologe Pietsch nicht zu kalkulieren vermag.

Bodenuntersuchungen stehen noch aus

Warum es bis heute, vier Monate nach dem Waldbrand am Brocken, keine Untersuchungen von Bodenproben gibt, da schieben sich der Entwickler des Flammschutzmittels und Harzer Nationalparkverwaltung gegenseitig den schwarzen Peter zu. "Solange wir nicht genau wissen, was in dem Mittel enthalten ist – es gibt keine Zulassung –, tue ich mich damit schwer", sagt Pietsch.

Drei Männer im Gespräch vor einem Gebäude.
Flammschutzentwickler Jens Kläber (links) im Gespräch mit Nationalparkchef Roland Pietsch und Kreisbrandmeister Kai-Uwe Lohse: Flammschutz muss noch seine Umweltverträglichkeit beweisen. Bildrechte: MDR/Swen Wudtke

Und Roland Pietsch betont mit Blick auf mögliche Brände im nächsten Sommer vehement: "Unter diesen Bedingungen muss ich ganz klar sagen. Nein!", womit er einen weiteren Einsatz dieses Flammschutzmittels im Nationalpark meint. Dafür hat auch der Harzer Kreisbrandmeister Verständnis. Kai-Uwe Lohse sagt aber auch ganz pragmatisch, eine "Entscheidung zum Einsatz eines Flammschutzmittels vom Ernst der jeweiligen Gefährdungslage abhängig zu machen."

Waldbrandsensoren noch nicht ausgereift

In den kommenden Tagen und Wochen wollen sich dem Vernehmen nach Nationalpark Harz, die Stadt Wernigerode und Entwickler an einen Tisch setzen, um die Untersuchungen von Boden- und Wasserproben voranzutreiben und um anhand von Ergebnissen weitere Handlungsweisen abzuleiten. Erst wenn von unabhängiger Seite schwarz auf weiß eine Gefährdung ausgeschlossen werden könne, sehe Roland Pietsch weitere Einsätze des Flammschutzmittels gegen Waldbrände im Nationalpark. "Dann kann man über alles sprechen, beispielsweise auch prophylaktisch an kritischen Stellen wie etwa entlang der Gleise der Brockenbahn."

Gesprächsbedarf sehen Lohse und Pietsch auch in Bezug auf die im Sommer 2023 aufgestellten Waldbrandsensoren im Nationalpark. Für beide hätten sich die Erwartungen an die vermeintlichen Supernasen nicht erfüllt, weder beim Waldbrand im Mai 2024, noch Anfang September. "Wir wissen alle, dass Sensoren direkt in der Rauchfahne standen", erinnert sich der Nationalparkchef. Doch Alarm geschlagen hätten sie bei der Leitzentrale nicht. "Selbst wenn die Technik noch nicht so richtig ausgereift ist", so sein Angebot gegenüber den Betreibern des Pilotprojektes, will Roland Pietsch an der Kooperation festhalten. "Aber wir müssen natürlich gucken, ist das ein System, auf das wir uns auch verlassen können?"

Löschflugzeug Hexe1 steht auch 2025 bereit

Eine verlässliche Bank scheint hingegen das vom Landkreis Harz gecharterte Löschflugzeug zu sein. Dank der schnellen Aktivierungszeit konnte der in Ballenstedt stationierte Flieger mit dem Rufzeichen "Hexe1" so manchen Großbrand im Harz verhindern, sind sich Experten sicher. Und der polnische Dienstleister MZL mit Sitz im nahe der ukrainischen Grenze gelegenen Mielec wird auch in den kommenden vier Jahren jeweils zur Waldbrandsaison von Anfang April bis Ende September eines seiner Löschflugzeuge in Ballenstedt vorhalten, ein weiteres an der deutsch-polnischen Grenze.

Auf die europaweite Ausschreibung habe es nur diese eine Bewerbung gegeben, und so "können wir auf die bereits guten Erfahrungen aufbauen", sagt der Harzer Landrat Thomas Balcerowski (CDU). Nach einer Vertragsverlängerung mit dem Betreiber werde Hexe 1 die nächsten fünf Jahre im Harz stationiert bleiben. "Wir hoffen oft, dass wir es nicht brauchen, aber die Realität hat gezeigt, dass es auch künftig wichtig sein wird, dieses Löschflugzeug zu haben", so Balcerowski weiter. So sollen mit dem Flugzeug auch künftig Brände in schwerzugänglichen Bereichen schnell erreicht werden. Und Kreisbrandmeister Kai-Uwe Lohse fügt hinzu, weiter in die Ausbildung investieren zu wollen, das Zusammenspiel zwischen Löschunterstützung aus der Luft und Feuerwehrkameraden am Boden weiter zu verfeinern.

Neben einer Piste bei Hasselfelde soll nach seinen Worten 2025 auch der ehemalige Segelflugplatz am Pfeifenkrug bei Blankenburg zur Wasserbetankung ertüchtigt werden. "Wir sind nach wie vor begeisterte Anhänger der Löschfliegerei. Und hinlänglich bekannt, sind wir als Landkreis Harz ja die einzigen in Deutschland, die ein Löschflugzeug vorhalten und einsetzen."

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Der Gast im Studio 10 min
Der Landrat des Landkreises Harz, Thomas Balcerowski blickt auf ein ereignisreiches Jahr zurück. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

MDR (Swen Wudtke, Linus-Benedikt Zosel, Marius Rudolph, Hannes Leonard)

Dieses Thema im Programm: SACHSEN-ANHALT HEUTE | 29. Dezember 2024 | 19:00 Uhr

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