Lutherstadt Wittenberg Neue Straße sorgt für doppelten Ärger – Anwohner erwägt Sammelklage
Hauptinhalt
18. April 2025, 16:28 Uhr
In der Straße Rotes Land in Wittenberg nutzen die Anlieger seit nunmehr vier Jahren die neue Straße. Doch so richtig zufrieden ist kaum jemand – was am Straßenbelag liegt, aber auch an einer vermeintlichen Täuschung durch die Stadt. Die aber verteidigt sich.
Wer die Straße Rotes Land in Lutherstadt Wittenberg von früher kennt, der weiß, was Schlaglöcher sind. Im Schritttempo schleppten sich die Fahrzeuge vorwärts, um nicht aufzusetzen. Manchen Autofahrern war es egal, sie bretterten die Buckelpiste lang und hinterließen eine gewaltige Staubwolke. Die Sandstraße gibt es seit Sommer 2020 nicht mehr. Dafür rollen jetzt die Autos über den neuartigen Belag.
Die Stadt setzt seit einigen Jahren auf ein neues und vergleichsweise preiswertes Verfahren beim Straßenbau. In den Belag kleiner Anliegerstraßen, die nur selten von Lastwagen beansprucht werden, werden kleine Kunststoffgitter aus recyceltem Plastikmüll verbaut. In diesen stecken wiederum kleine Betonsteine. Großer Vorteil: Auf den teuren und aufwändigen Unterbau sowie auf Entwässerungskanäle kann verzichtet werden.
Anwohner: "Haben uns mehr versprochen"
Einige Anwohner reden deshalb spöttisch von der "Joghurtbecher-Piste". Auch Roland Krause räumt ein, dass der Fahrkomfort viel besser geworden worden ist: keine Löcher mehr, kein Staub mehr, der Regen fließt ab, lobt der Anwohner. Doch dann kommt das große Aber. "Wir hatten uns von der Straße mehr versprochen. Gerade in den Eckbereichen springen immer wieder die Steine raus. Da haben sie ziemlich gepfuscht."
Da haben sie ziemlich gepfuscht.
Dass der Belag federt und die Autos ein bisschen schwimmen, nehme man dagegen in Kauf, sagt Roland Krause. Er ist aber noch aus einem weiteren Grund mit der neuen Straße unzufrieden. "Es ist eine Sandstraße gewesen, das stimmt. Aber hier ging immer Verkehr lang: Lastwagen, Busse, Rettungswagen. Deswegen ist das für mich keine Straßenerschließung, sondern ein Straßenausbau. Jetzt versucht die Stadt, die Kosten auf die Anwohner umzulegen. Das ist ein Schildbürgerstreich."
Straßenausbau oder Neubau?
Einige Meter weiter wohnt Eitel-Winfried Böhme. Ein netter, zupackender alter Herr, der das Vorgehen der Stadt Wittenberg ebenfalls kritisch sieht. "Kurz vor Weihnachten kam der Bescheid über mehrere tausend Euro Erschließungsbeitrag. Gerade noch rechtzeitig, weil die Forderung sonst verjährt wäre. Was sollte ich denn machen? Klar, habe ich erst einmal gezahlt." Aber gut sei das nicht gelaufen, so der hochbetagte Rentner. Denn im Vorfeld sei immer von einem Straßenausbau die Rede gewesen. Daran könne er sich gut erinnern.
Tatsächlich macht es einen gewaltigen Unterschied, ob es sich um einen Ausbau oder um eine Erschließung handelt. Seit rund fünf Jahren dürfen für den Straßenausbau in Sachsen-Anhalt keine Gebühren von den Anliegern mehr erhoben werden, Erschließungsbeiträge sind dagegen weiterhin zulässig.
Anwohner fühlen sich getäuscht
Norbert König gehört zu den etwa 40 Grundstücksbesitzern in der Straße Rotes Land, die sich von der Stadt getäuscht fühlen. "Bei allen Bauvorabsprachen, bei allen Terminen mit der Stadt war von einem Straßenausbau die Rede. Nie von einer Erschließung." Er wolle es aber genau wissen und hat bereits im Dezember voriges Jahres Akteneinsicht beantragt. Bis heute habe er sie nicht bekommen, sagt König. "Man mag ein Schelm sein. Aber vielleicht lässt das Rückschlüsse auf die Arbeitsweise von Beamten zu." Für König steht fest: Der Ball liegt nun bei der Stadtverwaltung Wittenberg.
Eine Verwaltung ist aber angehalten, alle wichtigen Informationen aus den Fachbereichen zu bündeln und daraus eine Akte zu machen. Und das dauert eben seine Zeit.
Oberbürgermeister Torsten Zugehör (parteilos) stellt sich auf Nachfrage von MDR SACHSEN-ANHALT vor seine Verwaltung. "Es gibt nicht diese eine Akte, die wir präsentieren können. Da sind verschiedene Fachbereiche beteiligt gewesen, Bauplanung, Bauverwaltung, Stadtentwicklung, Dazu gab es noch eine Umstrukturierung. Eine Verwaltung ist aber angehalten, alle wichtigen Informationen aus den Fachbereichen zu bündeln und daraus eine Akte zu machen. Und das dauert eben seine Zeit."
Auch auf den Vorwurf der Täuschung geht der Rathauschef ein. Er könne den Unmut der Bürger nachvollziehen, sagt Zugehör. Es sei der Eindruck entstanden, dass die Stadt abkassieren wolle. Dem sei aber nicht so: "Wir haben eine eindeutige Rechtslage. Laut Baugesetzbuch sind Erschließungsbeiträge für alle Straßen zulässig, die vor dem 3. Oktober 1990 nicht festgestellt waren. Daran ist nicht zu rütteln." Nach seinen Worten ist das auch von Anfang an so kommuniziert worden.
Diese Auskunft reicht Anwohner Norbert König nicht aus. Er sieht noch mehr Klärungsbedarf und erwägt, eine Sammelklage einzureichen.
MDR (André Damm, Oliver Leiste)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 17. April 2025 | 09:30 Uhr
Not Found
The requested URL /api/v1/talk/includes/html/78eff772-c284-446b-b835-a96e419e27f6 was not found on this server.