David Schneider ist Gastronom und Betreiber der Buttergasse in Magdeburg. In seinen Club am alten Markt retteten sich am 20. Dezember mehrere Hundert Besucher des Weihnachtsmarkts, nach dem Anschlag.
David Schneider ist Gastronom und Betreiber der Buttergasse in Magdeburg. In seinen Club am Alten Markt retteten sich am 20. Dezember mehrere Hundert Besucher des Weihnachtsmarkts, nach dem Anschlag. Bildrechte: MDR/ Lars Frohmüller

Anschlag von Magdeburg Wenn die eigene Trauer hinter dem Helfen anstehen muss

12. April 2025, 14:01 Uhr

Am 20. Dezember wurde der Magdeburger Weihnachtsmarkt Schauplatz eines Anschlags. David Schneider, Gastronom in der Innenstadt, erlebte die dramatischen Stunden hautnah mit und verwandelte seinen Club Buttergasse spontan in einen Zufluchtsort. Mehr als 120 Menschen fanden dort Schutz. Nun, Monate später, rückt sein Einsatz erstmals in den Fokus des parlamentarischen Untersuchungsausschusses.

MDR San Mitarbeiter Lars Frohmüller
Bildrechte: MDR/punctum.Fotografie/Alexander Schmidt

David Schneider ist Vollblutgastronom in Magdeburg. Er betreibt das Café Amsterdam, den Montego Beach Club und die Buttergasse am Alten Markt. Der Club war auch am 20. Dezember geöffnet. Schneider erinnert sich noch genau an jenen Abend. Es war kurz nach 19 Uhr, als ihn ein Anruf aus dem Club erreichte. Der diensthabende Veranstaltungsleiter berichtete von einem möglichen Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt. "Das habe ich erstmal gar nicht glauben können", sagt Schneider. Doch auf dem Weg in die Innenstadt verdichteten sich die Anzeichen. Ein Krankenwagen war bereits nach 19 Uhr am Alten Markt, Verletzte lagen auf dem Boden, direkt am Hintereingang seines Clubs.

Viele haben geweint, viele haben geschrien, weil sie auch noch nicht wussten, wie es ihren Angehörigen geht.

David Schneider Club-Betreiber in Magdeburg

Club wird zum Zufluchtsort für Opfer des Anschlags

In seinem Club Buttergasse war zu diesem Zeitpunkt eine Schulveranstaltung mit rund 100 Kindern im Gange. Kurz nach 19 Uhr strömten mehr als 120 Menschen in den Kellerclub. "Viele haben geweint, viele haben geschrien, weil sie auch noch nicht wussten, wie es ihren Angehörigen geht. Jemand wollte wissen, 'Wo ist mein Mann und ist der noch oben?' Das war halt so in diesem Moment: Chaos", erinnert sich Schneider an die Szenen.

Sofort wurde Wasser verteilt, das Team versuchte, zu beruhigen, zu sortieren. Einige Mitarbeiter eilten selbst auf den Weihnachtsmarkt, um Decken und Erste-Hilfe-Material bereitzustellen. "Ich kann nur sagen toll, wie professionell mein Team in dem Moment reagiert hat. Da hat jeder einfach funktioniert", sagt Schneider.

Magdeburg (Sachsen Anhalt): Jugendliche tanzen am 11.07.2003 bei der Chocolade-Beat-Party in der Diskothek "Buttergasse" in Magdeburg. 1 min
Bildrechte: picture-alliance / ZB | Andreas Lander
1 min

Am Tag des Anschlages auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt haben viele Menschen im Club von David Schneider Schutz gesucht. Er erinnert sich an den Abend.

MDR SACHSEN-ANHALT Fr 11.04.2025 12:33Uhr 00:34 min

https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/magdeburg/magdeburg/audio-anschlag-weihnachtsmarkt-schutz-club-buttergasse-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Audio

Menschen durch den Club in Sicherheit gebracht

Der Club wurde für viele in dieser Nacht zum sicheren Hafen, auch für jene, die nicht verletzt, aber traumatisiert waren. Menschen, die sich nur in Sicherheit bringen wollten, wurden durch die Küche des Clubs auf Nebenwege geschleust. Viele konnten ihre Angehörigen nicht erreichen, suchten Hilfe: "Auch die Schüler, die bei uns zum Feiern waren, wollten natürlich wissen, ob es ihren Angehörigen gut geht, die teilweise während ihrer Party auf dem Weihnachtsmarkt selbst feierten."

Erst kurz nach 23 Uhr verließen die letzten Zufluchtsuchenden den Club. Schneider stand in Kontakt mit der Polizei, auch mit der Frage, ob es sicher ist. Mitarbeiter, die zum Unterstützen in den Club wollten, hatten es schwer, an den Polizisten vorbei zu kommen. Das Areal um den Club: Ein Tatort. Niemand kam raus oder rein.

Ich hatte einen Anruf bekommen von meinem Vater, dass meine Tante auch unter den Opfern war.

David Schneider Club-Betreiber in Magdeburg

Am Morgen folgt eine weitere schreckliche Nachricht

David Schneider selbst blieb bis zum nächsten Morgen um halb sechs im Club. "Nach Hause fahren, schlafen war eh nicht. Wir haben uns Gin Tonic gemacht und einfach gearbeitet. Boxen umgebaut, Kabel gezogen. Wir haben uns abgelenkt." Doch der Abend endete für ihn mit einer weiteren schrecklichen Nachricht. Gerade zu Hause angekommen, es war sechs Uhr morgens: "Ich hatte einen Anruf bekommen von meinem Vater, dass meine Tante auch unter den Opfern war."

Freitag war der Anschlag, Samstag wäre der Geburtstag des Vaters gefeiert worden. Er wurde 60 Jahre und seine Tante wollte zusammen mit der Familie in Magdeburg feiern. Schneider versucht nur noch zu funktionieren: Veranstaltungen müssen abgesagt werden – 80er und 90er Party am Samstag. "Das fand natürlich nicht statt", sagt er.

Magdeburg (Sachsen Anhalt): Blick auf den Plattenteller des DJ bei der Chocolade-Beat-Party am 11.07.2003 in der Diskothek "Buttergasse" in Magdeburg. 1 min
Bildrechte: picture-alliance / ZB | Andreas Lander
1 min

In der Nacht nach dem Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg ist David Schneider noch lange in seinem Club in der Buttergasse geblieben.

MDR SACHSEN-ANHALT Fr 11.04.2025 12:34Uhr 00:33 min

https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/magdeburg/magdeburg/audio-anschlag-weihnachtsmarkt-betreiber-club-buttergasse-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Audio

Club-Betreiber: "Wir haben einfach funktioniert"

Dass sein Club an diesem Abend eine so zentrale Rolle spielte, wurde erst viel später bekannt, nicht einmal der Einsatzleiter der Feuerwehr Magdeburg wusste bis zur jüngsten Sitzung im Landtag davon. Und David Schneider selbst? "Ich habe, glaube ich, bis heute noch nie mich damit richtig auseinandergesetzt. Wir haben einfach nur funktioniert die ganze Zeit." Der Club blieb vorerst geschlossen, Veranstaltungen wurden abgesagt.

Doch bald trafen sich Magdeburger Club-Betreiber und beschlossen gemeinsam: Es muss weitergehen, auch für die vielen Gäste, für die das Nachtleben ein Stück Normalität bedeutet. "Wir haben am 26. Dezember wieder geöffnet: Leise, respektvoll, wir haben jetzt nicht diese Musik gespielt, wo die Leute jetzt komplett durchdrehen." Die Karten für die Veranstaltung waren teilweise Wochen zuvor vorbestellt. 400 Gäste waren im Club. Nur eine Handvoll hatten die Karten zurückgegeben. "Auch das war ein Weg, das Erlebte zu verarbeiten."

Ich habe, glaube ich, bis heute noch nie mich damit richtig auseinandergesetzt. Wir haben einfach nur funktioniert die ganze Zeit.

David Schneider Club-Betreiber in Magdeburg

Mitarbeiter zum Teil noch in psychologischer Behandlung

Schneider spendete Eintrittsgelder, die DJs verzichtete auf Gagen. Nur die Gastronomie machte Umsatz, um das Personal zu bezahlen. Aber auch im Club hat der Anschlag Spuren hinterlassen: Einige Mitarbeiter sind bis heute in psychologischer Behandlung, sagt er. Für den kommenden 20. Dezember, dem Jahrestag, plant die Stadt eine Gedenkveranstaltung, der Weihnachtsmarkt soll geschlossen bleiben und auch der Club bleibt zu. Für Schneider ist trotzdem wichtig, dass der Weihnachtsmarkt wieder am alten Standort stattfindet.

Mehr zum Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg

MDR (Lars Frohmüller) | Erstmals veröffentlicht am 11.04.2025

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 15. April 2025 | 06:30 Uhr

404 Not Found

Not Found

The requested URL /api/v1/talk/includes/html/1bc96613-bc59-437a-b078-b4b9133990eb was not found on this server.

Mehr aus der Region Magdeburg

Mehr aus Sachsen-Anhalt