Zwei Männer befinden sich in einem historischen Bus und lächeln in die Kamera. 4 min
Am Steuer und am Mikrofon wechseln sie sich ab: Dirk Edelmann (li.) und Niklas Grigo sind Busfahrer und ausgebildete Gästeführer. Mehr dazu im Video. Bildrechte: MDR/ Sven Stephan
4 min

Zur Corona-Zeit hatten Dirk Edelmann und Niklas Griego eine Idee: Stadtrundfahrten mit historischen Doppeldecker-Bussen durch Dessau. Das Angebot kommt gut an.

MDR FERNSEHEN Fr 11.04.2025 19:00Uhr 04:14 min

https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/dessau/dessau-rosslau/video-nahverkehrsfreunde-bus-doppeldecker-stadtrundfahrt-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video

Touristenattraktion Mit dem Oldtimer auf Stadtrundfahrt – Dessauer Nahverkehrsfreunde begeistern mit historischen Bussen

12. April 2025, 14:07 Uhr

Während der Corona-Pandemie hatten Dirk Edelmann und Niklas Grigo eine Idee: Stadtrundfahrten mit historischen Doppeldeckern durch Dessau. Die Touren werden gut nachgefragt. Zum Tag der Industriekultur am Sonntag gibt es Sonderfahrten.

Der Ölstand gibt Anlass zur Zufriedenheit. Gerade hat Niklas Grigo ihn noch mal überprüft, nun schließt er die Klappe zum Motorraum des Busses. Derweil ist sein Vereinskollege Dirk Edelmann eifrig mit Scheibenputzen beschäftigt. Die Fahrgäste freuen sich auf eine schöne Aussicht. Dafür sind allerdings eine Menge Scheiben zu wienern. Denn der Bus hat zwei Etagen. Ein Doppelstockbus der Marke MAN aus dem Jahr 1977.

Früher rollte das beigefarbene Fahrzeug im Auftrag der Berliner Verkehrsbetriebe. Inzwischen ist es mit den Nahverkehrsfreunden Dessau regelmäßig in der Muldestadt und im umliegenden Dessau-Wörlitzer Gartenreich unterwegs. Denn Dirk Edelmann und Niklas Grigo gehen damit auf Stadtrundfahrt. Den Bus besteigen sie im weißen Hemd und Krawatte. Heute setzt sich Niklas Grigo ans Steuer. Er startet den Motor; langsam rollt der Bus vom Hof.

Drei historische Busse stehen auf einem Hof.
Die Nahverkehrsfreunde Dessau sammeln und restaurieren historische Berliner Doppelstockbusse. Bildrechte: MDR/ Sven Stephan

Idee für Stadtrundfahrt kam während der Corona-Pandemie

Dirk Edelmanns Platz wäre jetzt eigentlich im Oberdeck am Mikrofon – heute wählt er eine Bank nah beim Fahrersitz. "Als wir mit dem Vorschlag der Stadtrundfahrt kamen, haben uns alle erst mal für verrückt erklärt", erzählt er schmunzelnd, während der Bus in Richtung Stadtzentrum rollt. Denn die Idee entstand in den Sommerferien 2021 – auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie. Viele kulturelle und touristische Angebote funktionierten nur noch auf Sparflamme.

Als wir mit dem Vorschlag der Stadtrundfahrt kamen, haben uns alle erst mal für verrückt erklärt.

Dirk Edelmann, Nahverkehrsfreunde Dessau

"Keiner glaubte daran, dass Besucher in Dessau auf Stadtrundfahrt gehen würden – noch dazu in einem Doppelstockbus. Das konnte sich unmöglich rechnen! Ausprobiert haben wir's trotzdem", erinnert sich Dirk Edelmann. Das Angebot wurde angenommen. Und zwar so gut, dass es über die Sommerferien hinaus bis in den Oktober verlängert wurde. Seither sind die Rundfahrten durch Dessau zur festen Größe geworden und eine Touristenattraktion. "Man sieht mehr als beim Rundgang zu Fuß – und man schafft es auch, eine deutlich größere Zahl von Sehenswürdigkeiten zu zeigen", erklärt Dirk Edelmann.

Ein beigefarbener historischer Doppeldecker-Bus.
Dieser MAN-Bus wurde 1977 gebaut und hat inzwischen 1,3 Millionen Kilometer auf dem Tacho. Mit diesem Fahrzeug gehen die Nahverkehrsfreunde auf Stadtrundfahrt. Bildrechte: MDR/ Sven Stephan

Die beiden holten Busse aus Berlin nach Dessau

Niklas Grigo lenkt derweil den Bus routiniert durch den Stadtverkehr. Sowohl er als auch Dirk Edelmann sitzen auch beruflich am Steuer. Dirk Edelmann fährt Busse und Straßenbahnen durch Dessau; Niklas Grigo hat ein eigenes Busunternehmen. Für die Stadtrundfahrten ihres Vereins haben beide auch eine Ausbildung zum Gästeführer gemacht.

Der beigefarbene MAN-Doppeldecker war der erste, den die Nahverkehrsfreunde nach Dessau holten. Das war im Herbst 2019. Während der Pandemie haben die Vereinsfreunde ihn aufgearbeitet. Dann kam ein zweiter Bus vom gleichen Typ hinzu. Seine Karosserie leuchtet in kräftigem Gelb und Rot und wirbt für die Rundfahrten durch Dessau. Die Beklebung entstand in Zusammenarbeit mit der Stadtmarketinggesellschaft, die das Angebot der Nahverkehrsfreunde sehr schätzt und unterstützt. Der Clou: Bei beiden Fahrzeugen lässt sich das Dach öffnen. Fahrgäste im Oberdeck können also bei schönem Wetter Dessau entdecken, als säßen sie in einem Cabrio.

Auf einem Bus wirbt eine Aufschrift für einen Besuch in Dessau.
Bei einem Bus blieb es nicht. Ein zweites Fahrzeug wirbt auch optisch für die Stadtrundfahrten. Bildrechte: MDR/ Sven Stephan

Nahverkehrsfreunde Dessau wollen Busse nach und nach aufarbeiten

"Diese Berliner Doppelstockbusse sind einfach meine Macke", erzählt Niklas Grigo und lacht. "Ich liebe sie. Inzwischen haben wir vier davon." Hinzu kommen noch mehrere "Eindecker" – also "ganz normale" Stadtbusse – in ganz unterschiedlichem Erhaltungszustand. Sie alle sollen Schritt für Schritt aufgearbeitet werden. Dafür haben Niklas Grigo und Dirk Edelmann die Nahverkehrsfreunde Dessau gegründet, denen beide vorstehen. Das war 2015. Inzwischen hat der Verein 16 Mitglieder.

Zu der Idee inspiriert wurden sie in Berlin. Dort gibt es schon länger Stadtrundfahrten mit historischen Fahrzeugen. Weil Unternehmen die alten Busse loswerden wollen, sind sie recht günstig zu haben. Die ersten hat der Verein noch privat finanziert. Inzwischen helfen Sponsoren; die sehr erfolgreichen Stadtrundfahrten bringen dem Verein auch einiges an Einnahmen. Inzwischen haben die Nahverkehrsfreunde alles, was es braucht, um die Fahrzeuge aufzubereiten und zu pflegen: eine Werkstatt und sogar großes Gerät, um die Busse im Fall des Falles mal anheben zu können.

Die Stadtrundfahrten in Dessau fallen auf

Ganz neu sind die schmucken Riesen im Dessauer Stadtbild nun nicht mehr. Trotzdem drehen sich viele Menschen auf dem Bürgersteig nach ihnen um, wenn sie vorbeirollen. "Ich würde sagen, jeder kennt unsere Fahrzeuge", freut sich Niklas Grigo. Er ist 25 Jahre alt, Dirk Edelmann 33. Unter den Gästeführern der Stadt Dessau-Roßlau sind sie mit Abstand die Jüngsten. Ebenso im Netzwerk Industriekultur, dem der Verein Nahverkehrsfreunde Dessau angehört.

Das reiche industriekulturelle Erbe Sachsen-Anhalts wird aus Sicht des Vereins noch viel zu wenig vermarktet. Besucher aber beginnen nach und nach, es zu entdecken. "Industriekultur ist der neue Tourismus", glaubt Niklas Grigo. Seine Erfahrung: "Die Leute interessieren sich nicht mehr nur für Fürst Leopold und das Gartenreich." – "Die Kohleförderung, der Flugzeugbau bei Junkers, der Maschinenbau – das alles gehört doch auch zu unserer Geschichte", ergänzt Dirk Edelmann.

In seinen Stadtrundfahrten integriert der Verein deshalb ganz bewusst bedeutsame Zeugnisse der Dessauer Kultur- und Industriegeschichte. Das weltberühmte Bauhaus natürlich, aber auch die traditionsreiche Schultheiss-Brauerei oder das Technikmuseum "Hugo Junkers". "Wir wollen Industriekultur erlebbar und erfahrbar machen", sagen Niklas Grigo und Dirk Edelmann. Das Interesse daran wächst. Immer häufiger finden sich unter dem Publikum der Rundfahrten jüngere Fahrgäste.

Industriekultur zum Anfassen

Auch wenn sie nicht aus Sachsen-Anhalt stammen, sind die Busse der Nahverkehrsfreunde selbst ein Stück Industriekultur. Dass sie auf Rundfahrten gehen, hat einen ganz praktischen Vorteil. "Die Busse stehen nicht rum", freut sich Dirk Edelmann. "Sie befördern immer noch Fahrgäste, dienen also weiterhin ihrem eigentlichen Zweck. Selbst wenn sie – wie der Bus, in dem wir gerade sitzen – schon 1,3 Millionen Kilometer auf dem Tacho haben."

Zwei Männer stehen vor historischen Bussen.
Vom "Testballon" zur Touristenattraktion: Die Stadtrundfahrten mit den historischen Doppeldeckern der Nahverkehrsfreunde Dessau um Dirk Edelmann (li.) und Niklas Grigo sind äußerst beliebt. Bildrechte: MDR/ Sven Stephan

Bald beginnt wieder die Saison für die Stadtrundfahrten. Ab dem 3. Mai gehen die Nahverkehrsfreunde jeden Sonnabend mit ihren historischen Bussen auf Tour. Zweimal pro Nachmittag – um 13 und um 15 Uhr – starten die Fahrten an der Reisebus-Haltestelle gegenüber der Alten Hauptpost. Und während einer der beiden Gästeführer am Steuer sitzt, kommentiert der andere am Mikrofon Sehenswürdigkeiten und Stadtgeschichte live während der Fahrt. Für 18 Euro pro Person (15 Euro ermäßigt) ist der Spaß zu haben.

Sonderfahrten zum Tag der Industriekultur Am Tag der Industriekultur am 13. April gehen die Nahverkehrsfreunde mit einem der Doppeldeckerbusse auf Sonderfahrt. Sie starten um 11 Uhr, 13 Uhr, 15 Uhr und 16:32 Uhr am Hauptbahnhof. Stationen sind das Triebwagenmuseum, die Schultheiß-Brauerei und das Gelände des früheren Zementanlagenbaus (ZAB).

Dort gibt es eine besondere Werkhalle zu besichtigen, deren industriegeschichtliche Bedeutung gerade erst wiederentdeckt wird. Endpunkt der Tour ist am Technikmuseum "Hugo Junkers". Die Fahrt kostet 9 Euro, ermäßigt 6 Euro.

Stadtrundfahrten sind zum Teil ausgebucht

Eine der ersten Fahrten für den Mai war schon im Januar ausgebucht. Dass die Touren so gut nachgefragt werden, freut niemanden mehr als die Nahverkehrsfreunde selbst. "Wir haben gute Fahrgastzahlen. Also, für einen Verein, der das ja ehrenamtlich macht, läuft das richtig gut", sagt Dirk Edelmann.

Am meisten liebt er es, wenn es gelingt, die Erwartungen der Fahrgäste zu übertreffen. "Manche steigen ein und fragen sich: 'Was soll man sich denn in anderthalb Stunden in Dessau alles anschauen?‘ Und dann steigen sie oft aus und sind völlig geplättet."

Mehr zur Industriekultur in Sachsen-Anhalt

MDR (Sven Stephan, Kalina Bunk) | Erstmals veröffentlicht am 11.04.2025

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 11. April 2025 | 19:00 Uhr

404 Not Found

Not Found

The requested URL /api/v1/talk/includes/html/709d284f-70dd-406f-9a0e-abd7c2f4e441 was not found on this server.

Mehr aus Dessau-Roßlau, Anhalt und Landkreis Wittenberg

Mehr aus Sachsen-Anhalt