Nach Besuch im Gefängnis Tote in der JVA Burg: Untersuchungshaft gegen Ehemann angeordnet
Hauptinhalt
12. April 2025, 13:04 Uhr
Ein Insasse der JVA Burg soll während der Besuchszeit seine Ehefrau getötet haben. Der Obduktionsbericht hatte diesen Verdacht zuletzt erhärtet. Nun hat ein Richter Untersuchungshaft gegen den Verdächtigen angeordnet, wegen Totschlags.
- Im Fall der toten 35-Jährigen in der JVA Burg hat ein Richter Untersuchungshaft für ihren 37 Jahre alten Mann wegen Totschlags angeordnet.
- Sachsen-Anhalts Politiker wollen zügige Ermittlungen zum Tathergang und fordern eine Überprüfung der Sicherheit in der JVA.
- Nach dem Todesfall soll die JVA Burg erneut Thema im Rechtsausschuss des Landtages werden.
Anfang April starb eine 35-Jährige nach dem Besuch bei ihrem inhaftierten Ehemann in der JVA Burg im Jerichower Land. Seit Montag ist klar, dass sie nach Gewalt "gegen ihren Hals" verstorben ist. Ein Haftrichter hat nun Untersuchungshaft für den 37 Jahre alten Ehemann wegen Totschlags angeordnet. Das geht aus Angaben Stendaler Staatsanwaltschaft hervor. Demnach sitzt der Verdächtige zwar bereit im Gefängis, die Untersuchungshaft wurde trotzdem angeordnet, um eine möglich vorzeitige Entlassung zu verhindern.
Die Frau hatte ihren Mann in einem sogenannten Langzeit-Besuchsraum der Haftanstalt getroffen. Dort dürfen Gefangene ungestörten Kontakt mit ihrem Partner haben – auch Sex. In diesen Zellen gibt es keine Kameraüberwachung. Ein Langzeitbesuch dient dazu, Beziehungen zu Angehörigen in geschützten Räumen zu ermöglichen. Nach dem Besuch war sie laut Angaben der Stendaler Staatsanwaltschaft tot aufgefunden worden, Bediensteten und Rettungskräften war es nicht gelungen, die Frau wiederzubeleben.
Gewalt "gegen ihren Hals"
Seit der anschließenden Obduktion ist klar: Die Häftlingsbesucherin ist nach Gewalt "gegen ihren Hals" verstorben. Das teilten Staatsanwaltschaft und die Polizei in Stendal Anfang dieser Woche mit. Was das genau bedeutet, dazu wollten die Behörden auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT unter Verweis auf laufende Ermittlungen keine Angaben machen.
Zu dem Tötungsdelikt ermittele die Kriminalpolizei. Sie habe umfangreiche Spuren gesichert, hieß es. Nach Medienberichten waren bei einer ersten Leichenschau leichte Würgemale am Hals der Frau festgestellt worden. Das Opfer stammt demnach aus dem Altmarkkreis Salzwedel.
Der 37-jährige Ehemann der Toten sitzt seit einigen Jahren in Haft, aber laut Medieninformationen nicht als Gewalttäter, sondern unter anderem wegen Betrugs und Urkundenfälschung.
Langzeitbesuche ausgesetzt
Unterdessen hat die Anstaltsleitung in Burg alle geplanten sogenannten Langzeitbesuche "bis auf Weiteres" ausgesetzt. Das bestätigte am Montagabend ein Sprecher des Justizministeriums. Zuvor hatte die "Mitteldeutsche Zeitung" berichtet. Die schon genehmigten Besuche würden nun "einzelfallbezogen" neu geprüft, hieß es. Mögliche weitere Maßnahmen der JVA hingen auch von den Ermittlungen der Behörden ab.
SPD-Innenpolitiker Erben: Sicherheit der JVA Burg muss überprüft werden
Der innenpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Rüdiger Erben, äußerte sich auf Nachfrage von MDR SACHSEN-ANHALT erschüttert zu dem Fall. Erben betonte, die Ermittlungen müssten sorgfältig abgewartet werden. Klar sei jedoch, es müsse geprüft werden, ob rechtliche Vorgaben und interne Abläufe in Burg noch die nötige Sicherheit gewährleisten.
Ein 'Weiter so' dürfe es nicht geben – weder im Umgang mit hochgefährlichen noch mit vermeintlich unauffälligen Gefangenen. Erben erinnerte daran, dass auch der Attentäter von Halle in dem Gefängnis Bedienstete bedrohen und einen Fluchtversuch unternehmen konnte. Ihn mache die Fülle der Vorfälle dort stutzig.
Linken-Politikerin von Angern fordert schnelle Klärung des Tathergangs
Die Vorsitzende der Linken im Landtag, Eva von Angern, teilte MDR SACHSEN-ANHALT mit, die Tat in einem Gefängnis, quasi in Obhut des Staates, sei besonders dramatisch. Die Angehörigen des Opfers und die Öffentlichkeit bräuchten daher schnell Klarheit über den Tathergang. Die Landesregierung müsse die Frage beantworten, ob sie zu verhindern gewesen wäre.
Der innenpolitische Sprecher der Grünen im Landtag, Sebastian Striegel, sagte laut einer Mitteilung der Fraktion, es stehe der konkrete Verdacht eines Femizids im Raum. Es sei schwer zu verstehen, wie eine Besucherin in einem Hochsicherheitsgefängnis Opfer eines so schrecklichen Verbrechens werden könne. Gerade an diesem Ort müsse der Staat Sicherheit gewährleisten. Es brauche zügige und gründliche Ermittlungen, auch durch das Justizministerium.
Striegel ergänzte im Gespräch mit dem MDR, in Burg gebe es eine Häufung von sicherheitsrelevanten Vorkommnissen. Da müsse man auch nach strukturellen Ursachen fragen.
Der innen- und justizpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Guido Kosmehl, sprach sich im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT dafür aus, die Sicherheit bei den unbeobachteten Langzeitbesuchen zu verbessern. Man müsse nach Möglichkeiten suchen, die die Privatsphäre der Beteiligte nicht verletzen. Kosmehl sagte, grundsätzlich sei er für solche Langzeitbesuche.
JVA Burg erneut Thema im Rechtsauschuss
Nach dem Todesfall soll das Gefängnis in Burg erneut Thema im Landtags-Rechtsausschuss werden. Der Vorsitzende Christian Hecht von der AfD sagte dem MDR, man habe bereits einen entsprechenden Antrag auf der Tagesordnung für die nächste Sitzung. Er erwarte dann konkrete Informationen von der Justizministerin. Er sei zu der Überzeugung gekommen, dass in Burg etwas grundsätzlich nicht so laufe, wie es in einer modernen JVA laufen sollte.
JVA Burg gilt als eines der modernsten Gefängnisse Deutschlands
Das Justizministerium sprach unterdessen den Angehörigen und Freunden des Opfers seine Anteilnahme aus. Auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT teilte das Ministerium mit, eine Aufarbeitung unter Beteiligung des Justizvollzugs sei eingeleitet worden. Da das konkrete Geschehen bislang ungeklärt ist, seien die Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft abzuwarten.
Die Justizvollzugsanstalt (JVA) Burg wurde 2009 eröffnet. Es handelt sich laut Justizministerium um das größte und modernste Gefängnis Sachsen-Anhalts. Die JVA biete Platz für rund 650 männliche Strafgefangene mit mittlerem bis hohem Sicherheitsstandard.
In der Vergangenheit ist das Gefängnis bereits mehrfach in die Schlagzeilen geraten. So hatte dort 2022 der Synagogen-Attentäter von Halle einen Fluchtversuch unternommen. Er hatte mit einem waffenähnlichen Gegenstand Bedienstete als Geiseln genommen. Im vergangenen November war ein Sicherheitsleck in der Haftanstalt bekannt geworden. Dabei soll ein elfseitiges Dokument mit Lageplänen des Gebäudes in die Hände von Gefangenen geraten sein.
Warum wir in diesem Fall derzeit nicht von einem Femizid sprechen
Zum aktuellen Zeitpunkt sind die genauen Umstände des Todes noch Gegenstand der Ermittlungen. Auch ein Unfall wird aktuell nicht ausgeschlossen. Deswegen benutzen wir in unserer Berichterstattung den Begriff Femizid im Zusammenhang mit dem Todesfall derzeit nicht.
MDR (Lars Frohmüller, Christoph Dziedo, Cornelia Winkler, Kalina Bunk, Sebastian Gall), dpa | Erstmals veröffentlicht am 04.04.2025
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 12. April 2025 | 09:00 Uhr