Interne Kämpfe und Machtfragen AfD-Landesvorstand ringt um Kontrolle über Kreisverbände
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03. März 2025, 19:59 Uhr
Die AfD Sachsen-Anhalt hat ihren Satzungsparteitag in Magdeburg genutzt, um Machtfragen zu klären, dabei aber die Parteibasis weiter gespalten. Zwei Kreisverbände fordern mehr Basisdemokratie, doch die Landesführung stemmt sich dagegen. Hintergrund ist die Vorbereitung auf den Landtagswahlkampf. Die Partei will sich geschlossen aufstellen, um 2026 den Ministerpräsidenten zu stellen. Doch interne Konflikte und strukturelle Probleme bremsen den Vormarsch. Eine Analyse von Lars Frohmüller.
Fast schon Volksfeststimmung herrschte am Sonntag immer wieder in den letzten Reihen, kurz vor dem Pressebereich des AfD-Parteitags im Alten Theater in Magdeburg. Grölen, Buhrufe, Wortmeldungen wie "Schämt euch!", "Pfui Teufel!" oder "Unfassbar!" kommentierten immer wieder die Reden des Landesvorstands. Die in Sachsen-Anhalt als gesichert rechtsextremistisch eingestufte AfD ist in den letzten Jahren stark gewachsen. Mehr als 2.500 Mitglieder vermeldete der Landesvorsitzende Martin Reichardt vom Rednerpult. Zum Vergleich: Zum Stichtag 31.12.2023 zählte die Partei 1.921 Mitglieder in Sachsen-Anhalt. Und das bringe auch Probleme mit sich. Reine Mitgliederparteitage mit viel Beteiligung der Basis wären zukünftig schwerer zu organisieren. Kleinere Veranstaltungsorte würden damit kaum noch möglich sein. Reichardt gab die Bedenken in den Saal, dass dann nur noch große Orte wie Halle und Magdeburg Parteitage austragen könnten.
Zum ersten Mal kam Unmut aus den letzten Reihen auf. "Verstehe ich den Landesvorsitzenden richtig, dass er keine Mitgliederparteitage durchführen will?", fragte ein Delegierter in Richtung Reichardt. Dieser gab zu bedenken: "Dann müsste man große Hallen mieten, was mit erhöhten Kosten verbunden wäre. Dieses Geld investieren wir lieber in einen erfolgreichen Landtagswahlkampf." Es blieb nicht die einzige Auseinandersetzung am Sonntag.
Machtkampf und Kontrolle über unruhige Kreisverbände
Eigentlich war der Landesparteitag der AfD Sachsen-Anhalt am Wochenende als reiner Satzungsparteitag geplant, also als ein Treffen, bei dem es formal um Änderungen und Anpassungen der Parteistatuten geht. Doch schnell wurde klar, dass es um weit mehr ging: die Kontrolle der Parteiführung über unruhige Kreisverbände. Die Mitglieder dieser Verbände fordern mehr Basisdemokratie und damit eine stärkere Mitbestimmung der einfachen Parteimitglieder. Das Thema Mitgliederparteitage wurde noch mehrfach thematisiert.
Auch bei der Frage nach den politischen Weichenstellungen und Kandidatenaufstellungen wollten insbesondere Vertreter aus Anhalt-Bitterfeld und Mansfeld-Südharz mehr mitbestimmen können. Die Basis wolle mit ihren Kandidaten vor Ort Wahlen gewinnen.
Hier will sich jedoch der Landesvorstand ein finales Mitspracherecht einräumen. Darauf zielten auch einige der Satzungsanträge ab: "Der Landesvorstand ist kein Abstempel-Automat. (...) Nehmen wir den Fall, dass entdeckt wird, dass ein Kandidat Kinderpornografie besitzt. Oder nehmen wir den Fall, dass ein Kandidat wegen eines Betrugsdelikts verurteilt wird. Was will man tun?", sagte Vorstandsmitglied Hans-Thomas Tillschneider. Allerdings lässt die aktuelle Wahlordnung ein größeres Mitspracherecht der Parteiführung in solchen Fällen bereits zu.
Streit um Parteistrukturen und Mitgliederparteitage
Der Konflikt um die Parteistrukturen ist nicht nur eine organisatorische Frage, sondern eine Machtfrage. Ein Mitgliederparteitag könnte dazu führen, dass die Parteispitze weniger Einfluss auf Kandidatenaufstellungen und strategische Entscheidungen hat. Kritiker aus den Kreisverbänden werfen der Landesführung vor, sich zunehmend von der Basis zu entfernen.
Auch der Umgang mit parteiinternen Streitigkeiten sorgte für Diskussionen. Sollten Mitglieder ein öffentliches Gericht anrufen dürfen, bevor alle Parteischiedsgerichte durchlaufen sind? Tillschneider, verteidigte die bestehende Regelung: "Parteigerichte sind da, damit sie zuerst beansprucht werden, bevor es an die öffentlichen Gerichte geht. Und es ist auch eine Vertrauensfrage. Wem vertraut man mehr? Vertrauen wir mehr auf unser Parteigericht oder auf öffentliche Gerichte?"
Doch Kritiker wie Kai-Uwe Ziegler, der nur durch das Anrufen eines öffentlichen Gerichts sein Bundestagsmandat verteidigen konnte, sahen darin eine Beschneidung der Mitgliederrechte. "Dieses Landesschiedsgericht kann sich so lange Zeit lassen, bis jede Frist vorbei ist. Und dann ist es erledigt." Auch hier gab es aus Mansfeld-Südharz und Anhalt-Bitterfeld lautstarke Unterstützung. Mitglieder machten ihrem Unmut Luft und riefen: "So kann man eine Partei nicht führen!" Schließlich wurde dieser Punkt aus taktischen Gründen an diesem Tag zurückgezogen – auch nach Aussage von Hans-Thomas Tillschneider, um keine Angriffsfläche für den Verfassungsschutz zu bieten.
Showdown um Vorstandsposten
Höhepunkt des Grabengefechts zwischen dem Landesvorstand und den beiden abtrünnigen Kreisverbänden war eine einstündige Aussprache zum Rauswurf von Kai-Uwe Ziegler aus dem Landesvorstand. Ziegler verteidigte sich über 15 Minuten gegen den Vorwurf des Landesvorstandes, er habe mit seinem Vorgehen dem Ansehen der Partei geschadet. Der Vorstand – unter Wortführung von Hans-Thomas Tillschneider und Matthias Büttner aus Staßfurt warf Ziegler vor, ohne Not den Landesvorstand vor Gericht "gezerrt" zu haben. "Alles wäre bereits auf dem Weg gewesen. Es hätte dann aber Einsprüche gegeben."
Ziegler konterte, die Einsprüche seien fast wortgleich aus unterschiedlichen Ecken im Landesvorstand eingereicht worden und wirkten inszeniert. Zudem verwies er darauf, dass er nicht der Einzige sei, den der Landesvorstand mit "an den Haaren herbeigezogenen Begründungen" loswerden wolle. Denn auch der Kreisvorsitzende Daniel Roi aus Anhalt-Bitterfeld, dem zweiten aufmüpfigen Kreisverband, muss sich aktuell vor Parteigremien verantworten. Die Landtagsfraktion hat ihn bereits ausgeschlossen, der Parteiausschluss droht ebenfalls. Am Ende verlor Ziegler am Sonntag seinen Posten im Vorstand – mit mehr als 70 Prozent der Delegiertenstimmen
AfD Sachsen-Anhalt und ihr Anspruch auf die Regierung
Die Diskussionen um Parteistrukturen sind nicht losgelöst von den politischen Ambitionen der AfD Sachsen-Anhalt. Landeschef Reichardt spekuliert auf 45 Prozent und will den Ministerpräsidenten stellen – und damit das erste von der AfD geführte Bundesland in Deutschland werden. Reichardt bekräftigte diesen Anspruch deutlich: "Um diese Verantwortung lautet unser gemeinsames Ziel für das Jahr 2026: alle Direktmandate in Sachsen-Anhalt gewinnen, 45 Prozent holen und den Ministerpräsidenten stellen."
Dies könnte dann Ulrich Siegmund werden, der schon auf dem letzten Parteitag dafür gefeiert wurde. Dieser hielt sich jedoch aus den internen Diskussionen heraus. Tillschneider und Reichardt steuerten hier den Angriff.
Doch die Spaltung zwischen Landesführung und Teilen der Basis zeigt: Noch ist die AfD Sachsen-Anhalt nicht so einheitlich, wie sie es für ihren Regierungsanspruch sein müsste.
MDR (Lars Frohmüller)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 02. März 2025 | 19:00 Uhr
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