Blick auf die Zuschauenden in einem Kino 5 min
Im Domstadtkino wartet das Publikum gespannt auf den nächsten Film. Mehr zu 20 Jahre Merseburger Defa-Filmtage im Beitrag von Lars Meyer. Bildrechte: Wolfgang Kubak
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Am Freitag beginnen die Merseburger Defa-Filmtage, in diesem Jahr zum 20. Mal. Für die Jubiläumsausgabe haben sich unter anderem die Schauspielerin Corinna Harfouch und Schauspieler Henry Hübchen angekündigt.

MDR KULTUR - Das Radio Fr 11.04.2025 06:20Uhr 05:17 min

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20. Jubiläum Corinna Harfouch und Henry Hübchen bei Defa-Filmtagen in Merseburg

10. April 2025, 15:44 Uhr

Die Merseburger Defa-Filmtage finden in diesem Jahr zum 20. Mal statt, vom 11. bis 13. April 2025. Dabei geht es nicht nur um die Pflege des Defa-Erbes, sondern auch um den Kontakt zum Publikum. Von Freitag bis Sonntag laufen während der Jubiläumsausgabe der Filmtage unzählige Defa-, aber auch einige aktuelle Filme. Als Gäste für die Jubiläumsausgabe haben sich u. a. die Schauspielerin Corinna Harfouch und Schauspieler Henry Hübchen angekündigt.

Die Merseburger Defa-Filmtage feiern ihr 20. Jubiläum. Von Freitag bis Sonntag gibt es in diesem Jahr insgesamt 17 Filme zu sehen. Angekündigt haben sich u. a. die Schauspielerin Corinna Harfouch und Schauspieler Henry Hübchen.

Die Schauspielerin Corinna Harfouch: eine Frau mit halblangen dunkelblonden Haaren und dunklem Rollkragenpullover steht vor einer dunklen Wand
Stars zum anfassen: Corinna Harfouch kommt zum DEFA-Film "Die Schauspielerin" und zu "Kundschafter des Friedens II". Bildrechte: picture alliance/dpa | Thomas Banneyer

Die Defa-Stars kämen gerne zu ihnen in die Provinz, sagte Halina Czikowsky, Vorsitzende des Merseburger Kinovereins MDR KULTUR. Die freundliche Festival-Atmosphäre, die lebendigen Gespräche nach jedem Film und das Publikumsinteresse hätten sich herumgesprochen. "Ich weiß noch, wie Dieter Mann, den wir da hatten, sagte, ich hätte nicht damit gerechnet, dass der Kinosaal voll ist. In den Kinosaal gehen über 200 Leute rein", erzählte Czikowsky.

Kinorettung und Studierende brachten Defa-Filmtage nach Merseburg

Der direkte Kontakt zwischen den Protagonisten des Defa-Filmes und dem Publikum ist bis heute für beide Seiten etwas Besonderes. Die Geschichte der Filmtage ist eng verknüpft mit dem des Domstadtkinos Merseburg, früher Kino Völkerfreundschaft. Das stand Anfang der 2000er-Jahre leer. Als am Bahnhofsvorplatz ein Multiplexkino gebaut werden sollte, regte sich Widerstand. Der Kinoverein setzte sich erfolgreich für die Sanierung des alten Kinos gleich gegenüber ein.

Blick auf den Eingang eines sandsteinfarbenen Hauses mit der Aufschrift "Domstadt Kino"
Der Förderverein "Kino Völkerfreundschaft Merseburg e.V." rettete 2002 in Merseburg das Kino, heute Domstadtkino. Bildrechte: Halina Czikowsky

Damit entstand für die Stadt ein zentraler kultureller Ort. Die Initiative zu den Defa-Filmtagen kam dann von zwei Studierenden, die sich an der Merseburger Hochschule mit der Defa-Filmgeschichte beschäftigten. So seien die Defa-Filmtage zum Merseburger Kinoverein gekommen, "bis dann wir als Verein das ohne Hochschule übernommen haben", erklärte Czikowsky.

Dichtes Festivalprogramm im Zeichen der Jubiläen

15 Mitglieder hat der Verein heute, die sich für das Festival engagieren. An drei Tagen werden rund 17 Filme gezeigt, teils parallel, in vier Kinosälen. Vorangegangen sind bereits Schulvorführungen, zu denen Busse aus der ganzen Umgebung anrollten, eine Ausstellungseröffnung und eine Stadtführung zum jüdischen Leben in Merseburg.

Eine Frau mit halblangen dunkelblonden Haaren, roter Bluse und Kette lächelt in die Kamera.
Die Medienwissenschaftlerin Stefanie Eckert, seit 2020 Vorstand der DEFA-Stiftung, freut sich auf ihren Besuch in Merseburg. Bildrechte: DEFA-Stiftung, Xavier Bonnin

Für die Bevölkerung vor Ort ist das schon etwas Besonderes, mit den Stars der Defa ins Gespräch zu kommen, und das wird wirklich zelebriert in Merseburg.

Stefanie Eckert Vorstand der DEFA-Stiftung

Das dichte Festival-Programm ist von gleich drei weiteren Jubiläen geprägt: 500 Jahre Bauernkrieg, 80 Jahre Befreiung der NS-Konzentrationslager und 100 Jahre Konrad Wolf.

Stefanie Eckert, Vorstand der Defa-Stiftung, lobte das große Engagement des Merseburger Kinovereins für den Erhalt des Defa-Erbes und für die Region: "Für die Bevölkerung vor Ort ist das schon was Besonderes, mit den Stars der Defa ins Gespräch zu kommen, und das wird wirklich zelebriert in Merseburg." Grundsätzlich bewundere Eckert alle Filmreihen und Festivals, die nicht in großen Städten stattfinden.

Indem auch aktuelle Film gezeigt werden, gäbe es auch einen Bezug zum Heute. "Das ist so ein Spagat, der wirklich schön ist, dass man versucht, Filme zu finden, die vielleicht irgendwie dieses Gefühl der Defa oder einen bestimmten Anspruch des Spielfilmschaffens in die Gegenwart auch tragen." Als aktuelle Beiträge laufen in diesem Jahr die Komödie "Kundschafter des Friedens 2" und der Dokumentarfilm "Der Schatten des Kommandanten"  – mit Hajo Funke als Gast.

Festivaleröffnung mit "Lissy" von Konrad Wolf

Vor drei Jahren war Eckert zum ersten Mal dabei und kommt zur Eröffnung in diesem Jahr gerne wieder, um dem Publikum den Konrad-Wolf-Film "Lissy" von 1957 zu präsentieren. Der spielt Anfang der 30er-Jahre vor dem Hintergrund grassierender Arbeitslosigkeit. Sonja Sutter spielt eine Frau aus einfachen Verhältnissen, die an der Seite eines SA-Karrieristen endlich zu Wohlstand kommt, sich aber dann doch von ihrem Mann abwendet.

Schwarz-weiß-Aufnahme einer Frau die aus dem Fenster eines Fahrzeugs schaut.
Sonja Sutter wurde durch ihre Rolle als Lissy in Konrad Wolfs Film bekannt und spielte später am Wiener Burgtheater. Bildrechte: DEFA-Stiftung, Rudolf Meister

Der Film werde bis heute unterschätzt, so Eckert. Es sei ein früher Film von Konrad Wolf, der schon zeige, wo es hingeht: "Einerseits, dass er sich mit der Vergangenheit beschäftigt, um die Gegenwart zu erkennen, und andererseits, dass ihm dieses Thema der Verantwortung sehr am Herzen liegt", erklärte Eckert. Die Aktualität hat der Film auch heute noch.

Zeitdokumente wieder restauriert

Zu sehen ist auch der Monumentalfilm "Thomas Münzer" von 1956. Martin Hellberg hat ihn an Schauplätzen in Thüringen gedreht. Er ist weniger gut gealtert als "Lissy", aber ein spannendes Zeitdokument. 17 Jahre nach der Uraufführung wurde er in der DDR neu aufgelegt und dafür stark gekürzt.

Eine Filmszene auf "Thomas Münzer" von Martin Hellberg.
Die Figur des Thomas Münzer, hier im Film von 1956, spielte als ein Anführer des Bauernkrieges in der DDR eine besondere Rolle. Bildrechte: DEFA-Stiftung, Manfred Klawikowski

Alle Elemente, bei denen es darum gehe, dass Deutschland sich vereinigen soll, seien in der Zeit nicht mehr en vogue gewesen und wurden herausgeschnitten, so Eckert und weiter: "Wir haben jetzt im Restaurierungsprozess den Film wieder zusammengefügt, also so dass er gezeigt wird, wie er letztlich auch seine Premiere gefeiert hat."

Ungewisser Blick in die Zukunft

Gerade die frühen Defa-Filme offenbaren für Halina Czikowski allerdings auch ein Dilemma der Filmtage. Es gibt aus der Zeit einfach keine Defa-Schaffenden mehr. Aus den Achtzigern könne man noch welche einladen, "aber auch das Potential geht irgendwann verloren, also brauchen wir was Neues, wenn wir bei unserem Konzept bleiben wollen, dass nach dem Film immer Filmgespräche stattfinden."

Mehrere Personen auf einer Bühne, eine Frau hält ein Mikrofon.
Halina Czikowski vor Publikum in Merseburg mit Moderator Knut Elstermann (rechts hinter ihr) Bildrechte: Dr. J. Vogel

Das Potential geht irgendwann verloren, also brauchen wir was Neues.

Halina Czikowski Vorsitzende des Merseburger Kinovereins.

Sie freut sich über das feste Bekenntnis der Stadt zu den Filmtagen. Seit mehreren Jahren macht auch der Leiter des Merseburger Kulturamtes regelmäßig seine persönliche Filmeinführung. Hinzu kommt ein Netz aus klein- bis mittelständischen Sponsoren, das leider zu erwartende Einbußen einigermaßen ausgleichen könne. Doch wenn die Gäste und das Publikum aus Altersgründen ausbleiben – auch sie selbst betonte, mit ihren 72 Jahren wisse sie nicht mehr genau, wie die Jugend ticke.

Ein Banner zu den 29. Merseburger Filmtagen hängt an einer Fassade.
Das diesjährige Motto spielt auf die Themenschwerpunkte jüdisches Leben/ 80. Jahrestag der Befreiung der NS-Konzentationslager und 500 Jahre Bauernkrieg an. Bildrechte: Halina Czikowsky

Ein neu zu erarbeitendes Konzept sollte deshalb für Czikowski die Hochschule Merseburg wieder mit einbinden. Dort gibt es auch einen Studiengang für angewandte Medien- und Kulturwissenschaft. Für dieses Jahr setzt sie darauf, jüngere Zuschauer auch über die gesellschaftlich relevanten Themen für die Filmtage zu interessieren. Es wurden fleißig Flyer in den Vereinen der Stadt verteilt.

Mehr Informationen

20. Merseburger Defa-Filmtage
"Thomas & Jakob und der Traum vom Leben"
11. bis 13. April 2025

Adresse:
Domstadtkino Merseburg
König-Heinrich-Straße 7
06217 Merseburg

Programm (Auszüge):
Freitag, 11. April 2025
15 Uhr: "Thomas Müntzer – Ein Film deutscher Geschichte" (Einführung: Nora Hilgert)
15:30 Uhr: "Lissy" (Gast: Stefanie Eckert, Moderation: Knut Elstermann)

Samstag, 12. April 2025
14:30 Uhr: "Kundschafter des Friedens 2" (Gast: Corinna Harfouch, Moderation: Ulrich Jacobi)
18 Uhr: Podiumsgespräch: jüdisches Leben in der Defa (Gäste: Lisa Schoß, Michael Kann, Wolfgang Schneiß; Moderation: Thomas Bille, MDR KULTUR zeichnet das Gespräch auf)
19:30 Uhr: "Die Schauspielerin" (Gast: Corinna Harfouch, Moderation: Knut Elstermann)

Sonntag, 13. April 2025
19:00 Uhr: "Jakob der Lügner" (Gast: Henry Hübchen, Moderation: Knut Elstermann)

Begleitende Ausstellung:
"Meine jüdischen Eltern, meine polnischen Eltern",
In der Saalesparkasse (Gotthardstraße 48), zu besichtigen zu den Öffnungszeiten der Filiale

Redaktionelle Bearbeitung: hro, lm

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 11. April 2025 | 06:20 Uhr

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