Jugendforum Stadtrat in Salzwedel stimmt gegen Demokratieprojekt – und verliert Fördergeld
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13. April 2025, 05:00 Uhr
Bis zu 1,2 Millionen Euro an Fördergeld hatte die Stadt Salzwedel für die kommenden acht Jahre in Aussicht. 140.000 Euro vom Bund waren bereits fest zugesagt. Aber: Das Geld wird es vorerst nicht geben – dabei war es für die demokratische Bildung von Kindern und Jugendlichen vorgesehen. "Partnerschaft für Demokratie - Demokratie leben!" heißt das Bundesprojekt. Eine Koalition aus AfD, CDU und der Freien Fraktion im Stadtrat stemmte sich dagegen.
- Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hatte bereits Fördergelder in Höhe von 140.000 Euro bewilligt.
- Mit den Fördergeldern sollte ein Jugendforum nach Salzwedel kommen. Die CDU hat Nachfragen, die AfD war von Anfang an dagegen.
- Mit dem Stadtratsbeschluss ist die Stadt Salzwedel eine der wenigen in Sachsen-Anhalt, die weiterhin nicht im Programm "Partnerschaft für Demokratie" beteiligt sein werden.
Die 17-jährige Annegret Junger kann es nicht verstehen, wie der Stadtrat ihres Heimatortes so viel Geld einfach ablehnen kann. "Es ist Frust da", sagt die Schülerin des Friedrich-Ludwig-Jahn Gymnasiums. Annegret Junger ist im Schülerrat und wollte auch im Jugendforum der Stadt mitwirken. "Es gibt genügend Leute, die mitmachen wollten", sagt sie. Der Stadtrat von Salzwedel hatte sich bereits vor zwei Jahren mit einem expliziten Beschluss auf die Fahnen geschrieben, ein Jugendparlament zu installieren. Herausgekommen war bisher nichts, weil kein Geld für ein entsprechendes Budget in der Stadtkasse vorhanden war.
Familienministerin hatte ersten Förderbescheid bereits unterschrieben
Über das Bundesprojekt "Demokratie leben!" sollte sich das ändern. Die Förderung des Jugendforums sollte eines der Vorhaben in Salzwedel werden, das mit Fördergeld vom Bund umgesetzt werden sollte. Bereits 140.000 Euro hatte Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) der Stadt zugesichert. Der Förderbescheid liegt seit Dezember im Rathaus. Der Start für das Projekt schien nur noch Formsache zu sein. Doch bei seiner letzten Stadtratssitzung im Februar fiel das Vorhaben durch: Die AfD und die CDU stimmten geschlossen dagegen. Weitere Ablehnung kam von der Freien Fraktion. Am Ende stimmten 19 von 35 Stadtratsmitglieder gegen das Projekt.
Auch sechs Wochen nach der Sitzung ist das Unverständnis noch greifbar. "Die Fraktionsvorsitzenden wurden bereits im vergangenen Herbst im November informiert. Es gab einen langen Meinungsbildungsprozess", sagt Robert Drews, Fraktionsvorsitzender der SPD im Stadtrat. Es habe genügend Zeit gegeben, Unklarheiten zu beseitigen.
Projekt "Demokratie leben!": CDU sieht Intransparenz bei Vorbereitung
Während der Stadtratssitzung hatte es noch diverse Nachfragen zu Umsetzung gegeben. Einem CDU-Stadtrat war einfach nur der Eigenanteil der Stadt von 4.500 Euro zu viel. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Thomas Böder spricht gegenüber dem MDR von "schlechter Kommunikation durch den Bürgermeister". Man habe nicht gewusst, dass das Projekt "Demokratie leben!" bereits auch schon beim Altmarkkreis Salzwedel existiert. "Dann hätte man es auch dort mit ansiedeln können", sagt Böder.
Auch Sabine Danicke von der Freien Fraktion spricht von "schlechter Kommunikation der Verwaltung und widersprüchlichen Angaben". Sie selbst habe aber dennoch zugestimmt, sagt die ehemalige Oberbürgermeisterin, einige Fraktionskollegen waren die Ausführungen zum Projekt nicht ausreichend genug.
Meine Enttäuschung zur ablehnenden Haltung des Stadtrates mit den damit verbundenen Folgen habe ich bereits zum Ausdruck gebracht
Bürgermeister Olaf Meining (parteilos) will sich zu der Angelegenheit nicht äußern. Auf eine MDR-Anfrage sagt er: "Meine Enttäuschung zur ablehnenden Haltung des Stadtrates mit den damit verbundenen Folgen habe ich bereits zum Ausdruck gebracht – dies auch unter dem Aspekt, dass zwei Wochen vor der Stadtratsentscheidung im vorberatenden Hauptausschuss noch mit großer Mehrheit (7 Ja, 2 Nein) für die Beschlussvorlage votiert wurde."
Die AfD hatte bereits von Anfang an gesagt, dass sie nicht zustimmen. Sie sah "linke politische Einflussnahme" durch das Projekt. Warum die CDU am Ende auch geschlossen dagegen war, erklärt deren Fraktionschef Böder mit den vielen aus seiner Sicht Ungereimtheiten. Dazu gehöre auch, dass rund 65.000 Euro des Fördergeldes für eine Koordinationsstelle ausgegeben werden soll. Ohne Ausschreibung habe dies an den Verein Miteinander e.V gehen sollen.
Stadtrat in Salzwedel verliert Fördergelder vom Bund
Dass dies so vorgesehen und auch die Förderrichtlinien gedeckt ist, stand in der Beschlussvorlage zum Stadtrat schwarz auf weiß geschrieben. Dass viel Fördergeld für die Stadt mit dem ablehnenden Beschluss drangegeben wurde, war für alle Stadträte eindeutig erkennbar. Dass es im Stadtrat dann sogar bei der Verkündung der Ablehnung noch Applaus von einigen Stadträten gab, irritierte so manchen.
Wir haben eine Finanzierung auf dem Silbertablett serviert bekommen
"Der finanzielle Schaden ist das eine", sagt Robert Drews (SPD), aber dass man den Jugendlichen mit dem Beschluss "vor den Kopf stoße", wiege genauso schwer, findet er. Man habe als Stadtrat ein Jugendforum angestoßen und habe nun eine Finanzierung und damit auch professionelle Begleitung "auf dem Silbertablett serviert" bekommen, sagt Drews. Dies abzulehnen, sei schon absurd.
"Das ist nicht mehr kompensierbar", sagt Cathleen Hoffmann. Sie ist Bildungsreferentin beim Verein Miteinander e.V. und auch parteiloses Mitglied der SPD-Stadtratsfraktion. Über acht Jahre hinweg sei es um mehr als eine Million Euro Fördergeld gegangen. Hoffmann war als Koordinatorin für das Bundesprojekt vorgesehen gewesen. "Die Entscheidung, wer mit wie viel Geld gefördert wird, hätte nicht bei mir gelegen", stellt sie klar. Ein Bündnis aus Vereinen und Institutionen hätte dies übernommen, so wie es hundertfach auch in anderen Kommunen passiert.
Keine "Partnerschaft für Demokratie" in Salzwedel
Nahezu alle Regionen von Sachsen-Anhalt sind im Programm "Partnerschaft für Demokratie" vertreten, Salzwedel sollte nun in der dritten Förderperiode dazu kommen. Bis auf das Jerichower Land sind alle Landkreise und darüber hinaus 13 größere Städte vertreten. Millionen an Fördergeld geht dadurch für demokratische Bildung an die klammen Kommunalkassen.
Da die Entscheidung des Stadtrates bindend ist, gibt es derzeit keine Option, die Partnerschaft für Demokratie in der Hansestadt Salzwedel umzusetzen
Wenn man zur jährlichen Förderung des Bundes von 140.000 Euro noch den Landeszuschuss von 8.000 Euro sowie einen Eigenanteil von 6.500 Euro dazurechnet, dann hätte sich auch für Salzwedel die zur Verfügung stehende Summe über acht Jahre auf rund 1,2 Millionen Euro summiert. "Wir bedauern das sehr", sagt Pressesprecher Dominik Lenz aus dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. "Da die Entscheidung des Stadtrates bindend ist, gibt es derzeit keine Option, die Partnerschaft für Demokratie in der Hansestadt Salzwedel umzusetzen", heißt es.
Lösung zur Umsetzung von Demokratieprojekte gesucht
Als Minimallösung wird derzeit noch daran gearbeitet, dass Projekte aus der Stadt Salzwedel über die Projektstelle des Altmarkkreises Salzwedel angemeldet werden können. "Das war bislang auch so", sagt Anne Stein, die seit zehn Jahren bereits die kreisweite Koordination mit dem Verein zur Förderung der Bildung (VFB) übernimmt. "Da die Stadt Salzwedel ein eigens Förderprogramm bekommen sollte, sind Projekte aus der Stadt bei uns für die kommenden Förderperiode explizit ausgeschlossen worden", sagt Stein. Es werde an einem Änderungsbescheid gearbeitet.
Die Expertin regt an, dass man bei der Stadt auch noch einmal darüber nachdenken solle, die Beschlussvorlage in einem halben Jahr doch noch einmal in den Stadtrat zu bringen und vielleicht doch noch zu retten, was eigentlich schon verloren scheint.
MDR (Bernd-Volker Brahms, Cynthia Seidel)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 11. April 2025 | 19:00 Uhr
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