Windräder und Hochspannungsleitungen in der Morgendämmerung
Schleswig-Holstein unterstützt die Idee von Stromtarifzonen. Sachsen-Anhalt sieht auch Vorteile, geht aber zugleich davon aus, dass die Preisunterschiede nicht gravierend sein werden. Bildrechte: picture alliance/dpa | Henning Kaiser

Vorschlag Warum Ökonomen Deutschland in Strompreis-Zonen aufteilen wollen

09. August 2024, 09:48 Uhr

Zwölf Ökonomen fordern in einem Artikel in der FAZ eine Aufteilung des Strommarkts. Denn: Energieversorger kaufen Strom an der Strombörse. Dort wird ein Preis für ganz Deutschland ermittelt. Der bildet Angebot und Nachfrage nach Ansicht der Ökonomen aber nicht gut ab. Was sie stattdessen vorschlagen und was das für Verbraucher bedeuten könnte.

Ralf Geißler, Wirtschaftsredakteur
Bildrechte: MDR/Isabel Theis

Der deutsche Strommarkt funktioniert nicht gut. So sieht es Veronika Grimm, Wirtschaftsweise und eine der Autorinnen des FAZ-Artikels. Im Norden gebe es überschüssigen Windstrom, im Süden herrsche oft Mangel. Trotzdem gebe es an der Börse nur einen deutschen Strompreis. Dabei könne der Überschuss aus dem Norden oft gar nicht in den Süden transportiert werden.

Strommarkt teilen für bessere Chancen für Regionen

Veronika Grimm
Wirtschaftsweise Veronika Grimm Bildrechte: picture alliance/dpa | Bernd von Jutrczenka

Grimm würde den Markt deshalb aufteilen. Sie sagt, es gehe generell darum, Angebot und Nachfrage besser in Einklang zu bringen. "Der Preis wäre zum Beispiel im Norden, wenn viel Wind weht, sehr niedrig, da sehr viel Angebot da ist im Vergleich zur Nachfrage", erklärt Grimm: "Im Süden, wo der Wind nicht verfügbar ist und Netzengpässe verhindern, dass der Windstrom in den Süden geleitet wird, da wäre der Strompreis in dem Moment etwas höher."

Mit geteilten Märkten hat der Süden laut Grimm mehr Anreize, die eigene Stromerzeugung auszubauen. Die norddeutschen Länder könnten mit ihren Stromüberschüssen energieintensive Branchen anwerben.

Schleswig-Holstein begrüßt Idee, Sachsen-Anhalt ist zurückhaltend

Das windreiche Schleswig-Holstein unterstützt die Idee. Das Energieministerium von Sachsen-Anhalt sieht Vor- und Nachteile. Es schreibt, Verbraucher in dem Bundesland könnten von einer Aufspaltung der Strommärkte profitieren: "Regionale Strombörsen würden voraussichtlich zu sinkenden Preisen für Endkunden in Sachsen-Anhalt führen; der Effekt dürfte jedoch begrenzt ausfallen." Aktuelle Studien gingen von Preisunterschieden zwischen 0,5 und 2 Cent je Kilowattstunde aus.

Kritik von Strombörse EEX und Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft

Grauer Wolkenkratzer mit kleinen Fenstern – City-Hochhaus – in 70er-Jahre-Stil in Stadtmitte von Leipzig, deutlich kleinere Gebäude in dichter Bebauung drum herum, Beschriftung "eex" an Hochhaus.
Sitz der Strombörse EEX in Leipzig Bildrechte: imago/Dirk Sattler

Kritik an der Idee, den deutschen Strommarkt aufzuteilen, kommt von der Energiewirtschaft, allen voran von der EEX, der größten Strombörse Europas, mit Sitz in Leipzig. Aus Sicht von Abteilungsleiter Daniel Wragge ist ein großer, gemeinsamer Strommarkt gut. Denn je mehr Marktteilnehmer es gäbe, desto einfacher fänden Stromanbieter und Energieversorger auch zusammen.

"Umso günstiger ist das für alle, weil einfach die Möglichkeit besteht zu jedem Zeitpunkt zu kaufen und zu verkaufen", sagt er. Das sei gerade wichtig bei der Integration von Erneuerbaren Energien. "In Zeiten, wo keine Sonne scheint, wo kein Wind weht, kann jederzeit Strom beschafft werden."

Ähnlich argumentiert der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft. Auch er spricht sich für den Erhalt eines einheitlichen deutschen Strommarktes aus. Eine Aufteilung würde aus Sicht des Verbandes zwar zu sinkenden Preisen im Norden führen, aber auch die Energiewende als Ganzes ausbremsen. "Im Norden herrschen in Deutschland die besten Bedingungen für den Ausbau der Windenergie. Läge der Strompreis in einer norddeutschen Preiszone jedoch deutlich niedriger als in der gemeinsamen Preiszone, wäre es für Investoren nicht mehr attraktiv, im Norden Windräder zu bauen", argumentiert er.

Bundeswirtschaftsministerium gegen Teilung

Das Thema ist komplex. Das Bundeswirtschaftsministerium steht bislang auf Seiten derer, die den Strommarkt nicht aufteilen wollen. Es setzt auf den Ausbau von Stromleitungen, um Angebot und Nachfrage zwischen Nord und Süd auszugleichen.

Im Modell der zwölf Ökonomen wäre ein Netzausbau im geplanten Ausmaß dagegen unnötig. Auch das, so argumentieren sie, würde Kosten sparen, insbesondere den Verbrauchern im Norden.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 09. August 2024 | 06:12 Uhr

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