Müllverbrennung Unerwartete Gewinne: Wie der hohe Strompreis die Müllgebühren drücken könnte
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12. Januar 2023, 05:21 Uhr
Die Müllverbrennungsanlage in Zella-Mehlis verbrennt Müll und erzeugt dabei Strom. Für den gab es im vergangenen Jahr hohe Gewinne. Das Geld wird nun erstmal gespart - doch auch eine Gebührensenkung scheint möglich.
In der Müllverbrennungsanlage in Zella-Mehlis landet Müll aus dem Wartburgkreis, aus den Kreisen Sonneberg, Hildburghausen, Schmalkalden-Meiningen und der Stadt Suhl. Der in der Anlage erzeugte Strom konnte im letzten Jahr für ein Vielfaches der erwarteten Preise verkauft werden.
Das verwandelt sich aber nicht in einen Reingewinn: Kosten sind gestiegen, etwa für die Abgasbehandlung. Zudem ist eine Übergewinnsteuer angekündigt, die Teile der hohen Gewinne abschöpfen soll. Wie die genau aussieht, ist aber noch nicht klar. Das Geld dürfte also erstmal auf die hohe Kante gelegt werden, ehe über eine mögliche Gebührensenkung entschieden wird.
20 Tonnen Abfall pro Stunde
Von draußen ist kaum zu erkennen, was im Gebäude passiert. Die "Restabfallbehandlungsanlage Südwestthüringen" steht zwischen Suhl und Zella-Mehlis, direkt unterhalb der Autobahn und sieht unscheinbar aus. Jedenfalls nicht danach, dass hier mehr als 20 Tonnen Abfall pro Stunde verbrannt werden können.
Das meiste davon ist Hausmüll, aber auch Sperrmüll oder Straßenkehricht gehören mit dazu. "Unsere Aufgabe ist die thermische Behandlung der Abfälle", erklärt Geschäftsleiter Marius Stöckmann etwas verklausuliert. Denn deponiert werden darf Restmüll in Deutschland nicht mehr.
Beim Müllverbrennen wird Strom erzeugt
Stattdessen wird Restmüll vielerorts im Land verbrannt, zum Beispiel eben in Zella-Mehlis oder Erfurt. Damit das möglichst effizient passiert, nutzt der Zweckverband für Abfallwirtschaft Südwestthüringen in seiner Anlage das Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung.
Das Feuer im 30 Meter hohen Brennraum heizt Wasser - und der so gewonnene Dampf wird ins örtliche Fernwärme-Netz eingespeist. Und der 380 Grad heiße Dampf strömt mit 40 Bar in eine Dampfturbine, die einen Generator antreibt. Und da wird Strom erzeugt. "Meistens mit einer Leistung von 8 bis 13 Megawatt", sagt Stöckmann und blickt auf den großen Kontrollbildschirm, wo zwei Mitarbeiter die Anlage überwachen. Zum Vergleich: Ein großes Kernkraftwerk kommt auf eine Leistung von 1.000 Megawatt.
Dieser Strom beschert dem Zweckverband unerwartete Mehreinnahmen, denn er wird seit etwa anderthalb Jahren immer höher vergütet. Seit dem Ukraine-Krieg noch mehr.
In der Spitze hatten wir letztes Jahr über 500 Euro pro Megawattstunde.
Teuerster Anbieter gibt Strompreis vor
Die Preisbildung funktioniert so: Bis 10:30 Uhr meldet die Anlage in Zella-Mehlis, wie sie am nächsten Tag liefern könnte. Und bekommt dann bis 13 Uhr die Rückmeldung, zu welchem Preis abgenommen wird. Da fließt unter anderem die Wetterprognose ein, um zu ermitteln, wie viel Strom aus Wind geliefert werden kann.
Auch andere Kraftwerke bieten an. Dann kaufen die Stromanbieter an der Leipziger Börse noch so viel an, wie sie brauchen und nicht schon langfristig eingekauft haben. Dabei gilt das sogenannte Merit-Order-Prinzip. Es gilt nicht der billigste Preis oder ein mittlerer Preis. Sondern die Leistung des teuersten Kraftwerks, die an dem Tag gekauft wird, gibt den Preis vor. Das waren zuletzt die Gaskraftwerke, denn Gas ist schon vor dem Krieg im Preis gestiegen - und seit Kriegsbeginn besonders teuer.
15 Millionen Euro mehr eingenommen
Nutznießer sind für den Moment Windpark-Betreiber, aber auch Kohlekraftwerke und Müllverbrennungsanlagen. Die bekommen fürs Verbrennen des Mülls sogar Geld, weil in einem normalen Jahr zwischen 30 und 50 Euro für eine Megawattstunde Strom bezahlt wurden. "Geplant hatten wir für dieses Jahr 30 bis 35 Euro", sagt Stöckmann.
Geworden sind es dann im Schnitt 230 Euro. Bei 65.000 bis 66.000 Megawattstunden entstehen so statt zwei bis drei Millionen Euro Einnahmen fast 15 Millionen Euro. Gewinn darf der Zweckverband aber nicht erzielen. "Prinzipiell sind das Erlöse, die dem Gebührenzahler zur Verfügung zu stellen sind", sagt Stöckmann. Denn erzielt habe man sie mit Abfall aus dem Verband. Also wird der Verband wohl die Gebühren für die Abfallbehandlung senken. Für vier Jahre sind die jeweils kalkuliert, die nächste Kalkulation ist fürs Jahr 2024 fällig.
Was vom "Übergewinn" abgeschöpft wird, ist bisher unklar
Doch es gibt noch eine Reihe von Unbekannten. Unklar ist einerseits, ob der Strom im kommenden Jahr immer noch so teuer ist oder sich der Markt beruhigt. Unklar ist aber auch, in welcher Höhe die Bundesregierung den Übergewinn abschöpfen wird. "Die EU hat eigentlich recht klare Vorgaben gemacht."
Was über 180 Euro pro Megawattstunde liegt, wird zu 90 Prozent abgeschöpft. Ob das in Deutschland tatsächlich so umgesetzt wird, ist noch immer nicht klar. Es würde etwa drei Millionen Euro des zusätzlichen Erlöses kosten und soll die Preisdämpfungsmaßnahmen der Regierung finanzieren helfen. Ebenfalls unklar ist, ob ab 2024 eine CO2-Abgabe auch in der Müllverbrennung erhoben wird.
"Wir können ja eigentlich nicht steuern, was in den Abfall geworfen wird", sagt der Geschäftsleiter. Zudem sei man gesetzlich verpflichtet, den Abfall zu verbrennen. Dass darauf dann Steuern erhoben werden, sei nicht gerecht. Wird die Steuer fällig, verteuert das die Müllgebühren, was dann wohl doch eine Lenkungswirkung haben könnte. 123,80 Euro berechnet der Zweckverband den angeschlossenen Kreisen für eine Tonne Müll.
Müllgebühren für die Kreise könnten fallen
Was mit der Müllverbrennung an Einnahmen erzielt wird, also über Fernwärme oder Strom, dämpft die Kosten. "Und zum Beispiel eine Lkw-Ladung Ammoniak für die Abgas-Reinigung kostet wegen der höheren Preise jetzt 20.000 statt 2.000 Euro." Der höhere Gewinn wird also an vielen Stellen angenagt.
Trotzdem ist Stöckmann sicher: "Der Preis für die Abfallbehandlung pro Tonne wird sich in der nächsten Gebührenperiode zu verändern haben. Vermutlich wird er fallen." Die 123,80 Euro pro Tonne könnten weniger werden. Die Gebühren für die Verbraucher setzen allerdings die Kommunen fest.
Wird der Strompreis negativ, liefert die Müllverbrennung nicht
Die Stromlieferungen unterbrechen musste das Kraftwerk übrigens nur selten. "350 Megawattstunden hätten wir vielleicht mehr liefern können letztes Jahr." Aber wenn der Preis für einzelne Stunden ins Negative falle, meist weil Windräder und Solaranlagen den Bedarf komplett deckten, speise man nicht ein, sondern lasse den Dampf abkühlen und die Wärme in die Umwelt entweichen.
"Denkbar wäre aber auch, dass wir mit Strom, den wir nicht einspeisen, eine Elektrolyse zur Wasserstoff-Gewinnung antreiben." Aber wohl auch wegen abgeschalteter Atomkraftwerke sei das 2022 seltener der Fall gewesen.
Verglichen mit einem solchen Atomkraftwerk ist die gelieferte Strommenge nur klein. Die 65.000 Megawattstunden könnten zwar ein Elektrofahrzeug wie einen Tesla mit einer Standard-Batterie theoretisch eine Million Mal aufladen. Doch der Stromverbrauch in Thüringen lag im Jahr 2019 bei insgesamt 11.600 Gigawattstunden. Die Müllverbrennung in Suhl kann da etwa 0,5 Prozent beisteuern.
MDR (ifl)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 11. Januar 2023 | 19:00 Uhr
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