Krankenkassen Teure Medikamente – Kosten laut AOK stark gestiegen
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10. November 2023, 10:39 Uhr
Die Krankenkassen sind besorgt: Medikamente werden immer teurer. Das könnte auch eine Erhöhung der Beiträge nach sich ziehen. Die Pharmaindustrie hingegen sieht keine drastischen Sprünge bei den Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenversicherungen.
- Kosten für patentgeschützte Medikamente sind stark gestiegen, obwohl sie kaum zur Versorgung beitragen.
- Pharmaunternehmen können für patentgeschützte Medikamente hohe Preise verlangen.
- Teuerungen könnten zu höheren Krankenkassenbeiträgen führen.
Der Marktbericht des wissenschaftlichen Instituts der AOK zeigt: In den vergangenen zehn Jahren sind die Kosten für Medikamente um ganze 88 Prozent gestiegen. Das liege vor allem an patentgeschützten Medikamenten, die mehr als die Hälfte der Gesamtkosten ausmachten.
Und das, obwohl sie kaum zur Versorgung beitragen würden, sagt der Geschäftsführer des wissenschaftlichen Instituts der AOK, Helmut Schröder: "Da sehen wir, dass nur knapp sieben Prozent aller Verordnungen von diesen patentgeschützten Medikamenten abgedeckt wird. Das heißt, wir geben unwahrscheinlich viel Geld aus für eine ganz kleine Population an Erkrankten."
Bis zu 20.000 Euro pro Arzneimittelpackung
Der Grund, warum ausgerechnet die patentgeschützten Medikamente so teuer sind: Pharmafirmen entwickeln ein neues Medikament – in derselben Zeit, in der es durch ein Patent geschützt ist, versuchen die Firmen hohe Preise auf dem Markt durchzusetzen.
Sie gingen in Verhandlung mit den gesetzlichen Krankenkassen, beschreibt Helmut Schröder: "Da versucht natürlich der pharmazeutische Hersteller zu sagen: Ich habe eine Alleinstellung und dieses Arzneimittel ist so gut, dass ich unwahrscheinlich viel Geld dafür haben möchte. Dann ist man in einer Verhandlungssituation und diese findet natürlich mit ungleichen Spießen statt." Zum Beispiel gehe ein pharmazeutischer Hersteller mit 10.000 Euro für eine Arzneimittelpackung in eine Verhandlung rein und lasse sich herunterhandeln auf 8.000 Euro. Laut Schröder ist es aber möglich, dass die Leistung des Arzneimittels nur 1.000 Euro wert wäre.
Mittlerweile sei man dadurch schon bei mehr als 20.000 Euro pro Packung gewesen, sagt Schröder. Als Beispiel nennt er Krebsmedikamente, bei denen Krankenkassen auch unter Druck stünden, sie zu bezahlen.
Pharmaunternehmen: Keine Mehrausgaben für Arzneimittel
Doch was sagen Pharmaunternehmen dazu? MDR AKTUELL hat den Verband forschender Arzneimittelhersteller angefragt. Der Präsident Han Steutel teilte mit: "Firmenumsätze und Unternehmensprofite werden normalerweise von Wirtschaftsprüfern bewertet und nicht von Krankenkassen. Mir scheint eine andere Kennziffer in der Diskussion zielführender: die Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung. Hier sehe ich aktuell keine Sprünge, die eine Politikintervention zu Lasten der Pharmaindustrie rechtfertigen würden."
Weiter schreibt der Verband, man brauche einen verlässlichen Marktzugang. Ohne ihn sei der Standort Deutschland nicht attraktiv und man gefährde die Versorgung mit innovativen Medikamenten.
Befürchtung: Krankenkassenbeiträge könnten steigen
Paula Piechotta ist Ärztin in Leipzig und Bundestagsabgeordnete der Grünen. Sie sagt: Die Teuerung führe automatisch auch zu höheren Krankenkassenbeiträgen. Sie fordert, vor allem auf den Zusatznutzen der Medikamente zu schauen – also welchen Mehrwert das neue Medikament im Vergleich zu schon bestehenden hat. "Wenn ein neues Medikament auf den Markt kommt, dann kann der Hersteller erstmal die ersten sechs Monate komplett allein festlegen, wie viel er dafür haben kann. Obwohl noch nicht mal klar ist, ob es einen Zusatznutzen gibt. Da muss man diskutieren, ob das so bleiben kann", sagt Piechotta.
Und: Wenn für Medikamente wirklich kein Zusatznutzen festgestellt sei, sagt Piechotta, müsse man schauen, ob diese überhaupt so vergütet werden sollten wie bisherige Therapien.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 10. November 2023 | 06:51 Uhr