
Kommentar Wer jetzt nicht investiert, riskiert mehr als nur bröselnde Brücken
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21. März 2025, 14:53 Uhr
Daten zeigen, wie kommunale Brücken in Mitteldeutschland verfallen – und mit ihnen das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger. Doch statt zu handeln, werden Sanierungen verschleppt. MDR-Datenjournalist Leonhard Eckwert findet: Wer jetzt nicht investiert, zahlt später doppelt.
Das Vertrauen in einen funktionierenden Staat beginnt auf kommunaler Ebene. Hier zeigt sich täglich, wie gut ein Land tatsächlich funktioniert.
Es zeigt sich daran, wie lange ich auf einen Termin beim Amt warten muss. In welchem Zustand sich die Klassenräume befinden. Wie gut die Straßen sind, über die ich fahre. Und es zeigt sich daran, ob ich der Brücke, die ich jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit überquere, vertrauen kann.
Eine Erhebung von MDR Data zeigt: Tausende kommunale Brücken in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sind in einem desolaten Zustand. 17 Prozent der erfassten Bauwerke müssten zeitnah saniert werden. Müssten.
Die Daten sind nicht repräsentativ. Sie decken sich aber mit den Erfahrungen und den Hilferufen aus den Kommunen. Klamme Kassen und jahrzehntelanges Wegschauen haben die Infrastruktur vieler Gemeinden zerbröseln lassen.
Ausgaben für Instandsetzungsmaßnahmen sind nicht sexy
Hinzu kommt: Geld ausgeben für Instandsetzungsmaßnahmen (schon allein das Wort!) – das ist nicht sexy. Wer kann es Bürgermeistern verübeln, wenn sie sich für den neuen Anstrich des Kindergartens entscheiden oder ihrer Freiwilligen Feuerwehr moderne Ausrüstung spendieren?
So eine Brücke hingegen: Die sieht mit bloßem Auge doch meist noch ganz gut aus. Die paar Autos, die darüberfahren, werden schon nicht so schlimm sein, könnte man meinen.
Auch kleine Brücken sind wichtig
Viele Brücken in den Kommunen sind klein. Sie führen über Bäche, über Landschaftswege oder verbinden Häuser, die durch eine Bahnstrecke vom Rest des Dorfes getrennt sind. Es sind in der Regel keine großen Autobahnbrücken, über die Hunderttausende Fahrzeuge fahren.
Und doch ist so eine Brücke für jeden Einzelnen wichtig. Das zeigt eine Brücke über die Wipper im Landkreis Mansfeld-Südharz in Sachsen-Anhalt. Sie ist in einem solch desolaten Zustand, dass Müllabfuhr und Lieferverkehr einige Anwohner des Dorfes nicht erreichen können. Hier wird der Staat seiner Verantwortung nicht gerecht.
Denn er gibt die Gesetze und Pflichten vor, nach denen sich die Kommunen richten müssen. DIN 1076 – so heißt die Brückennorm, nach der die Kommunen ihre Bauwerke regelmäßig prüfen lassen. Brückenprüfer erstellen bei Schäden daraufhin Empfehlungen.
Nicht nur mit dem Finger auf Bürgermeister und Bauämter zeigen
Die Kommunen müssten im Anschluss marode Brücken zeitnah sanieren. Doch oft fehlen ihnen schlicht die Mittel dafür. Deshalb wäre es falsch, mit dem Finger nur auf Bürgermeister und Bauämter zu zeigen.
Denn wenn der Gesetzgeber die Kommunen für zuständig erklärt, dann hat er zwei Möglichkeiten:
- Die Kommunen werden in die Lage versetzt, ihre Aufgaben zu erfüllen.
- Wir machen uns als Gesellschaft ehrlich: Wir sperren die Brücken, lassen sie vor sich hin bröckeln und entscheiden uns, dass die kleineren Bauwerke eben nicht so wichtig sind.
Klar ist: Aufschieben kostet Geld. Die Ingenieurbüros erleben täglich, wie sich kleine Schäden im Laufe der Jahre vergrößern. Ob eine offene Brückenfuge oder der erste Rost: Schäden, die kurzfristig mit wenigen Hundert Euro behoben werden könnten, kosten Jahre später Hunderttausende.
Lockerung der Schuldenbremse längt überfällig
Das Sondervermögen für Infrastruktur der neuen Bundesregierung ist deshalb das richtige Signal. Es ist längst überfällig, dass Deutschland die Schuldenbremse löst. Viel zu lange wurden wichtige Investitionen verhindert. Nicht umsonst musste beispielsweise die CDU-geführte Landesregierung in Sachsen-Anhalt bereits 2023 Gelder für den Haushalt per Notlage an der Schuldenbremse vorbei beschaffen.
Auch die neueste Umfrage des Meinungsbarometers MDRfragt zeigt: Eine Mehrheit der Befragten aus Mitteldeutschland befürwortet neue Schulden für Investitionen in die Infrastruktur.
Keine Wahlgeschenke, sondern Investitionen
Aber: Die Regierung darf die neuen Schulden nicht als Wahlgeschenke missbrauchen. Die Gelder müssen in die Infrastruktur fließen, wo sie gebraucht werden.
Dazu gehört auch, dass nicht jeder Förderantrag einer Kommune zu einem bürokratischen Kraftakt wird. Wer mit Bauämtern und Bürgermeistern in kleinen Gemeinden spricht, hört immer wieder, wie viele Unterlagen, Anträge und damit auch wie viel Personal es braucht, bis endlich Geld fließt.
Die Länder sollten ihren Kommunen einen Vertrauensvorschuss geben. Vor Ort weiß man, wofür das Geld gebraucht wird. Das heißt nicht, dass hinterher niemand kontrolliert, ob das Geld auch wirklich für Straßen und Brücken verwendet wurde. Ein kompliziertes Verfahren benachteiligt aber vor allem die kleinen Kommunen.
Politik und Verwaltung sollten langfristig denken. Jeder Euro, der heute nicht in die Infrastruktur fließt, kostet morgen doppelt. Ein Staat braucht das Vertrauen seiner Bürgerinnen und Bürger. Der beste Zeitpunkt zu handeln war gestern, der nächstbeste ist jetzt.
MDR (Leonhard Eckwert)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 21. März 2025 | 19:00 Uhr
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