Infrastruktur in Mitteldeutschland Sanierungsstau auf Lebenszeit: Kommunale Brücken in schlechtem Zustand
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21. März 2025, 14:53 Uhr
Brücken rücken erst in den Fokus, wenn sie nicht mehr halten. Eine Umfrage des MDR zeigt den Sanierungsstau bei kommunalen Brücken in Mitteldeutschland. Das Problem ist bekannt, doch viele Kommunen können die Bauwerke aus eigener Kraft nicht mehr instand halten. Die Kommunen fordern ein Umdenken.
- MDR Data hat mehr als 600 mitteldeutsche Kommunen zum Zustand ihrer Brücken befragt. Demnach ist rund jede sechste Brücke sanierungsbedürftig.
- Typischen Schäden sind Risse im Beton, Korrosion, rostige Stahlträger und kaputte Geländer.
- Einem Bauingenieur zufolge ist es an der Tagesordnung, dass kleine Mängel nicht behoben werden und sich zu großen Schäden auswachsen.
Fast jede Gemeinde in Mitteldeutschland hat sie: die große Brücke über den Bahndamm, die kleine Überführung über den Bach am Ortseingang oder die Rad- und Fußgängerbrücke, die einen Umweg erspart. Doch wer wissen will, in welchem Zustand diese Brücken sind, muss bei sämtlichen Kommunen einzeln nachfragen. Denn eine zentrale Datensammlung gibt es nicht.
MDR Data hat deshalb mehr als 600 Gemeinden, Gemeindeverbände und Kreise in Mitteldeutschland zu den Brückenbauwerken befragt, für die sie verantwortlich sind. Kommenunen müssen alle drei Jahre ihre Brückenbauwerke ausführlicher prüfen lassen. Dabei erhalten die Brücken Zustandsnoten – ähnlich wie Schulnoten. Eine Note von 3,0 oder schlechter bedeutet, dass eine Brücke sanierungsbedürftig ist.
17 Prozent der kommunalen Brücken in schlechtem Zustand
Die Antworten der teilnehmenden Kommunen zeichnen ein schlechtes Bild: In Mitteldeutschland fallen rund elf Prozent der Brückenbauwerke in die Kategorie "nicht ausreichend" (Note 3 bis 3,4). Sechs Prozent der Brückenbauwerke werden sogar mit "ungenügend" (Note 3,5 bis 4) bewertet. Diese Zahlen sind nicht repräsentativ. Sie zeigen aber, dass es um die Brückeninfrastruktur der Kommunen nicht gut bestellt ist.
Das sagen die Zustandsnoten
- 1,0 bis 2,9: "Sehr guter" bis "ausreichender Zustand".
- 3,0 bis 3,4: "Nicht ausreichender Zustand" – die Brücke sollte in naher Zukunft saniert werden.
- 3,5 bis 4,0: "Ungenügender Zustand" – erhebliche Beeinträchtigungen von Standsicherheit und/oder Verkehrssicherheit, etwa aufgrund von fehlenden Gitterstäben im Geländer, Rissen im Beton oder Korrosion.
Bei den Brücken in der Baulast von Bund und Ländern handelt es sich beispielsweise um Brücken an Autobahnen, Bundes- und Landesstraßen. Ihre Zustandsnoten werden von der Bundesanstalt für Straßen- und Verkehrswesen und den Landesbehörden erfasst. Etwa vier Prozent dieser Brücken sind in einem besonders schlechten Zustand. Bei den kommunalen Brücken sind es nach den Ergebnissen der Umfrage rund 17 Prozent. Das heißt: Der Anteil sanierungsbedürftiger Brücken dürfte bei den Kommunen etwa viermal so hoch sein wie bei Bund und Ländern.
Wie wurden die Daten erhoben?
Der MDR hat von Dezember bis Februar sämtliche zuständigen Gemeinden, Gemeindeverbände und Kreise in Mitteldeutschland zu ihren Brücken befragt. Wir wollten wissen: Für wie viele Brückenbauwerke sind die Kommunen zuständig und welche Zustandsnoten haben sie? 377 Antworten waren vollständig genug, um in die Auswertung einzufließen. Die Ergebnisse sind jedoch nicht repräsentativ.
Zu Brückenbauwerken zählen neben klassischen Straßenbrücken auch Durchlässe (z.B. Überbrückungen von kleinen Straßengräben unter zwei Meter Länge), Stützwände und Lärmschutzwände als Teil von Brücken. Die Kommunen haben keine einheitlichen Angaben zu den verschiedenen Bauwerksarten gemacht. Daher sollten beim direkten Vergleich einzelner Gemeinden nur vorsichtige Schlüsse gezogen werden. Nach Angaben einiger Kommunen beziehen sich manche Angaben auf einen älteren Stand, da neuere Untersuchungen noch nicht abgeschlossen sind.
Die Angaben der Gemeinde Gardelegen wurden bei der Berechnung auf Landesebene nicht berücksichtigt. Die Angaben der Kommune sind absolute Ausreißerwerte. Aufgrund der Flächengröße ist der Gemeinde nur eine sehr grobe Schätzung möglich, die das Gesamtergebnis aller Kommunen verzerren würde.
Sachsen-Anhalt: Ein Viertel der Brücken mit erheblichen Schäden
Zwischen den Bundesländern gibt es große Unterschiede. In Sachsen-Anhalt weisen nach Angaben der Kommunen rund ein Viertel der Brücken erhebliche Schäden auf. Vor allem in der Börde und im Mansfeld-Südharz besteht in vielen Gemeinden ein großer Sanierungsstau. Hier sind demnach rund 40 Prozent der Brücken sanierungsbedürftig. In Halle liegt dieser Anteil bei lediglich 6 Prozent.
19 Prozent der Brücken in Thüringen sanierungsbedürftig
In Thüringen sind 19 Prozent der Brücken in den teilnehmenden Kommunen dringend sanierungsbedürftig. Im Landkreis Hildburghausen und im Unstrut-Hainich-Kreis trifft dies sogar auf rund ein Drittel der Brücken zu. Auch hier haben die größeren Städte weniger Sanierungsstau: In Weimar und Jena befinden sich weniger als zehn Prozent der untersuchten Bauwerke in einem schlechten Zustand.
Mehr als die Hälfte der Brücken in Sachsen befriedigend oder besser
Sachsen schneidet im mitteldeutschen Vergleich am besten ab: Mehr als die Hälfte der Brückenbauwerke erhält die Prüfnote befriedigend oder besser. Allerdings: Mit 13 Prozent ist der Anteil der stark sanierungsbedürftigen Bauwerke immer noch doppelt so hoch wie bei den Bauwerken des Landes und des Bundes.
Die Dresdner Brücken haben durch den Einsturz der Carolabrücke traurige Berühmtheit erlangt. Dabei ist nur rund jede zwanzigste Brücke in der Stadt in einem sanierungsbedürftigen Zustand. Eine davon ist die Blasewitzer Brücke – auch als Blaues Wunder bekannt. Die Stadt hat mit der Sanierung bereits begonnen.
Insgesamt lässt sich aus den Daten ableiten, dass der Anteil sanierungsbedürftiger Brücken in kleineren Gemeinden besonders hoch ist. Die Brücken in der Baulast der Landkreise und der Großstädte befinden sich tendenziell in einem besseren Zustand.
Typische Schäden: Risse, Rost und Reparaturstau
Dass eine Brücke sich in einem schlechten Zustand befindet, bedeutet jedoch nicht, dass sie akut einsturzgefährdet ist. Spricht man mit verschiedenen Ingenieurbüros, die regelmäßig Brücken in Mitteldeutschland prüfen, so werden andere Probleme deutlich.
Aus den Prüfberichten der Kommunen gehen die typischen Schäden hervor: Risse im Beton oder in der Fahrbahndecke. Stahlträger rosten, Geländer sind kaputt. Oft stellen die Prüfer Schäden an den massiven Unterbauten an den Brückenenden fest, den sogenannten Widerlagern. Teilweise liegen auch Bewehrungen frei, also verstärkende Stahlteile im Beton.
Nicht behobene Mängel: "Das ist an der Tagesordnung"
Einzelne Mängel sind nicht unmittelbar ein Problem. Die Gefahr entsteht in der Summe, vor allem, wenn die Instandsetzung hinausgezögert wird. Bauingenieur Ingo Kittler prüft Brücken in ganz Mitteldeutschland. In seiner täglichen Arbeit sieht er viele verschleppte Schäden.
"Ich prüfe alle drei Jahre Brücken und stelle Mängel fest. Mein Auftraggeber sagt dann: Er versucht, sich darum zu kümmern", sagt Kittler. "Wenn ich drei Jahre später wieder prüfe, stelle ich fest: Da ist nichts gemacht worden. Die Schäden haben sich vergrößert. Das ist bei uns an der Tagesordnung."
Das Problem: Kleine Mängel wachsen sich zu teuren Schäden aus. Der Brückenprüfer gibt ein Beispiel: "Eine offene Fuge instand zu setzen, kostet ein paar hundert Euro. Wenn ich das nicht mache, kostet das in drei Jahren mehrere zehntausend Euro. Und wenn ich das auch nicht schaffe, bin ich schnell bei über hunderttausend Euro und muss mich fragen: Kann ich das Bauwerk überhaupt noch nutzen?" Auch andere Ingenieurbüros bestätigen dem MDR, dass angemahnte Mängel an kommunalen Brücken auch bei Folgeprüfungen immer wieder auftauchen.
Kommunen: Kein Personal und kein Geld
Gleichzeitig gibt es Verständnis für die Kommunen. Denn ihnen fehlt vor allem eines: Geld. Die Mehrheit der Kommunen, die in der MDR-Umfrage ihren Investitionsbedarf für Brücken in den kommenden zehn Jahre beziffern, schätzen ihn auf Beträge zwischen einer und zehn Millionen Euro. Die Landkreise Harz und Görlitz veranschlagen sogar mehr als 50 Millionen Euro.
Geld, das die Kommunen nicht haben. Aus ihren Antworten geht hervor, dass die Eigenmittel schon lange nicht mehr ausreichen. Ohne Zuschüsse aus Förderprogrammen lasse sich kaum noch sanieren oder neu bauen.
Außerdem fehlt es an Personal. Das zeigt sich nicht nur in der Umfrage, sondern auch in Gesprächen mit Bauämtern. Hohe Krankenstände und unbesetzte Stellen sind an der Tagesordnung. Hinzu kommen immer mehr Aufgaben für einzelne Mitarbeiter.
Unbürokratische Fördermittel sind notwendig
Der Wunsch ist deshalb nicht nur einfach mehr Geld, sondern auch eine Entlastung durch einen einfacheren Zugang zu Fördermitteln. Aus mehreren Gemeinden heißt es, dass allein die Beantragung sehr zeitaufwendig sei. Vor allem kleinere Gemeinden mit wenig Personal im Bauamt hätten so häufiger das Nachsehen.
Das auf Bundesebene beschlossene Sondervermögen für Infrastruktur könnte ein Schritt in die richtige Richtung sein. Um den über Jahrzehnte entstandenen Sanierungsstau in den Kommunen abzubauen, braucht es jedoch einen langen Atem.
MDR (David Wünschel, Julia Bartsch, Leonhard Eckwert, Fabian Frenzel, Maximilian Schörm)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 21. März 2025 | 19:00 Uhr
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