
Probleme in Kommunen Kein Geld, keine Leute, zu viel Bürokratie: Darum stocken Brücken-Arbeiten in Sachsen
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21. März 2025, 15:00 Uhr
In Sachsen kümmern sich Bund, Land und Kommunen um Brücken, je nach Trägerschaft. Weil Fördermittel knapper werden, steigen die Eigenanteile für Gemeinden, wenn sie eine Förderung beantragen. Viele können sich Förderprogramme zum Brückenbau nicht mehr leisten. Auch in Eigenregie sind Bauarbeiten oder Ersatzbrücken nicht bezahlbar. Eine umfangreiche Recherche von MDR Data zeigt, wie groß die Probleme in sächsischen Kommunen sind. Bauämter kennen die Ursachen und Abhilfe.
Wie ist der Zustand der kommunalen Brücken in Sachsen wirklich
Der Anlass: Weil es keine zentrale Übersicht über kommunale Brückenbauwerke gibt, bis auf die, die Länder und der Bund instandhalten, hat MDR Data alle Kommunen in Mitteldeutschland angeschrieben und gefragt: Wie viele Brückenbauwerke haben Sie? Und in welchem Zustand sind sie? Von 421 Kommunen in Sachsen haben 181 geantwortet (42 Prozent).
Ergebnisse für Sachsen
Laut sächsischen Kommunen, die geantwortet haben, sind vier Prozent der Brückenbauwerke ungenügend und neun Prozent in nicht ausreichenden Zustand (gesamt 13 Prozent). Damit steht Sachsen im Vergleich zu Thüringen und Sachsen-Anhalt besser da. Die meisten Brücken sind verkehrssicher. Aber es gibt auch in Sachsen viele Probleme.
Wie groß sind die Probleme?
Beispiel Käbschütztal (Kreis Meißen): Die Kommune hat 23 Brücken in Obhut. Davon sind vier in nicht ausreichendem Zustand und elf in ungenügendem Zustand. Die Brücke über den Käbschützer Bach am einstigen Bahnhof ist gesperrt. Das ist eine Natursteingewölbebrücke, die ums Jahr 1800 gebaut wurde. Das Gewölbe ist laut Gemeinde einsturzgefährdet. Bürgermeister Frank Müller sagt zur Lage: "Geld kann mir für alle Baumaßnahmen nur der Freistaat geben."
Beispiel Leutersdorf (Kreis Görlitz): Von 36 Brücken sind vier in nicht ausreichendem Zustand und drei ungenügend. Eine dieser Brücken ist bereits eingestürzt, gesperrt und soll noch 2025 neu gebaut werden. Die anderen beiden haben Lastbeschränkungen und eine Fahrbahnverengung. Die Gemeinde schätzt, dass sie für die sieben schlechten Brücken Ersatzneubauten braucht, was 1,54 Millionen Euro kosten würde.
Förderungen für Straßen und Brückenbauten sind seit Jahren rückläufig und daher die notwendige Umsetzung der Baumaßnahmen schwierig.
Beispiel Glauchau (Kreis Zwickau): In Regie der Stadt sind 59 Brückenbauwerke. Davon sind neun in nicht ausreichendem Zustand und fünf ungenügend. Dazu zählt auch die Albanbrücke, die nur noch eingeschränkt befahrbar ist. Die Stadt rechnet mit zehn bis 49 Millionen Euro für den Brückenerhalt. Glauchau nennt als Erschwernis auch das "hohe Alter der Brücken: In Glauchau gibt es 14 Brücken aus den Baujahren 1900 bis 1934, die aktuell in der Notenkategorie von 2,9 bis 4,0 sind".
Warum werden kaputte Brücken nicht saniert - woran hakt's?
Die meisten Kommunen, die einen Investitionsbedarf in den nächsten Jahren abschätzen können, veranschlagen dafür ein bis zehn Millionen Euro Kosten. Geld, das viele Gemeinden nicht haben. Sie können oft auch nicht den Eigenanteil aufbringen, der nötig ist, wenn Fördergeld vom Land fließen sollen.
Kommunen haben kein Geld
Das Bauamt der Stadt Waldheim (Kreis Mittelsachsen) nennt "den Gesamtzustand äußerst unbefriedigend. Ohne ausreichende Förderung durch Bund und Staat wird der weiter steigende Sanierungsbedarf nicht möglich sein. Sowohl die kommunalen Mittel als auch der Personalbedarf zur vollumfänglichen Überwachung und Unterhaltung sind nicht ausreichend."
Die Gemeinde Demitz-Thumitz (Kreis Bautzen) bringt es auf den Punkt: "Da selbst eine kleine Brücke über ein fließendes Gewässer mittlerweile bei Gesamtkosten von ca. 400.000 Euro liegen, ist eine Sanierung dieser Brücken nur über Förderprogramme möglich, die nur einen geringen Eigenanteil verlangen. Eine Sanierung aus Eigenmitteln ist nicht möglich."
Folgen von Bürokratie und gestiegenen Baukosten
Unzureichende Förderung und zu wenig Personal für die Vorbereitung und Umsetzung der Brückenarbeiten findet auch Limbach-Oberfrohna (Kreis Zwickau) problematisch, ebenso den "unzureichender Planungsvorlauf und ewig lange Genehmigungsfristen". Die Planfeststellung und Baukosten, um den Forderungen von Behörden zu entsprechen, seien so hoch, "dass das durch Eigenmittel nicht gedeckt" werde.
Wir fahren unsere Infrastruktur auf Verschleiß.
Auch die Baupreise belasten die Gemeinden. Werdau im Kreis Zwickau bilanziert: "Die Baupreisinflation in Summe der vergangenen fünf Jahre liegt über 35 Prozent. Es fehlen ausreichend finanzierte Förderungen für Investitionen in unsere Brücken. Ebenso verfügen wir nicht über ausreichende Finanzmittel im kommunalen Haushalt zur regelmäßigen, umfassenden Unterhaltung."
Personalprobleme überall
Die Kommune Großrückerswalde nennt als besondere Herausforderung "neben der Bereitstellung der Fördermittel die personelle Ausstattung der Verwaltung", also Personal, das Fördermittel beantragt, überwacht und abrechnet "nebst allen Vergabekriterien sowie der Maßnahmeumsetzung".
Es fehlen demnach nicht nur Verwaltungsmitarbeiter, sondern auch Mitarbeiter für die systematische Prüfung der Brücken. Besonders ländliche Gemeinden fühlen sich belastet, wie zum Beispiel Malschwitz (Kreis Bautzen): "Bei 60 Brücken für eine kleine Landgemeinde ist der Prüfturnus von drei bzw. sechs Jahren nicht umfassend leistbar." Mit jeder Prüfung seien Arbeiten nötig, die den Brückenzustand verbessern sollen.
"Dies ist im vollen Umfang kaum leistbar. Von 60 uns bekannten Bückenbauwerken wurden bisher 23 gemäß DIN 1076 geprüft. Derzeit sind 8 weitere Bauwerke in der Prüfung. Die personellen Herausforderungen in einer kleinen Landgemeinde mit gerade einmal 4 Bauamtsmitarbeitern sind ebenso gravierend, wie die geringe Mittelausstattung für Unterhaltung bzw. Ersatzneubau."
Probleme mit beteiligten Firmen
Reichenbach im Vogtland hat schon Sanierungspläne für 18 Brückenbauwerke vorliegen. Aber: "Aus finanziellen Gründen und weil es bis vor kurzem schwer war, überhaupt interessierte Firmen für diese sehr kleinteiligen Leistungen zu finden, wurden diese bisher nicht ausgeführt."
Aus Sicht des Bauamtes Lunzenau (Kreis Mittelsachsen) sind nicht nur die personellen Herausforderungen und Beschränkungen durch Bürokratie (Naturschutz, Wasserbehörde etc.) "extrem gestiegen", sondern auch die Preise für "teure Gutachten". Die Planungsbüros seien ausgelastet.
Die Personalsituation sowohl in den Kommunen als auch bei den Planungs- und Statikprüfungsbüros ist schwierig. Durch Renteneintritte fallen weitere Akteure in den nächsten Jahren aus, die nur schwer zu ersetzen sind.
Kommunen sagen, was sich ändern muss
Zusammenfassen lässt sich: Die Kommunen verlangen mehr und kontinuierlich fließende Fördermittel von Freistaat und Bund. Außerdem wünschen sie sich langfristigere Planbarkeit, weniger Genehmigungsfristen und weniger Vorgaben. Denn den kleineren Kommunen im ländlichen Raum falle es wegen der schwierigen Haushaltslagen schon schwer, die Pflichtaufgaben zu realisieren, erklärt die Verwaltungsgemeinschaft Wildenstein im Erzgebirge: "Ohne Fördermittel geht hier oftmals gar nichts".
Mehr Vertrauen, weniger Zweckbindung
Für die Verwaltungsgemeinschaft wäre "eine zweckbindungsfreie Verteilung der Mittel direkt an die Kommunen, mit der rechtlichen Befähigung und dem Vertrauen, dass die Kommunen die Finanzhilfen dort einsetzen, wo sie in der jeweiligen Kommune am dringendsten benötigt werden, ein riesiger, hilfreicher Schritt". Den müssten der Bund und der Freistaat Sachsen gehen.
Wenn ich kein Geld bekomme, dann bleibt es so, wie es ist.
Die Gemeinde Arnsdorf (Kreis Bautzen) hat weitere Vorschläge: Geld für Brückenarbeiten und Überprüfungen sollte anhand der Zahl und Längen/Höhen der Brücken vergeben werden. Die Gelder sollten innerhalb von drei Jahren verbraucht werden können, was den Verwaltungsaufwand senken würde. Und: Förderanträge sollten nicht so kleinteilig sein wie bisher. "Die Gemeinde kann viele Punkte gar nicht erfüllen und jede Gemeinde ist auch anders."
Die förderfähigen Leistungen sollten angepasst werden, findet das Bauamt der Gemeinde Leutersdorf: "Der förderfähige Anteil der Planungskosten ist meist auf 15 Prozent der Baukosten begrenzt. Das ist gerade bei Brückenbaumaßnahmen durch Statik- und Prüfungskosten nicht mehr zeitgemäß."
Die Förderanträge für die Sanierung fressen zu viele Kapazitäten.
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | MDR SACHSENSPIEGEL | 21. März 2025 | 19:00 Uhr