Energiewende Warum trotz Heizungsgesetz neue Gaskraftwerke gebaut werden

12. September 2023, 07:42 Uhr

Ab 2024 dürfen keine neuen Gasheizungen mehr eingebaut werden, wenn sie ausschließlich mit Erdgas betrieben werden können. Neue Gaskraftwerke werden hingegen noch gebaut. Das für beide Dinge unterschiedliche Regeln gelten, scheint im ersten Moment nicht nachvollziehbar. Experten erklären, wofür die Kraftwerke künftig genutzt werden sollen.

Den Zusammenhang, den Alice Weidel zwischen der langfristig angelegten Abschaffung von Gasheizungen und dem Ausbau von Gaskraftwerken zieht, den sehen Energie-Experten nicht. Im ARD-Sommerinterview hatte die AfD-Fraktionsvorsitzende daran scharfe Kritik geübt.

Einer dieser Experten ist Felix Matthes, Forschungskoordinator für Energie- und Klimapolitik am Öko-Institut: "Das ist ein Vergleich von Äpfel mit Birnen. Die Gaskraftwerke, die jetzt gebaut und in Zukunft gebaut werden müssen, werden nicht wegen der Stromerzeugung gebaut, sondern im Wesentlichen aus Versorgungssicherheitsgründen. Das sind Kraftwerke, die eine hohe Leistung haben, aber wenig betrieben werden. Das heißt, sie verbrauchen auch sehr wenig Erdgas."

Gaskraftwerke unterstützen mit erneuerbarem Gas

Denn zum Einsatz sollen die Gaskraftwerke nur dann kommen, wenn die erneuerbaren Energien nicht selbst genug Strom produzieren, sagt die Energie-Expertin der Grünen im Bundestag, Ingrid Nestle: "Wenn mal zwei, drei Wochen am Stück Wind und Sonne relativ wenig liefern, dann brauchen wir als Reserve einfach diese Kraftwerke, die dann mit erneuerbarem Gas die Versorgung sicherstellen."

Aktuell sei der Gas-Verbrauch von Haushalten, die damit heizen, um ein vielfaches höher als der Verbrauch von Gaskraftwerken, sagt Timm Kehler, Geschäftsführer des Lobbyvereins Zukunft Gas: "Wir gehen auch davon aus, dass durch einen deutlichen Ausbau der Gaskraftwerke der Gasverbrauch dort nicht unbedingt stark steigen wird, weil mit zunehmender Sonne- und Windstromproduktion die Gaskraftwerke auch weniger laufen müssen."

Grüne: Gaskraftwerke sollen nicht Wärmepumpen betreiben

Dass die Gaskraftwerke, wie von AfD-Chefin Alice Weidel behauptet, gebaut würden, um strombetriebene Wärmepumpen zu betreiben, dem widerspricht Ingrid Nestle: "Das ist nicht das Ziel. Die Wärmepumpen werden im Wesentlichen mit Strom aus Wind und Sonne laufen, der sehr kostengünstig ist. Wir müssen jetzt noch dafür sorgen, dass schnell genug Strom aus Wind und Sonne zur Verfügung steht. Dann ist definitiv die Wärmepumpe die deutlich günstigere Variante für die Menschen."

Kraftwerke sollen auf Wasserstoff umgerüstet werden

Trotzdem haben die Gaskraftwerke ein Manko. Da sie mit Erdgas betrieben werden, sind sie nicht klimaneutral. Deshalb sollen die Anlagen in naher Zukunft auf Wasserstoff umgerüstet werden.

Bis dahin seien sie die beste Zwischenlösung, sagt Benjamin Pfluger vom Fraunhofer-Institut für Energieinfrastruktur und Geothermie: "Es ist der einzig gängige Weg jetzt gerade. Solange wir Wasserstoff noch nicht in ausreichenden Mengen zur Verfügung haben, ist es sehr sinnvoll eben Erdgaskraftwerke als kleinstes Übel zu bauen, die sich später auf Wasserstoff umrüsten lassen können."

Langfristig sollen die Kraftwerke – egal ob mit Gas oder Wasserstoff – vor allem eines: sogenannte Blackouts verhindern, also großflächige Stromausfälle, die durch Versorgungslücken entstehen könnten.

Schornsteinfeger Im Bild: Schornsteinfeger auf einem Dach
Ob Heizkessel, die mit einem flüssigen oder gasförmigen Brennstoff funktionieren, ausgetauscht werden müssen, prüft aktuell der Schornsteinfeger. Den Plan, die bisherigen Vorgaben im Heizungsgesetz zugunsten des Klimaschutzes zu ändern, stößt bei MDRfragt-Mitgliedern auf wenig Zuspruch. Bildrechte: IMAGO / Steve Bauerschmidt

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 12. September 2023 | 06:05 Uhr

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