Personalnot Fachkräftemangel nicht allein durch höhere Geburtenrate zu lösen
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30. Oktober 2023, 13:36 Uhr
Der Fachkräftemangel in Deutschland ist groß. Viele Experten setzen auf qualifizierte Zuwanderung. Doch manche setzen in der Debatte auch auf mehr Geburten im Land. MDR AKTUELL-Hörer Lars Bobbe aus Wolmirsleben fragt sich, warum eine höhere Geburtenrate als langfristige politische Lösung des Fachkräfteproblems kein Thema ist.
- Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Halle: Mehr Geburten lösen nicht das akute Problem.
- Geburtenrate lag im vergangenen Jahr in Deutschland unter dem wichtigen Wert 2.
- Grund für geringe Geburten sind oftmals fehlende Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Eigentlich ist die Sache ganz einfach: Jedes Paar bekommt ab sofort mindestens zwei Kinder. Am besten sogar drei oder vier. Dann wächst die Bevölkerung. Der Fachkräftemangel wäre gelöst. Und zwar ohne Zuwanderung.
Na ja, selbst wenn wirklich jedes Paar mitmachte, gibt es immer noch ein Problem, erklärt der Ökonom Reint Gropp vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle: "Wenn wir heute die Geburtenrate erhöhen, dann nützt uns das vielleicht was, wenn diese Menschen älter sind, das heißt frühestens in 15 bis 20 Jahren." Dass unser Hörer also so häufig hört, dass nur die Zuwanderung das Fachkräfteproblem lösen könne, ist kein Wunder. Kurzfristig komme tatsächlich fast nur Zuwanderung in Frage, sagt Reint Gropp. Oder zum Beispiel eine Erhöhung des Rentenalters.
Geburtenrate lag im vergangenen Jahr unter wichtigem Wert 2
Und dennoch sollte die Politik auch langfristig denken, sagt Gropp. "Um damit auch die Geburtenrate zu erhöhen. Dann gibt es die Stellschraube eben, es attraktiver zu machen für Frauen, schneller an den Job zurückzukehren und ihre Karriere nicht für Kinder aufgeben zu müssen. Da sind Kita-Plätze entscheidend. Und die Einstellung zu ändern, gerade in Westdeutschland, dass man eine Rabenmutter ist, wenn man schnell in den Job zurückkehrt."
Die sogenannte Geburtenziffer ging 2022 gegenüber dem Vorjahr um acht Prozent zurück – auf 1,46 Kinder je Frau. Also weit unter dem wichtigen Wert 2, bei dem eine Population konstant bleibt. Andere westliche Länder schneiden kaum besser ab. Die meisten Kinder werden der Statistik zufolge in Frankreich geboren. Dort bekommt ein Paar im Schnitt 1,8 Kinder.
Fehlende Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Jedoch komme die Politik schnell an ihre Grenzen, betont Martin Bujard vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung. Ein Kind zu bekommen, sei eben eine sehr private Sache. Die Geburtenrate lasse sich nur wenig steuern. Ziel müsse daher eine Politik sein, die auf die Kinderwünsche eingeht, sagt Bujard. "Wir messen ja auch die Kinderwünsche und die ist etwa bei zwei Kindern pro Frau oder Mann. Das heißt, die Kinderwünsche sind deutlich höher als die tatsächlich realisierte Kinderzahl. Und das hat etwas zu tun mit fehlender Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Und wenn die Rahmenbedingungen besser sind, dann fangen Paare früher an, den Wunsch umzusetzen."
Die Liste möglicher Maßnahmen für eine bessere Geburtenrate ist lang. Mehr Kitaplätze, mehr Elterngeld, mehr Elternzeit, Ganztagsbetreuung, gleitende Arbeitszeiten, Förderung von Alleinerziehenden, Abschaffung des Ehegattensplittings.
Lösung des Fachkräfteproblems nur mit Zuwanderung und mehr Geburten
All das sei dem grün geführten Familienministerium durchaus bewusst, sagt die Grüne Familienpolitikerin Ulle Schauws. Doch es gebe noch Verbesserungspotential. "Da sind wir noch nicht am Ende der Fahnenstange. Das aber gegen die Frage der Zuwanderung zu stellen, halte ich für eine falsche Diskussion. Weil wir brauchen beides."
Eine gute Idee kommt übrigens aus Frankreich. Dort zahlen kinderreiche Familien praktisch überhaupt keine Einkommenssteuer mehr. In Deutschland jedoch wird das noch nicht diskutiert.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 30. Oktober 2023 | 06:24 Uhr