Europäische Union 20 Jahre EU-Osterweiterung: Was hat das der Wirtschaft gebracht?
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01. Mai 2024, 05:00 Uhr
Vor zwanzig Jahren wurde die Europäische Union erheblich größer. Gleich zehn Länder Osteuropas traten am 1. Mai 2004 der EU bei. Doch es gab damals neben Euphorie auch viel Skepsis. Vor allem stellte sich die Frage: Wie werden die deutlich schlechter entwickelten Volkswirtschaften Osteuropas den Beitritt verkraften? Und was bringt er Deutschland? Die Skepsis war damals groß, doch heute sieht die Bilanz sehr positiv aus.
- Nach der EU-Osterweiterung zog es einige deutsche Firmen nach Tschechien.
- Ökonomen und Wirtschaftsförderer sprechen von einer "Win-Win-Situation" für Deutschland und für die Beitrittsstaaten.
- Nach Angaben des ifo-Instituts arbeiten heute noch 820.000 Menschen aus den zehn Staaten in Deutschland.
Ohne die Erweiterung der EU würde es die Firma Köstler vielleicht gar nicht mehr geben. Das Unternehmen in Annaberg-Buchholz fertigt Auto-Interieur: Lederkonsolen, Schaltknaufe, Lenkradbezüge.
Deutsche Firmen zog es nach Tschechien
Als Tschechien EU-Mitglied wurde, nutzte Geschäftsführerin Anke Neubert die Chance und verlegte die Produktion nach Chomutov. Die Löhne dort waren niedriger. Am sächsischen Hauptsitz baute sie dafür ein Team für Produktentwicklung auf. "Es hat dem Unternehmen tatsächlich langfristig das Leben gerettet. Nachdem wir uns hier anders aufgestellt haben mit der Entwicklung – auch in Annaberg-Buchholz –, sind wir als Team zusammengewachsen. Das Team Deutschland mit dem Team Tschechien und wir partizipieren auf beiden Seiten davon."
Tatsächlich ist das Beispiel Köstler kein Einzelfall. Nach der EU-Erweiterung investierte Deutschlands Autobranche massiv in Fabriken in Tschechien und in der Slowakei. Diese liefern den deutschen Werken seitdem zu.
Experten: "Win-Win-Situation" für alte und neue EU-Länder
Klaus-Jürgen Gern vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel sagt, den neuen EU-Ländern hätten diese Investitionen sehr geholfen. Zumal sie von europäischen Fördergeldern begleitet worden seien. Aber auch Deutschland habe profitiert. "Das hat sich in den vergangenen zwanzig Jahren gezeigt, dass die deutsche Automobilindustrie, obwohl Produktion nach Mittel- und Osteuropa ausgelagert wurde, insgesamt sogar Beschäftigung aufgebaut hat in Deutschland. Zudem bleibt ja die ganze Design- und Entwicklungsmaschinerie in Deutschland und die kann dann eine größere Gesamtproduktion bedienen."
Klaus-Jürgen Gern spricht von einer "Win-Win-Situation". Und die sieht in der EU-Erweiterung auch der Chef der Wirtschaftsförderung Sachsen, Thomas Horn. Sachsen habe 2004 am Rand der EU gelegen. Mit der Öffnung der Grenzen hätten sich Märkte erweitert. Das Volumen der Ein- und Ausfuhren aus Polen und Tschechien sei seitdem rasant gewachsen. "Wenn wir das heutige nehmen, dann hat es sich seit dem Beitritt mehr als verfünffacht. Das sind gigantische Zahlen, wenn man sich heute anschaut, dass wir mit Polen ein Außenhandelsvolumen von etwa sechs bis sieben Milliarden Euro – und bei Tschechien sogar noch eine Milliarde mehr – haben und dann bedenkt, wie groß diese Länder auch sind. Beide zusammen haben weniger als 50 Millionen Einwohner. Und Polen hat dasselbe Außenhandelsvolumen wie die USA."
Ifo-Institut: 820.000 Arbeitskräfte aus damaligen Beitrittsstaaten
Als vor zwanzig Jahren die Grenzen nach Osteuropa fielen, gab es aber auch Ängste. Deutsche Politiker fürchteten, dass Heerscharen von Osteuropäern nach Deutschland kommen, um hier billig ihre Arbeitskraft anzubieten. Deswegen galten sieben Jahre lang noch Beschränkungen, blieben für eine Arbeit Genehmigungen nötig.
Für Wirtschaftsforscher Gern war diese Entscheidung richtig: "Es gibt einige Länder, die sofort geöffnet haben. Die haben dann einen starken Schub erlebt in den Jahren 2004 bis 2010, der am Ende auch Probleme gemacht hat, welche nicht so sehr in der wirtschaftlichen Dimension liegen, sondern in der sozialen Dimension: Wenn eben ein sehr starker Zuzug in kurzer Zeit erfolgt, kann das schon auch problematisch sein."
Inzwischen arbeiten nach Zahlen des ifo-Institut 820.000 Menschen aus den damaligen Beitrittsstaaten in Deutschland. Für die Firma Köstler hatte die EU-Erweiterung noch einen Nebenaspekt. Sie ist mit dem Fabrikbau in Chomutov gewissermaßen zurückgekehrt. Das Unternehmen hat seine Wurzeln nämlich auf tschechischer Seite. 1891 wurde der Automobilzulieferer von Johann Köstler in Kraslice gegründet – damals noch als Werkstatt für Musikinstrumente.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 01. Mai 2024 | 06:17 Uhr
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