Elektromobilität Warum im Osten weniger E-Autos gekauft werden
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18. März 2024, 10:04 Uhr
Sachsen gilt als "Top-Region der Elektromobilität" - zumindest bei der Produktion. Auf den Straßen spiegelt sich das kaum wider. Die Kosten für E-Autos sind ein Grund für die Zurückhaltung, aber nicht der einzige.
- So stark unterscheidet sich die Kaufkraft im Osten im Vergleich zu westlichen Bundesländern.
- Sachsen hat die wenigsten E-Pkws pro Ladepunkt.
- Berater: Gegen Vorurteile helfen auch keine Förderprogramme.
In Sachsen werden zwar E-Autos gebaut, aber kaum gefahren. Rund 40 Prozent der vollelektrischen Pkws werden laut dem Netzwerk der Automobilzulieferer Sachsen (AMZ) und dem Chemnitz Automotive Institute (CATi) hier produziert. Sachsens Wirtschaftsministerium lobt den Freistaat daher immer wieder als "Top-Region der Elektromobilität". Allerdings: Auf Sachsens Straßen ist der Anteil an E-Autos gering.
Nur 2,6 Prozent aller in Sachsen zugelassenen Pkws sind elektrisch oder zumindest als Hybrid unterwegs, so das Kraftfahrtbundesamt (Stand: Oktober 2023). Ähnlich sieht es in Thüringen aus. In Sachsen-Anhalt sind es sogar nur 2,3 Prozent. Nur Mecklenburg-Vorpommern liegt mit einem Anteil von 2,2 Prozent darunter. Die teilweise großen regionalen Unterschiede, vor allem zwischen West- und Ostdeutschland, haben mehrere Gründe. Ein entscheidender Faktor ist dabei das Einkommen.
Hauptargument gegen E-Autos: Kaufkraft
Elektroautos sind schlicht zu teuer. Für viele Menschen, nicht nur für Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Die Unterschiede zwischen West und Ost ergeben sich, weil die Kaufkraft im Vergleich zum Westen Deutschlands geringer ist. Die Kaufkraft ergibt sich aus dem Nettoeinkommen sowie aus Kapitaleinkünften und staatlichen Leistungen wie Arbeitslosengeld, Kindergeld und Rente. Während die Kaufkraft je Einwohner in Bayern, Baden-Württemberg oder Hamburg bei über 28.000 Euro pro Einwohner liegt, haben Menschen in Sachsen, Sachsen-Anhalt oder Thüringen etwa 5.000 Euro weniger zur Verfügung, so die Prognosen des Marktforschungsinstituts GfK für 2023.
Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig sagte jüngst in seinem YouTube-Format "Martin Dulig Konkret": "Das Klientel, für das ich meistens politisch stehe, diese Menschen haben sich in ihrem Leben meist einen Gebrauchtwagen gekauft. Und die sollen sich jetzt ein Elektrofahrzeug für 40.000 kaufen?!" Er appellierte an die Automobilhersteller, ihre Preispolitik anzupassen und spricht hier von einer "sozialen Verantwortung".
Wenn man mit Bürgern ins Gespräch kommt, dann ist der Tenor, dass die Anschaffung eines Elektrofahrzeuges einfach zu teuer ist.
Einen ähnlichen Eindruck hat auch Bürgermeisterin Dorothee Obst (Freie Wähler) aus der Kleinstadt Kirchberg im Landkreis Zwickau. Etliche Einwohner Kirchbergs seien zwar im nahen VW-Werk in Zwickau beschäftigt und produzierten E-Autos. "Wenn man mit Bürgern ins Gespräch kommt, dann ist der Tenor, dass die Anschaffung eines Elektrofahrzeuges einfach zu teuer ist. Das ist für viele Menschen schlicht nicht machbar."
Daher würden aktuell an den drei im letzten Jahr ganz neu installierten Ladestationen im Ort nur wenige E-Autos zum Laden angeschlossen. Um diese hat sich die Bürgermeisterin persönlich gekümmert und einen innovativen Weg gewählt. Die Ladestationen sind in Straßenlaternen integriert. In London weit verbreitet, hierzulande noch eine Seltenheit. "Wir als Stadt wollen den Ausbau der E-Mobilität durch das Schaffen von Rahmenbedingungen unterstützen, vor allem durch das Bereitstellen von Grundstücken, auf denen Ladestationen aufgestellt werden können", sagt Obst.
Ladeinfrastruktur für Elektroauots vorhanden
Der Anreiz auf ein E-Auto umzusteigen, hänge freilich auch mit der Ladeinfrastruktur zusammen, so Dirk Vogel vom Netzwerk Automobilzulieferer Sachsen (AMZ). Die sei aber mittlerweile in vielen Teilen Mitteldeutschlands ausreichend vorhanden. Darauf verweisen auch die zuständigen Ministerien der Länder. Denn im bundesweiten Vergleich kommen laut Berechnungen des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen die wenigsten Autos auf einen öffentlich zugänglichen Ladepunkt. Mit 13,9 E-Pkws auf einen Ladepunkt führt Sachsen die Statistik an. Im Landkreis Zwickau, wo Kirchberg liegt, sind es sogar nur 12,1 E-Autos.
Dennoch muss laut Vogel der Ausbau insbesondere in ländlichen Gebieten als auch in Wohngebieten mit Mehrfamilienhäusern weiter vorangetrieben werden. Denn gerade im Osten lebten mehr Menschen in Mehrfamilienhäusern als im Westen. Damit falle die Möglichkeit weg, bequem zu Hause an der eigenen Wallbox das E-Auto aufzuladen. "Ein E-Auto spielt dann eine Rolle, wenn ich weiß, wie es geladen wird, wenn der Komfort in der Nutzung steigt", so Vogel.
Gerade für Betriebe in ländlichen Gebieten kann das Angebot einer Ladestation Mitarbeitern den Umstieg auf die E-Mobilität erleichtern.
Und so könnte das Laden am Arbeitsplatz einen großen Anreiz schaffen, denkt Vogel. Für das Laden am Arbeitsplatz gibt es seit 2017 auch eine gesetzliche Regelung. Das kostenlose oder verbilligte Aufladen im Betrieb ist steuerfrei. "Gerade für Betriebe in ländlichen Gebieten kann das Angebot einer Ladestation Mitarbeitern den Umstieg auf die E-Mobilität erleichtern."
Das Thüringer Verkehrsministerium sieht den hohen Anteil ländlichen Raums als einen Faktor für die Zurückhaltung im Freistaat, auf ein E-Auto umzusteigen. Neben einer Förderung der Ladeinfrastruktur von 1,9 Millionen Euro für die kommenden zwei Jahre können sich Unternehmen und Kommunen auch von der Thüringer Energie- und GreenTech-Agentur beraten lassen. Der Freistaat Sachsen fördert ebenfalls eine Beratung durch die Sächsische Energieagentur (SAENA) GmbH.
In Sachsen-Anhalt sieht das Infrastrukturministerium ebenfalls noch Nachholbedarf beim Ausbau in ländlichen Regionen, etwa im Landkreis Jerichower Land oder im Landkreis Wittenberg. Das Ministerium verweist ebenfalls auf ein Förderprogramm des Landes zum Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur.
Skepsis gegenüber E-Mobilität
In Thüringen arbeitet Rico Hofmann bei der angesprochenen Thüringer Energie- und GreenTech-Agentur und berät Unternehmen, Energieversorger oder auch Kommunen zum Thema E-Mobilität. Bei Informationsveranstaltungen trifft er auch auf Menschen, deren Skepsis gegenüber der E-Mobilität groß ist. Seiner Erfahrung nach gibt es noch viele Bedenken und Vorurteile, gegen die zu argumentieren manchmal noch schwer sei. "Wir können dagegen auch manchmal nicht mit sachlichen Argumenten ankommen. Es überwiegt das Gefühl: 'Jetzt nehmen die mir auch noch meinen Verbrenner weg'", sagt Hofmann. Das Thema sei stark mit Emotionen behaftet. "Dagegen helfen auch keine Förderprogramme."
Hofmann rät den Unternehmen und Kommunen daher: "Nehmt von Anfang an die Arbeitnehmer mit." Der Umstieg brauche Zeit, ein langer Atem sei nötig.
Zurück nach Kirchberg. Bürgermeisterin Obst hat die Erfahrung gemacht, dass die Bürger das Thema Elektromobilität sehr stark beschäftigt. Es gebe regionale Unternehmen, die ihren Mitarbeitern kostenlos Ladestationen zur Verfügung stellten oder ihre Betriebsflotte komplett auf E-Fahrzeuge umgestellt haben. Obst selbst ist davon überzeugt, dass der Umstieg auf Elektromobilität durch den Markt geregelt werden müsse.
Ausblick: Trotz Wegfall der Kaufprämie zukünftig preiswertere E-Autos
Mit dem Wegfall der Kaufprämie für E-Autos im Dezember 2023 wird es für viele Menschen noch schwieriger werden, sich für ein E-Auto zu entscheiden. Elektroautos mit einem Listenpreis von unter 40.000 Euro wurden seit Anfang 2023 mit immerhin 4.500 Euro gefördert. Durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Haushalt musste der Umweltbonus abrupt gestoppt werden. Dirk Vogel vom AMZ ist sich sicher, dass E-Autos dennoch preiswerter würden. Zum einen stünden alle Hersteller unter einem hohen Innovationsdruck, vor allem, was die aktuell teuren Batterien anbelangt. Hier seien schon neue Technologien auf dem Weg.
Zum anderen gebe es immer günstigere E-Auto-Modelle aus China, was wiederum auch die Preise deutscher Hersteller beeinflusse. Blickt man ins Jahr 2025, so werde das Fahren mit E-Autos immer billiger, da die gestaffelte CO2-Besteuerung der Bundesregierung für deutliche Mehrkosten sorge, wenn man noch mit einem Verbrenner unterwegs sei. Und schließlich führt Vogel noch ein weiteres Argument an, weshalb auch ohne Kaufprämie E-Autos immer erschwinglicher werden könnten. Die Autohersteller müssen mehr E-Autos produzieren, da die Bundesregierung die Herstellung von Autos, die CO2 ausstoßen, reguliert hat. "Und weil die Hersteller ihre Autos auch loshaben möchten, müssen sie was am Preis tun", so Vogel.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 20. Januar 2024 | 06:22 Uhr