Verkehrswende Verfehlte Klimaziele im Verkehrssektor
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07. November 2023, 09:29 Uhr
Kein Sektor in Deutschland verfehlt die Klimaziele so deutlich wie der Verkehr. Die Zahl der Pkws steigt seit Jahren weiter, die Antriebswende hin zu mehr Elektromobilität kommt nur langsam voran. Bis 2030 dürften die vereinbarten Höchstmengen an ausgestoßenen Treibhausgasen im Verkehr deutlicher als in jedem anderen Bereich überschritten werden.
- Leipzig, Halle und Jena mit vergleichsweise niedriger Pkw-Dichte
- Anteil des Verkehrs an klimaschädlichen Emissionen wächst seit Jahren
- So stark überschreitet der Verkehrssektor seine vereinbarten Emissions-Mengen
Mehr als 1.000 Kraftfahrzeuge pro 1.000 Einwohnerinnen und Einwohner – diese Marke erreichen aktuell Wolfsburg (1.070), Cham in der Oberpfalz (1.041), Freyung-Grafenau (1.017) und Rottal-Inn (1.006) in Niederbayern. Das geht aus einer Auswertung von Daten des Kraftfahrt-Bundesamtes durch MDR Aktuell hervor.
Um es noch deutlicher zu machen: 2023 gibt die VW-Stadt Wolfsburg die Zahl der Einwohner mit beispielsweise 127.046 an. Die Zahl der zugelassenen Kraftfahrzeuge laut Kraftfahrtbundesamt: 132.680. Zwar enthält die Zahl auch Nutzfahrzeuge wie Lkws oder landwirtschaftliche Zugmaschinen. Doch auch die Werte für die reine Pkw-Dichte steigen – mit regionalen Ausnahmen – seit Jahren.
Mitteldeutsche Städte mit vergleichsweise niedriger Pkw-Dichte
Waren 2013 deutschlandweit noch 531 Pkws pro 1.000 Einwohner zugelassen, stieg die Zahl bis Anfang 2023 auf 586 Pkws. Besonders in ländlichen Regionen ist die Pkw-Dichte hoch und steigt weiter, bei Werten teils deutlich über 600 oder sogar über 700 Pkws. Im Thüringer Eichsfeld etwa gibt es aktuell 646 Pkws pro 1.000 Einwohner – vor zehn Jahren waren es noch 560. Dagegen hat Leipzig mit 388 Autos pro 1.000 Einwohner nach Berlin und Heidelberg die niedrigste Pkw-Dichte.
Auch Halle (401), Jena (408) und Dresden (415) gehören zu den zehn Städten mit der bundesweit niedrigsten Pkw-Zahl pro Einwohner. Doch auch große Städte wie Wiesbaden und Ingolstadt reißen die 700er-Marke, in Wolfsburg gibt es trotz rückläufiger Tendenz immer noch 981 Pkws pro 1.000 Einwohner. 2013 waren es hier sogar 1.063.
Der Straßenverkehr ist in Deutschland mit Abstand Hauptursache für die Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor. Von 148 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten im Jahr 2022 gehen nach Daten des Umweltbundesamtes 140 Millionen auf den Straßenverkehr zurück.
CO2-Äquivalente
Mehrere Treibhausgase tragen – unterschiedlich stark – zum Klimawandel bei. Das Kyoto-Protokoll nennt beispielsweise Kohlenstoffdioxid (CO2), Methan (CH4) oder Lachgas (N2O). Um die Klimawirkung einzelner Treibhausgase miteinander zu vergleichen, werden diese in CO2-Äquivalente umgerechnet, anhand ihres Global Warming Potentials (GWP). Das GWP normiert die Wirkung aller Treibhausgase auf die Wirkung von CO2, dem am meisten von Menschen emittierten Treibhausgas, welches daher den GWP-Wert 1 erhält. Methan ist pro Molekül ungefähr 27-mal so klimawirksam wie CO2 und hat daher ein GWP von 27 CO2-Äquivalenten.
Quelle: Stiftung Allianz für Entwicklung und Klima
Anteil des Verkehrs an Treibhausgasen wächst
Im Klimaschutzgesetz hat die Bundesregierung festgehalten, in welchen Schritten verschiedene Bereiche ihre klimaschädlichen Emissionen reduzieren sollen. Bis zum Jahr 2045 will Deutschland klimaneutral sein. Doch um das zu erreichen, gilt insbesondere der Verkehrssektor als großes Sorgenkind. Machte der Verkehr im Jahr 1990 noch 13 Prozent der deutschen Treibhausgas-Emissionen aus, stieg der Anteil bis 2022 auf 19,8 Prozent.
Dabei hat der Verkehrssektor auch die jährlichen Einsparziele bei den Emissionen wiederholt gerissen. Um die gesetzlich geregelten Klimaziele doch noch zu erreichen, wächst der Nachholbedarf entsprechend in den Folgejahren. Bis zum Jahr 2030 soll der Verkehr höchstens 84 Millionen Tonnen Treibhausgase verursachen. Doch allein 2022 überschritt der Bereich das vorgesehene Höchstmaß um gut neun Millionen Tonnen. Diese jährlichen Zielverfehlungen könnten sich nach Berechnungen des Umweltbundesamtes bis zum Jahr 2030 auf insgesamt 210 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente summieren.
Das Umweltbundesamt modellierte dabei zwei Szenarien: Im ersten Szenario berechneten die Forschenden (siehe nachfolgende Grafik: MMS), wie sich bereits umgesetzte Maßnahmen auf die einzelnen Sektoren auswirken dürften. In einem zweiten Szenario ging es um den voraussichtlichen Einfluss weiterer Maßnahmen, die bereits konkret geplant, aber noch nicht implementiert sind (MWMS).
Antriebswende zur Elektromobilität verzögert sich
Auch Zielmarken bei der Antriebswende hin zu mehr elektrischem Verkehr werden nach aktuellen Berechnungen verfehlt. Statt der geplanten 15 Millionen E-Autos bis zum Jahr 2030 werden es voraussichtlich nur 8,2 Millionen sein. Damit dauert der Umstieg von konventionellen Verbrenner-Autos auf Elektromobilität länger als angestrebt. Nach Modellierungen des Umweltbundesamtes werden die 15 Millionen erst im Jahr 2034 erreicht – wenn es bei den bisherigen Maßnahmen bleibt.
Um die Treibhausgas-Emissionen im Verkehr entscheidend zu senken, braucht es neben einer Antriebswende nach Einschätzung von Fachleuten aber zusätzlich einen grundlegenden Wandel hin zu mehr klimaschonenden Verkehrsmitteln wie öffentlichem Verkehr oder Fahrrad.
MDR (rnm)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 07. November 2023 | 06:00 Uhr
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