Künstliche Intelligenz Wie die KI unsere Arbeitswelt verändern wird
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17. Mai 2023, 17:38 Uhr
Schon jetzt gibt es vieles, was die KI besser oder effizienter kann als ein Mensch. Das wird Auswirkungen auf die Arbeitswelt haben. An Massenentlassungen in Deutschland glauben Expertinnen und Experten aber nicht.
Künstliche Intelligenz wird in jeder Branche Einzug halten. Das sagt das Weltwirtschaftsforum WEF (engl. World Economic Forum) in seinem aktuellen Bericht zur Zukunft der Arbeit voraus. Überall ist es mindestens die Hälfte der befragten Unternehmen, die sagt, ja, wir werden demnächst wahrscheinlich KI benutzen. In einigen Branchen sind es sogar mehr als 80 Prozent der Unternehmen.
Das allein muss aber noch keine Sorgen bereiten. Denn "wir werden KI benutzen" bedeutet nicht automatisch "wir werden damit Menschen ersetzen".
Weniger Jobs durch KI?
Aber es wird einzelne Tätigkeiten geben, die in Zukunft weniger von Menschen ausgeführt werden. Das sagt auch Prof. Dr. Wolfgang Dauth vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit. "Dabei handelt es sich um Routinetätigkeiten, die repetitiv sind und klaren Regeln folgen", so Dauth. "Beispiele sind das Steuern von Fahrzeugen, die Buchhaltung, aber auch sehr anspruchsvolle Tätigkeiten wie das Programmieren von Software oder die medizinische Diagnostik."
Im WEF-Bericht werden ähnliche Tätigkeitsfelder aufgeführt. Buchhaltung, Buchführung, Dateneingabe, Sekretariat, Postamt, Ticketverkauf gehören dort zu den meistgenannten Bereichen, wo in Zukunft deutlich weniger Menschen arbeiten werden. Insgesamt wird aus Sicht der befragten Unternehmen in fast jeder Branche der Anteil von maschineller Arbeit zunehmen.
Melanie Arntz, Leibniz-Professorin für Arbeitsmarktökonomie an der Universität Heidelberg, nennt auch Finanzanalysten, Mathematiker und Juristen als Berufsgruppen mit starken Veränderungen. "All jene Tätigkeiten, bei denen Informationen gesammelt, aufbereitet und in strukturierter Form weitergegeben werden müssen, können in hohem Maße durch KI übernommen werden", sagt sie. Im Vergleich zu früher eingeführten Technologien bringe KI den Unterschied mit sich, dass diesmal Berufe betroffen sind, die einen hohen Bildungsstand und häufig einen Universitätsabschluss erfordern.
"Das heißt aber nicht automatisch, dass die davon betroffenen Berufe und Jobs ersetzt werden", so Melanie Arntz. "In vielen Berufen wird es lediglich zu einer neuen Arbeitsteilung zwischen Mensch und Maschine kommen. Menschen werden sich somit stärker auf Tätigkeiten fokussieren, die KIs nicht übernehmen können."
Mehr Jobs durch KI?
Weltweit ist der Optimismus sogar groß, dass durch die Künstliche Intelligenz mehr Jobs entstehen als wegfallen. Die deutliche Mehrheit der vom WEF befragten Unternehmen geht zwar von KI-bedingten Störungen auf dem Arbeitsmarkt aus und prognostiziert eine Verlagerung von Arbeitsplätzen. Das werde aber durch neu geschaffene andere Stellen mehr als ausgeglichen, so dass sich insgesamt ein positiver Saldo ergibt, was Arbeitsplätze angeht.
Lediglich im Gastgewerbe werden kaum Veränderungen durch KI erwartet. Und in den Branchen Medien, Unterhaltung, Sport und Immobilien geht man sogar von weniger Arbeitsplätzen aus, diese Branchen sind damit aber die große Ausnahme vom sonstigen KI-Optimismus.
KI als Ausgleich für Fachkräftemangel
Sebastian Findeisen ist Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Konstanz. Er veranschaulicht am Beispiel der IT-Branche, wie sich die Entwicklung vollziehen könnte. "Bei Softwareentwicklung und Datenanalysen wird in den nächsten Jahren viel mehr automatisiert werden können. Viele Unternehmen werden sich fragen, ob sie wirklich einen großen eigenen IT-Stab brauchen oder nur wenige Leute, die mit der KI die Software der Firma am Laufen halten."
Allerdings wird nach Meinung Findeisens häufig überschätzt, wie schnell so etwas geht. "Oft gehen viele Jahre ins Land, bis wirklich viele Firmen Wege gefunden haben, neue Technologien produktiv in ihre Abläufe zu integrieren." Und bis dahin hätten Beschäftigte und Unternehmen Zeit, Anpassungen vorzunehmen, sodass Entlassungen vermieden werden können. "Hinzu kommt für Deutschland ein weiterer wichtiger Aspekt", so Findeisen, "und das ist der relative Mangel an IT-Experten im Verhältnis zur aktuellen Nachfrage von Firmen nach IT-Fachkräften. Steigende Automatisierung im IT-Bereich wird hier kaum zu Massenarbeitslosigkeit führen."
Arbeitnehmer-Eigenschaften der Zukunft
Arbeitsmarkt-Ökonomin Melanie Arntz erwartet ebenfalls keine technologiebedingten Entlassungen im großen Stil, spürbare Veränderungen in der Arbeitswelt hingegen schon. Es sei zu erwarten, "dass Betriebe nach anderen Arbeitskräften suchen und vor allem ihre Einstellungspraxis anpassen."
Auf welche Eigenschaften es auf dem Arbeitsmarkt der Zukunft verstärkt ankommen wird, zeigt wiederum der WEF-Bericht. Dass Angestellte mit KI und Big Data umgehen können, liegt da schon auf Platz 2 der Wunschliste bei deutschen Unternehmen, eingerahmt von analytischem Denken und kreativem Denken auf den Plätzen 1 und 3, alles recht kopflastig also.
Prof. Dr. Georg Graetz, der in Schweden am Institut für Ökonomie der Universität Uppsala arbeitet, sieht bei der Vermittlung solcher Eigenschaften auch staatliche Stellen in der Pflicht. Der Markt könne nicht alles regeln. "Unternehmen haben oft begrenzte Anreize, in die digitalen Fähigkeiten ihrer Angestellten zu investieren", sagt Graetz, "da solche Investitionen den konkurrierenden Firmen zugutekommen können. Daher ist es Aufgabe des Staates, sicherzustellen, dass das Bildungssystem solche allgemeinen Fähigkeiten vermittelt – der technologischen Entwicklung entsprechend."
Bei allen Defiziten im Umgang mit neuen Technologien und der digitalen Infrastruktur ist der deutsche Arbeitsmarkt für die Anpassung an neue Technologien gut aufgestellt.
Zusammengefasst sind sich die befragten Expertinnen und Experten einig, dass es durch die KI zwar starke Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt geben wird, allerdings nicht sonderlich kurzfristig und eher in Form von Umstrukturierungen als Entlassungen. "Institutionen am Arbeitsmarkt wie die Sozialpartnerschaft und der im Vergleich zu den USA starke Kündigungsschutz sorgen dafür, dass Anpassungen eher innerhalb der Betriebe und nicht durch Kündigung von bestehenden Mitarbeitenden erfolgen", sagt Wolfgang Dauth vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit. "Bei allen Defiziten im Umgang mit neuen Technologien und der digitalen Infrastruktur ist der deutsche Arbeitsmarkt für die Anpassung an neue Technologien gut aufgestellt."
Ökonomin Melanie Arntz warnt aber davor, in der KI-geprägten Arbeitsmarkt-Debatte andere Berufsfelder zu vergessen, die kein Hochschulstudium erfordern. Aus ihrer Sicht "zeichnet sich aktuell ein im Zuge der ökologischen Transformation wachsender Fachkräftemangel in einigen Ausbildungsberufen ab, der kaum durch einen KI-Einsatz abzumildern ist", so Arntz. "Die Arbeitsmarktpolitik tut daher auch gut daran, weniger auf eine weiterhin steigende Akademisierung zu setzen, sondern auch die Attraktivität des Ausbildungssystems verstärkt in den Blick zu nehmen."
(rr)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT | 01. Mai 2023 | 17:00 Uhr