Ein Zahnarzt schaut sich mit einem Spiegel die Zähne einer Patientin in seiner Zahnarzt-Praxis an.
Deutschlands Zahnärzte gehen davon aus, dass die Krankenkassen künftig einen Amalgam-Ersatzstoff komplett bezahlen. Bildrechte: picture alliance/dpa | Rolf Vennenbernd

EU-Verbot Amalgam-Alternative soll Patienten nichts extra kosten

15. April 2024, 12:41 Uhr

Das EU-Parlament hat grünes Licht für ein weitgehendes Verbot der quecksilberhaltigen Zahnfüllungen gegeben. Das soll ab 2025 für neue Füllungen gelten. Aus dem Verbot ergibt sich allerdings ein finanzielles Problem. Amalgam war bisher der einzige Füllstoff, der von den Krankenkassen voll bezuschusst wurde. Deutschlands Zahnärzte gehen davon aus, dass die Krankenkassen künftig einen Amalgam-Ersatzstoff komplett bezahlen. Unklar ist noch, welcher das sein wird.

Das EU-Parlament hat ein weitgehendes Verbot von Quecksilber in Zahnfüllungen beschlossen. Lange Zeit war Amalgam der einzige Stoff für Zahnfüllungen. Inzwischen wird er aber nur noch sehr selten verwendet. Die quecksilberhaltigen Füllungen werden fast nur noch in speziellen Fällen genutzt. Deutschlands Zahnärzte gehen davon aus, dass die Krankenkassen künftig einen Amalgam-Ersatzstoff aus einem Kuststoff-Gemisch komplett bezahlen. Welcher genau es sein wird, wird von der Haltbarkeit abhängen.

Amalgam bislang einziger voll bezuschusster Füllstoff

Wie der Präsident der Bundeszahnärztekammer, Christoph Benz MDR Aktuell sagte, ist nur jede 33. Zahnfüllung aktuell aus Amalgam. Nur bei Narkosebehandlungen, bei Menschen mit Behinderungen und bei pflegebedürftigen Senioren würden die quecksilberhaltigen Füllungen verwendet. Da sei der Füllstoff nach wie vor ein sehr wichtiges Material. In den oben genannten Fällen müsse sehr schnell gearbeitet werden, Speichel könne oft nicht komplett abgesaugt werden, so dass andere Stoffe nicht so gut im Zahn halten würden. Amalgam ist Benz zufolge in diesen Fällen besonders praktisch, weil es sich schnell verarbeiten lässt. Außerdem hält das Material lange und ist günstig. Für Patienten ist es deshalb aktuell noch der einzige Füllstoff, der vollständig von der Krankenkasse bezahlt wird. Nach dem Verbot müssen sich die Kassen, die Bundeszahnärztekammer und die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen nun auf einen anderen Füllstoff einigen, der ab 2025 voll bezuschusst wird.

Ersatzstoff kommt – noch unklar welcher

Benz sagte, die Wissenschaft sage klar, welche Alternativen es zum potenziell giftigen Amalgam gebe. In den derzeitigen Verhandlungen sei aber noch in der Schwebe, welcher Stoff es tatsächlich sein werde. Es gebe Ersatzstoffe, die einsetzbar sein werden. Der Patient könne absolut sicher sein, dass es da eine Lösung geben werde. Die werde auch rechtzeitig zur Verfügung stehen. Aber noch sei es in der Schwebe, welche Stoff komme.

Die Wissenschaft weiß, welche Alternative es geben könne. Diese empfiehlt zum Beispiel Glasionomerzemente oder Kunststoffe. Es werde am Ende aber wohl so sein, dass die Füllungen nicht aus nur einem Material bestehen werden, sondern aus einem Gemisch, hieß es. Sicher sei, dass es ein guter Stoff sein werde, der zudem noch zahnfarben sei.

Länge der Liegezeit wird entscheiden

Bei dem neuen Füllungsmaterial werde es vor allem auf die Liegezeiten ankommen – also darauf, wie lange die Füllungen halten, erklärt der Vorstandsvorsitzende der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Thüringen, Knut Karst. „Wir haben ein bisschen Angst davor, wenn wir nicht in die Liegezeiten kommen, dass wir dann öfter Füllungsaustausch machen müssen – wenn die Ränder nicht halten. Das ist natürlich nicht gut für den Zahn und auch nicht gut für die Kosten." Karst fügte an, dass das vor allem in den ostdeutschen Bundesländern, ein Problem werden könnte, weil es hier mit Blick auf die Zahnärzte ohnehin einen Versorgungsnotstand gebe.

Wann genau sich entscheidet, welcher Füllstoff der Nachfolger von Amalgam wird, steht den Auskünften von Benz und Karst zufolge, noch nicht fest. Beide gehen aber davon aus, dass die Entscheidung nicht mehr lange auf sich warten lassen wird.

EU-Parlament beschließt weitgehendes Verbot von Quecksilber in Zahnfüllungen

Das Europäische Parlament hat ein weitgehendes Verbot von Quecksilber in Zahnfüllungen beschlossen. Die Abgeordneten stimmten Anfang April in Brüssel für ein Gesetz, nach dem der Füllstoff Amalgam ab dem kommenden Jahr grundsätzlich nicht mehr bei Zahnbehandlungen genutzt werden darf. Erklärtes Ziel der Europäischen Kommission ist es, ein "quecksilberfreies Europa" zu schaffen und Bürger und Umwelt vor dem giftigen Stoff zu schützen.

Schätzungen zufolge werden in der EU trotz möglicher Alternativen jährlich noch 40 Tonnen Quecksilber für die Herstellung von Zahnamalgam genutzt. EU-weit verboten ist es bislang nur bei der Behandlung von Kindern unter 15 Jahren und Schwangeren oder Stillenden. Auch in Deutschland wird Zahnamalgam noch eingesetzt. Das nun beschlossene Verbot ab 2025 sieht befristete Ausnahmen für Mitgliedstaaten vor, die mehr Zeit für die Anpassung ihres nationalen Gesundheitssystems benötigen. Sie können die Verwendung, Herstellung und Einfuhr von Amalgam höchstens bis zum 30. Juni 2026 weiter erlauben. Ausnahmen gibt es laut Gesetz zudem, wenn ein Arzt die Behandlung mit dem quecksilberhaltigen Stoff für "unbedingt erforderlich hält".

EU einigt sich auf Verbot von Amalgam

Die Unterhändler des Parlaments und der 27 EU-Staaten hatten sich in ihrem Kompromiss von Anfang Februar zudem darauf verständigt, die Herstellung, Einfuhr und den Export sechs quecksilberhaltiger Lampen ab Ende 2025 beziehungsweise Mitte 2026 zu verbieten. Die Mitgliedsländer müssen das Verbot noch formal absegnen.

AFP, MDR (das)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 15. April 2024 | 07:54 Uhr

Mehr aus Wirtschaft

Mehr aus Deutschland