Kommentar Warum das Verbot neuer Öl- und Gasheizungen so nicht kommen wird
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01. März 2023, 14:22 Uhr
Dass die Bundesregierung sich von Öl- und Gasheizungen verabschieden will, ist nicht neu. Dass es bereits ab 2024 passieren soll, ist auch nicht neu. Trotzdem sorgt die Meldung im Regierungsviertel und bei Verbänden für Schnappatmung. Es scheint, als ob manche Akteure nie daran geglaubt hätten, dass es tatsächlich so kommt. Sie könnten recht behalten, denn weder die Industrie noch Installateure gehen davon aus, dass die Wärmewende so funktionieren kann. Es fehlt an Material, Geld und Personal.
"Nächster Energie-Hammer von Robert Habeck" – eine "Bild"-Zeitungs-Schlagzeile warnt am Dienstagmorgen vor einem drohenden Verbot fossil betriebener Heizungen aus den "Werkhallen" des Wirtschaftsministeriums und bringt umgehend eine Lawine von Presseanfragen und eilig verfassten Statements ins Rollen. Schnell ist von "Verschrottungsorgien" und "grüner Märchenwelt" die Rede. Und schnell ist zwischen all den kantigen Sprüchen, berechtigte Sorge kaum noch von politischer Stimmungsmache zu unterscheiden. Doch eins nach dem anderen. Was ist eigentlich passiert?
Verbot neuer Gas- und Ölheizungen: Was ist passiert?
Fossile Energieträger in den eigenen vier Wänden Adé – hallo regenerative Energien. Für dieses Umsteuern vom Status Quo in Richtung Wärmewende hat die Bundesregierung nicht einmal die durch den russischen Angriffskrieg gestiegenen Öl- und Gaspreise gebraucht. Das haben SPD, Grüne und FDP 2021 bereits in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart. Der Grund liegt auf der Hand: Klimaschutz. Bis 2045 soll der deutsche Gebäudesektor klimaneutral werden, einer von vielen Bausteinen, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen.
Vor einem Jahr konkretisierten die Koalitionsparteien dann ihren Plan und vereinbarten, dass bereits ab 2024 Heizungen zu 65 Prozent aus erneuerbaren Energien gespeist werden sollen. Zuvor war dieser Schritt für 2025 vorgesehen.
Fragt man bei Heizungsinstallateuren und der produzierenden Industrie nach, würden dann nur noch Wärmepumpen und Fernwärme infrage kommen. Das wäre teuer. Der Einbau einer Wärmepumpe kostet in etwa das zweieinhalb bis dreifache im Vergleich zum Einbau einer Gasheizung.
Liberale Barrikaden: Bekanntes Muster bei Energiedebatte
Jetzt, da ein Referentenentwurf von Bundeswirtschafts- und Bauministerium vorliegt, und SPD und Grüne formulieren wie sie die Koalitionsvereinbarung umsetzen wollen, protestiert die FDP. Das sind "grüne Fantasien", hallt es von den liberalen Barrikaden. Mit der FDP sei das nicht zu machen, heißt es. Die FDP pocht auf Technologieoffenheit, verweist auf andere Energiequellen und erzeugt bei aufmerksamen politischen Beobachterinnen und Beobachtern einen Déjà-vu-Effekt. Hatten wir das nicht alles so schon bei der Vergaser-E-Fuel-Debatte oder sämtlichen Energiedebatten der letzten anderthalb Jahre? Ja, hatten wir!
Dass Wasserstoff aus der Leitung zwar für die Großindustrie unverzichtbar ist, aber technisch und finanziell keine Alternative zu Wärmepumpen im privaten Gebrauch darstellt, weiß zwar auch die FDP, aber das hindert die Partei nicht daran, gegen die selbst vereinbarten Koalitionskompromisse Stimmung zu machen. Warum?
Zum einen scheinen die Liberalen vermehrt davon auszugehen, dass sie bei ihrer Wählerklientel immer dann punkten können, wenn sie rot-grüne Projekte verhindern, zum anderen wird gerade der Haushalt für 2024 festgezurrt und die Koalitionspartner kämpfen verbissen um den Etat der eigenen Ressorts. Darüber hinaus hat die FDP völlig recht, wenn sie sagt, dass ein Verbot von Öl- und Gasheizungen ab 2024 für Eigentümerinnen und Eigentümer und auch Mieterinnen und Mieter sehr teuer werden dürfte.
Lücken im Entwurf
Noch fördert der Bund den Einbau von Wärmepumpen mit Zuschüssen bis zu 40 Prozent. Schon jetzt hört man aus den Reihen der Bundesregierung, dass die Förderung im nächsten Haushalt wohl nicht so fortgeführt werden könne. Stellt sich die Frage: Wo soll das Geld für die Heizungen herkommen? Aktuell heizen hierzulande noch über 70 Prozent der Haushalte mit fossilen Energieträgern, also Öl und Gas. Verpflichtet man die Eigentümerinnen und Eigentümer zum Einbau der klimafreundlichen Heizsysteme, werden diese ohne Zweifel einen beträchtlichen Teil auf ihre Mieterinnen und Mieter umlegen. Neben den Preisanstiegen in fast sämtlichen Lebensbereichen wäre das eine große zusätzliche Belastung.
Gerade in Ostdeutschland leben viele Menschen, die zwar im Eigenheim leben, aber trotzdem nicht 25.000 Euro für eine Wärmepumpe auf der hohen Kante liegen haben. Kommt dann noch die Dämmung des Hauses auf die Rechnung, kann es schnell doppelt so teuer werden. Eine Härtefallregelung für Menschen, die sich den Einbau der neuen Heizung nicht leisten könnten, soll zwar in Planung sein, sie müsste aber sehr viele Haushalte auffangen können, um dem Bedarf gerecht zu werden.
Weiter scheint es mehr als fraglich, ob Deutschland angesichts des Fachkräftemangels und der enorm langen Lieferzeiten für Wärmpumpen, für einen Ansturm auf die klimafreundlichen Energien überhaupt gewappnet wäre. Heizungsinstallateure können dem Gesetzesentwurf nicht viel abgewinnen. Es gäbe zu wenig geschulte Mitarbeiter und zu viele alte und schlecht gedämmte Gebäude, für die Wärmepumpen sich nicht eignen würden, heißt es.
Referentenentwurf ist nicht das finale Gesetz
Doch worüber reden wir eigentlich? Gesprächsgrundlage der aktuellen Debatte ist ein Referentenentwurf zweier Ministerien, der erst noch in die Ressortabstimmung muss. Ein Referentenentwurf von dem die Autorinnen und Autoren selbst sagen, dass er noch nicht final ist. In Nicht-Parlamentarier-Deutsch heißt das: bevor die Bundesregierung das Gesetz im Parlament einbringt, werden die Referate noch einiges umtexten. Erst danach wird das Gesetz auf den Schreibtischen aller Regierungsmitglieder landen. Die offenkundigen Lücken werden geschlossen werden müssen, wenn es dem Gesetz nicht so ergehen soll wie der gescheiterten Gasumlage. Es ist sehr wahrscheinlich, dass eine Kompromisslinie zwischen SPD, Grünen und FDP sehr viele Ausnahmeregelungen beinhalten dürfte.
Bliebe es beim jetzigen Entwurf bräuchte es milliardenschwere Fördertöpfe für Härtefälle. Sonst könnten sich viele Haushalte die Umstellung auf klimafreundliche Heizsysteme nicht leisten. Ein Blick auf die aktuell laufenden Haushaltsverhandlungen für 2024 verrät, dass bereits jetzt um jeden Ausgabenposten gekämpft wird. Es ist schwer vorstellbar, dass neben Verteidigungsausgaben, Kindergrundsicherung und Pflegeversicherungsreform noch sonderlich viel für Heizungen und Wärmedämmung übrigbleibt.
Preisbremse für fossile Energie läuft Ende des Jahres aus
Spannend dürfte noch die Frage werden, wie teuer der Betrieb von Öl- und Gasheizungen wird, wenn die Preisbremsen Ende des Jahres auslaufen. Wer dann eine neue Heizung einbaut oder reparieren muss, dürfte sich dann ohnehin zwei Mal überlegen, ob es noch sinnvoll ist, auf fossile Energien zu setzen.
Klar ist auch: der Kampf gegen den Klimawandel wird teuer. Ihn nicht zu führen, dürfte noch deutlich teurer werden. Umso wichtiger ist es, dass die Bundesregierung Lösungen findet die sozial verträglich sind. Sonst ist die Wärmewende zum Scheitern verurteilt.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 28. Februar 2023 | 06:30 Uhr