Tarifstreit Öffentlicher Dienst in der Schlichtung: Wie effektiv Warnstreiks sind
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24. März 2025, 05:00 Uhr
Im Tarifstreit im öffentlichen Dienst hat am Montag die Schlichtung begonnen. In den vergangenen Wochen hatte Verdi mehrfach versucht, die Arbeitgeber mit Warnstreiks zu einem besseren Angebot zu bewegen. Kitas blieben geschlossen, das Personal an Flughäfen arbeitete nicht. Trotzdem gab es keine Einigung. Liegt das daran, dass sich die Arbeitgeber an den Streiks gar nicht so sehr gestört haben? Schließlich erleidet – anders als bei Streiks in Unternehmen – niemand Verluste. Oder doch?
- Im öffentlichen Dienst machen die Arbeitgeber trotz Streiks weiter Einnahmen.
- Das bedeutet aber nicht, dass sich Streiks für den Staat lohnen.
- Die Gewerkschaft Verdi setzt außerdem nicht nur auf finanziellen, sondern auch auf politischen Druck.
Wenn der öffentliche Dienst streikt, macht das zwar viel Lärm, es tut dem Staat als Arbeitgeber finanziell allerdings nicht sonderlich weh. Er muss Streikenden nämlich kein Gehalt bezahlen. Trotzdem laufen seine Einnahmen aus Gebühren, Steuern und Abgaben weiter.
Der Wirtschaftswissenschaftler Marcel Thum hat dafür ein schönes Beispiel: "Denken wir zum Beispiel an den ÖPNV: Viele Leute haben ein Deutschlandticket. Das Deutschlandticket läuft weiter, das wird bezahlt, auch wenn in der Zeit wegen Streiks die Straßenbahn gar nicht fährt."
Man könnte deshalb vermuten: Jeder Streiktag hilft den öffentlichen Kassen. Der Druck sich zu einigen, scheint für den Staat nicht sehr groß. Aber ist das auch wirklich so?
Streiks lohnen sich auch für Staat nicht
Nach Angaben der Gewerkschaft Verdi sind durch die jüngsten Warnstreiks eine Viertelmillion Arbeitstage ausgefallen. Das macht – grob gerechnet – 50 Millionen Euro, die der Staat an Gehalt nicht auszahlen muss und dadurch spart.
Für Niklas Benrath geht diese Rechnung aber nicht auf. Der Geschäftsführer der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände sagt, lohnen würde sich ein Streik auch für den Staat nie. Auch im öffentlichen Dienst gebe es Bereiche, in denen durch Streiks Einnahmen entfielen. "Wir haben kommunale Krankenhäuser zum Beispiel, wo keine Operationen stattfinden, wenn gestreikt wird." Dort würden massive finanzielle Einbußen eintreten.
Auch der Flughafen sei dafür ein gutes Beispiel: "Wenn sie sich vorstellen, dass am Flughafen in Frankfurt zum Teil auch länger keine Flüge durchgeführt werden – dort entstehen natürlich Millionenschäden."
Gewerkschaft Verdi setzt auf politischen Druck
Die Gewerkschaft Verdi bestätigt das. Sie könne auch dort Streiks organisieren, wo es finanziell schmerzt. Sprecher Jan Jurczyk betont aber, dass es in einer Tarifauseinandersetzung im öffentlichen Dienst darauf nicht unbedingt ankomme. Es gehe nicht nur um den finanziellen Schaden, sondern auch um den politischen Schaden. "Also, ich würde mal sagen, wenn 14 Tage der Müll nicht abgeholt wird, dann glaube ich, entsteht schon eine ganz erhebliche Missstimmung in der Bevölkerung und das müssen die Kommunen ja dann aushalten. Will sagen: Die bekommen dann sehr schnell zu spüren, wie groß der Unmut der Bürger an der Stelle ist."
Auch Wirtschaftswissenschaftler Thum betont, bei Streiks im öffentlichen Dienst spiele finanzieller Druck auf die Arbeitgeber keine große Rolle. Am Ende erziele die Gewerkschaft trotzdem ihre Wirkung. "Es gibt natürlich einen Druck durch die Öffentlichkeit. Wenn die Straßenbahn die ganze Zeit nicht fährt oder die Kita zu ist, gibt es natürlich Druck. Die Menschen wollen ja wieder zur Arbeit gehen oder gut zur Arbeit kommen."
Dieser Druck lastet nun auf der Schlichtung, die diese Woche beginnt. Weitere Streiks sind währenddessen nicht erlaubt. Wie es nach der Schlichtung weitergeht, so Arbeitgebervertreter Benrath, sei völlig offen. Und damit auch, ob es dann wieder zu Streiks kommt. "Es wird mit Sicherheit ein Schlichtungsergebnis geben. Die Frage ist: Ist das akzeptabel für beide Seiten."
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 24. März 2025 | 06:17 Uhr