Konstituierende Sitzung Erste Bundestagssitzung: Klöckner neue Parlamentspräsidentin – AfD-Kandidat scheitert

25. März 2025, 18:10 Uhr

Der neugewählte Bundestag hat sich konstituiert. Nach der Wahlrechtsreform umfasst er nur noch 630 Abgeordnete. Das neue Parlament wählte die CDU-Politikerin Julia Klöckner zur Bundestagspräsidentin. Bei der Wahl des Präsidiums fiel der AfD-Kandidat durch. Zuvor hatte Alterspräsident Gregor Gysi eine sehr politische Rede gehalten.

Dreißig Tage nach seiner Wahl hat sich der 21. deutsche Bundestag konstituiert. Eröffnet wurde die Sitzung mit einer Rede von Alterspräsident Gregor Gysi. Der Linken-Politiker als dienstältester Abgeordneter leitete die Sitzung bis zur Wahl von Julia Klöckner. Die CDU-Politikerin wurde am Mittag zur neuen Bundestagspräsidentin gewählt.

AfD beansprucht Alterspräsidentschaft für Gauland

Die AfD-Fraktion beantragte zu Sitzungsbeginn eine Änderung der Geschäftsordnung, damit der älteste Abgeordnete Alterspräsident wird. Diese Regelung galt vor 2017. Mit der Änderung wurde die Alterspräsidentschaft dem bzw. der dienstältesten Abgeordneten zugesprochen.

Vom Alter her ist der 84-jährige AfD-Ehrenvorsitzende Alexander Gauland ältester Abgeordneter. Schon bei der konstituierenden Sitzung des Bundestages 2021 hatte die AfD einen solchen Antrag gestellt und war damit gescheitert. Der Antrag wurde auch diesmal mit großer Mehrheit aller anderen Fraktionen abgewiesen.

Ein Sitz-Schema eines Plenums mit Bundestagsemblem, dazu die Übrschrift "Erste Sitzung des Bundestages" sowie der Zusatz "Konstituierende Sitzung". 1 min
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Die erste Sitzung des Bundestags nach seiner Wahl hat konstituierenden Charakter. Das Parlament tritt erstmals zusammen, gibt sich eine Geschäftsordnung und wählt sein Präsidium.

MDR FERNSEHEN So 23.03.2025 16:29Uhr 01:13 min

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Julia Klöckner zur Bundestagspräsidentin gewählt

Klöckner erhielt in geheimer Wahl 382 Ja-Stimmen bei 204 Nein-Stimmen. Es gab 31 Enthaltungen und fünf ungültige Stimmen. Die Unterstützung mit 61 Prozent wird als relativ schwach gesehen. Union, SPD und Grüne kommen zusammen auf 410 Mandate. Die CDU-Abgeordnete folgt der Sozialdemokratin Bärbel Bas. Traditionell besetzt die stärkste Fraktion im Bundestag dieses Amt. Klöckner ist die vierte Frau auf diesem Posten nach Annemarie Renger (1972-1976), Rita Süssmuth (1988-1998) und Bärbel Bas (2021-2025).

In ihrer Antrittsrede forderte Klöckner eine erneute Wahlrechtsreform, weil zahlreiche Wahlkreisgewinner bei der Bundestagswahl ohne Mandat geblieben seien. Dafür bekam die CDU-Politikerin nur Applaus von ihrer eigenen Fraktion. Die 52-Jährige kündigte an, in ihrer Funktion als Bundestagspräsidentin sowohl das Fragerecht an die Regierung als auch die Geschäftsordnung des Bundestags reformieren zu wollen. Ohne die AfD-Fraktion namentlich zu nennen, mahnte sie zudem: "Lautstärke ist nicht automatisch Mehrheit." Man müsse kontrovers diskutieren, "aber immer in einem zivilisierten Miteinander".

Julia Klöckner, CDU Vizevorsitzende, kommt zu Beginn der Fraktionssitzung der Union. 3 min
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Julia Klöckner wird sehr genau beobachtet

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Als wichtige Aufgabe des neuen Bundestags sieht Klöckner, das schwindende Vertrauen der Menschen in die Politik und staatliche Institutionen zu verbessern. Mit Blick auf den gesunkenen Frauenanteil im Parlament forderte sie eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Politik.

AfD-Kandidat scheitert bei Abstimmung um Präsidiumsposten

Am Nachmittag wählte das Parlament im ersten Wahlgang Andrea Lindholz (CSU), Josephine Ortleb (SPD), Omid Nouripour (Grüne) und knapp auch Bodo Ramelow (Linke) als Vizevorsitzende ins Präsidium. Eigentlich hat jede Fraktion einen Anspruch auf einen Vizeposten. Doch der AfD-Kandidat Gerold Otten erhielt in drei Wahlgängen nicht die nötige Mehrheit.

Gerold Otten, AfD-Kandidat um das Amt eines Bundestagsvizepräsidenten, bei der konstituierenden Sitzung des neuen Bundestags.
Der AfD-Verteidigungspolitiker Gerold Otten erreichte bei der Wahl zum Bundestagspräsidium nicht die erforderliche einfache Mehrheit. Bildrechte: picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

AfD-Vertreter kritisierten es als undemokratisch, die zweitgrößte Fraktion im Bundestag aus dem Präsidium des Parlaments auszuschließen. Seit dem Einzug der AfD in den Bundestag 2017 erhielten alle ihre Kandidatinnen und Kandidaten bei den Wahlen noch nie die erforderliche Unterstützung, weil sie von den anderen Fraktionen mehrheitlich abgelehnt wurden.

Gysi: Neuer Kanzler sollte sich bei Ostdeutschen entschuldigen

Alterspräsident Gregor Gysi riss in seiner Rede viele innen- und außenpolitische Themen an. So sprach er sich für die Einrichtung "überparteilicher Gremien" beim Parlament aus – für wichtige Problemfelder wie Rente, Gesundheit, Steuergerechtigkeit und Bürokratie. Der 77-Jährige bat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zudem, ein Gremium zur Sicherung von Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit einzusetzen. Gysi warb für eine allgemeinverständliche Sprache in den Debatten und mehr Ehrlichkeit in der Politik. Er plädierte für Volksentscheide auch auf Bundesebene.

Alterspräsident Gregor Gysi (Die Linke) gestikuliert bei der konstituierenden Sitzung des neuen Bundestags.
Der Linkenpolitiker Gregor Gysi ist der dienstälteste Abgeordnete im Bundestag Bildrechte: picture alliance/dpa | Michael Kappeler

Gysi warb für eine differenziertere West-Ost-Debatte. Nach der Wiedervereinigung habe es große Erfolge gegeben, aber auch viele Fehler. Vor allem habe sich die damalige Bundesregierung "nicht für das Leben in der DDR interessiert". Dafür sollte sich der neue Bundeskanzler entschuldigen. Der Osten sei vielfach auf "Stasi und Mauertote reduziert" worden, für Frauen und Alleinerziehende habe die Einheit Rückschritte gebracht. Gysi forderte eine Gleichstellung der Löhne in Ost und West und mehr ostdeutsche Vertreter in Ministerien und Behörden.

Der merklich aufgeregte Gysi sagte, der neue Bundestag müsse in einer schweren Zeit agieren. Auch wenn er persönlich Aufrüstung nicht für die richtige Antwort auf den Krieg in der Ukraine halte, dürfe man Andersdenkende nicht Kriegstreiber nennen. Auch auf Risiken für die freiheitliche Demokratie durch US-Präsident Donald Trump und den Nahostkonflikt ging Gysi kurz ein. Applaus bekam er für seinen etwa 40-minütigen Rundumschlag vor allem von der Linksfraktion.

Am Morgen Ökumenischer Gottesdienst in der St. Hedwigs-Kathedrale

Julia Klöckner, Norbert Lammert, Olaf Scholz, Frank-Walter Steinmeier, Bärbel Bas und Friedrich Merz sitzen vor Beginn des ökumenischen Gottesdiensts zur Konstituierenden Sitzung des 21. Deutschen Bundestages in der St.-Hedwigs-Kathedrale in der ersten Reihe.
Vetreter des Bundestags beim Gottesdienst vor der Konstituierenden Sitzung. Bildrechte: picture alliance/dpa | Sebastian Gollnow

Am Morgen versammelten sich zahlreiche Abgeordnete bei einem ökumenischen Gottesdienst in der Berliner Sankt Hedwigs-Kathedrale. Prälat Karl Jüsten rief die Politikerinnen und Politiker in seiner Predigt auf, ihr Mandat oder Amt demütig auszufüllen, dass die Vertrauensbeziehung zu den Wählerinnen und Wählern "wachsen kann". Die Bürgerinnen und Bürger erwarteten "Antworten von Regierung und Parlament". Am Gottesdienst nahmen unter anderem Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der scheidende Bundeskanzler Olaf Scholz, CDU-Chef Friedrich Merz und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sowie Mitglieder des Bundestagspräsidiums teil.

Entlassene Bundesregierung arbeitet vorerst weiter

Im Anschluss an die erste Bundestagssitzung überreichte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Bundeskanzler Olaf Scholz und seinen 14 verbliebenen Ministerinnen und Ministern die Entlassungsurkunden. Das schreibt das Grundgesetz in Artikel 69 vor. Steinmeier hatte zuvor Scholz gebeten, die Amtsgeschäfte bis zur Ernennung eines neuen Kabinetts weiterzuführen.

Steinmeier dankte dem Kabinett Scholz für die Arbeit in der Corona-Pandemie, seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und dem Angriff der Hamas auf Israel mit dem anschließenden Gaza-Krieg. Steinmeier betonte: "Sie mussten unbekanntes Terrain begehen und neue Wege suchen."

Bundespräsident Steinmeier entlässt Bundesregierung
Bundespräsident Steinmeier überreicht im Schloss Bellevue der alten Bundesregierung die Entlassungsurkunden. Bildrechte: picture alliance/dpa | Michael Kappeler

dpa/reuters/kna (ans)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 25. März 2025 | 06:04 Uhr

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