Klage Bundesverfassungsgericht überprüft Solidaritätszuschlag
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12. November 2024, 20:42 Uhr
Mit dem Solidaritätszuschlag sollte die Wiedervereinigung finanziert werden: Unter anderem flossen Gelder in den Ausbau der Infrastruktur in ostdeutschen Bundesländern. Seit 2021 zahlen 90 Prozent der Steuerzahler den Soli nicht mehr. Die FDP klagt nun für die verbleibenden Soli-Zahler gegen den Solidarpakt; dieser sei mittlerweile verfassungswidrig. Sollte das Bundesverfassungsgericht dem zustimmen, könnte im Bundeshaushalt 2025 ein Loch klaffen. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
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Am Dienstag hat sich das Bundesverfassungsgericht zum Solidaritätszuschlag, kurz Soli, beraten. Die FDP hatte eine Verfassungsbeschwerde gegen den Soli bei dem Gericht in Karlsruhe eingereicht. Die FDP will erreichen, dass der noch verbliebene Zuschlag, den inzwischen nur noch Gutverdienende und Unternehmen zahlen, für verfassungswidrig erklärt wird. Mit einem Urteil wird erst in den kommenden Monaten gerechnet.
Das sind die wichtigsten Fragen und Antworten zum Soli.
Was ist der Solidaritätszuschlag?
Mit dem Solidaritätszuschlag sollte die Wiedervereinigung finanziert werden: Unter anderem flossen Gelder in den Ausbau der Infrastruktur in ostdeutschen Bundesländern. Zudem wurde Geld für die Wirtschaftsförderung bereitgestellt.
Der Soli wird als Zuschlag auf die Einkommens- und Körperschaftsteuer sowie Kapitalerträge erhoben und beträgt 5,5 Prozent der jeweiligen Steuer. Nachdem es bereits 1991/1992 einen zeitlich befristeten Vorläufer gegeben hatte, wurde der Zuschlag 1995 laut Bundesfinanzministerium "vor dem Hintergrund der anhaltenden Finanzierungslasten des Bundes im Zusammenhang mit der Herstellung der deutschen Einheit" unbefristet eingeführt. Das Geld ist aber – wie alle Steuereinnahmen – nicht zweckgebunden und fließt in den Bundeshaushalt.
Wer muss den Soli zahlen?
Bis Ende 2020 mussten fast alle Bürgerinnen, Bürger und Betriebe in Ost und West den Solidaritätszuschlag zahlen. Seit 2021 gilt der Soli für die Mehrheit der Steuerzahler nicht mehr, aktuell geht es um die verbliebenen Betroffenen, etwa Gutverdiener und Unternehmen. Der Soli wurde im Rahmen des "Gesetzes zur Rückführung des Solidaritätszuschlag 1995" für 90 Prozent der Steuerzahler bereits abgeschafft und für weitere 6,5 Prozent zumindest zum Teil. Dem Institut der deutschen Wirtschaft zufolge zahlten zuletzt noch rund sechs Millionen Menschen sowie etwa 600.000 Kapitalgesellschaften den Soli.
Als Privatperson muss der Soli für 2023 nur gezahlt werden, wenn in dem Jahr mehr als 17.543 Euro Einkommensteuer fällig waren. Für 2024 steigt die Grenze entsprechend auf 18.130 Euro Einkommenssteuer.
Wer klagt gegen den Soli?
Das Gericht in Karlsruhe verhandelt die Verfassungsberschwerde von zwei ehemaligen und vier derzeitigen FDP-Bundestagsabgeordneten – darunter der Fraktionsvorsitzende Christian Dürr und die ehemaligen Finanzstaatssekretäre Florian Toncar und Katja Hessel. Toncar und Hessel waren nach der Entlassung von FDP-Chef Christian Lindner aus dem Amt des Bundesfinanzministers vergangene Woche ebenfalls aus ihren Ämtern ausgeschieden. Die FDP-Politiker hatten geklagt, bevor die Liberalen in die Regierung kamen.
Warum wird gegen den Soli geklagt?
In der Beschwerdeschrift heißt es, der Zuschlag sei mit Auslaufen des sogenannten Solidarpakts II Ende 2019 verfassungswidrig geworden. "Eine stillschweigende Umwidmung der Ergänzungsabgabe ist unzulässig", sagte ihr Anwalt Henning Berger in der Verhandlung. Es sei eine "Normallage" eingetreten, die dagegenspreche, dass es den Soli weiterhin gebe. Die Kläger kritisieren zudem, dass Bezieher verschiedener Einkommen durch das Gesetz zur Rückführung des Solidaritätszuschlags ungleich behandelt würden.
Was spricht für den Beibehalt des Soli?
Der Bund verteidigt den Soli. Es gebe immer noch einen erhöhten Finanzbedarf durch die Folgen der Wiedervereinigung. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Andreas Audretsch betonte zudem, die Aufgaben des Bundes seien nicht weniger geworden. Er verwies etwa auf Mehrkosten durch den Infrastruktur-Ausbau, den Krieg in der Ukraine und die Klimakrise. Es gebe keinen Normalzustand. Das Sozialstaatsgebot begründe außerdem, dass nur Menschen mit einem hohen Einkommen belastet werden.
Was sagten andere Gerichte zum Soli?
Auch andere Gericht haben sich bereits mit dem Soli beschäftigt. Der Bundesfinanzhof (BFH) in München hatte im Januar 2023 eine Klage gegen den Solidaritätszuschlag abgelehnt und diesen für verfassungskonform erklärt. Ein Ehepaar aus Aschaffenburg hatte zusammen mit dem Bund der Steuerzahler die Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gefordert.
Dem BFH-Urteil zufolge hat der Bund aber schlüssig begründet, dass die Wiedervereinigung weiter erhöhten Finanzbedarf verursache, auch wenn die Solidarpakte zur Finanzierung der Einheitslasten ausgelaufen seien.
Welche Folgen könnte das Urteil haben?
Die Entscheidung aus Karlsruhe könnte große Auswirkungen für den Bundeshaushalt haben. Denn die Bundesregierung hat für das kommende Jahr Soli-Einnahmen von 12,75 Milliarden Euro fest im Haushalt verplant. Sollte das Verfassungsgericht den Zuschlag kippen, würde dies das Loch im Etat für 2025 noch deutlich vergrößern.
Doch es könnte noch schlimmer kommen: Der Senat könnte entscheiden, dass der Staat Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag der vergangenen Jahre zurückzahlen muss. Das wären dann seit 2020 um die 65 Milliarden Euro. Mit den Konsequenzen müsste sich dann vermutlich die nächste Bundesregierung beschäftigen.
Was würde ein Soli-Wegfall für Unternehmen bedeuten?
In Unternehmen könnte eine Abschaffung des Solidaritätszuschlags für Entlastung sorgen. So könnten Betriebe in Deutschland laut Experten knapp 65 Milliarden Euro einsparen. Das geht aus einer Berechnung des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) hervor. Wirtschaftsverbände plädieren seit Jahren für die Abschaffung der Abgabe.
dpa (kar)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 12. November 2024 | 14:00 Uhr
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