Deutsche Staatsbürgerschaft Neues Gesetz, alte Probleme: Schnelle Einbürgerung scheitert an Behörden
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03. Januar 2025, 08:11 Uhr
Wer sich gut integriert in Deutschland und einen Job hat, kann seit 2024 schneller den deutschen Pass bekommen. Die Ampel-Regierung hat das Staatsbürgerschaftsrecht entsprechend geändert. Doch die Praxis sieht oft anders aus. Eine erste Bilanz.
- In der Praxis: Gut integrierte Ungarin wartet seit zwei Jahren auf Termin.
- Einbürgerungsverfahren ziehen sich bis zu sieben Jahre hin.
- Die Behörden sind überfordert, es gibt hunderttausende offene Verfahren.
- Klagen gegen lange Verfahren sorgen dann für zusätzliche Bürokratie.
Gesetzestreue, eine Arbeit und Sprachkenntnisse sind nach wie vor Pflicht, um einen deutschen Pass zu bekommen. Jedoch muss man die alte Staatsbürgerschaft nicht mehr zwingend abgeben. Und statt bisher acht Jahre Aufenthalt, reichen für potenzielle Neubürger nun fünf Jahre, bei besonders guter Integration sogar nur drei.
Ungarin wartet seit zwei Jahren auf Termin
Die Realität sieht allerdings anders aus, wie Katy Molnár schildert. Die Ungarin lebt mit ihrer Familie seit mehr als einem Jahrzehnt in Leipzig. Schon Anfang 2023 versuchten sie erstmals, die Einbürgerung zu beginnen: "Ich habe da eine automatische E-Mail. Da stand durchschnittlich 18 Monate muss man warten. 18 Monate sind durch, jetzt bald 24 Monate. Und ich habe überhaupt keine Rückmeldung erhalten."
Theoretisch müsste Molnár also weiter warten. Wohlgemerkt für einen Termin, bei dem ihr nur gesagt wird, was sie alles einreichen muss. Dabei weiß Molnárs Familie das längst, und sie hat alle Bedingungen in der Zwischenzeit schon erfüllt: "Den Einbürgerungstest haben wir gemacht, sogar volle Punktzahl. Es zählt nichts, aber trotzdem, es ist nicht nur gemacht, sondern auch gut gemacht. Die B1-Sprachprüfung haben wir auch hinter uns, sehr gute Punkte. Und dann noch Unterlagen über Gehälter."
Trotz sicherem Job und Wohneigentum: Verfahren dauern bis zu sieben Jahre
Die Ungarin erläutert, sie habe einen unbefristeten Tarifvertrag im Öffentlichen Dienst "und wir haben ein Haus gekauft. Eigentlich reicht auch eine Adresse". Molnár versteht das nicht. Sie habe alle diese Punkte erfüllt und vollständig, ganz schnell im April eingereicht. Ohne Antwort bislang.
Fabian Graske, Experte für Ausländerrecht bei der Kanzlei Migrando überrascht das nicht: "Die Verfahrenszeiten bei deutschen Einbürgerungsbehörden betragen mittlerweile durchschnittlich zwei bis vier, teilweise sogar fünf Jahre. Damit kommt es gar nicht darauf an, ob ich nach drei Jahren möglicherweise eingebürgert werden kann, wenn ich tatsächlich erst nach insgesamt dann vier, fünf, sechs oder sieben Jahren eingebürgert werde."
Schnellere Einbürgerung nur auf dem Papier – Behörden überfordert
Damit hat sich theoretisch vieles geändert, praktisch jedoch gar nichts. Der Grund: Die Behörden kommen bei den vielen Anträgen nicht hinterher. Schon 2023 war die Zahl der Einbürgerungen bundesweit stark gestiegen – auf über 200.000, so viele wie seit der Jahrtausendwende nicht.
Wie viele Anträge seit Sommer wegen kürzerer Fristen noch hinzu kamen, lässt sich noch nicht sagen. Amtliche Statistiken gibt es erst im Frühjahr 2025. Eine Befragung des Mediendienstes Integration ergab jedoch, dass allein in den 40 größten deutschen Städten weitere 200.000 Anträge offen sind.
Teils liegen die Anträge derart lange, dass die eingereichten Dokumente schon wieder abgelaufen seien, sagt Rechtsanwalt Graske: "Alle sechs, sieben, acht, neun Monate werden wieder alle Unterlagen angefordert und deswegen zieht sich quasi so ein Einbürgerungsverfahren teilweise unendlich in die Länge. Ganz vereinfacht gesagt, weil der Mitarbeiter in der Behörde den einzelnen Fall drei, vier, fünf Mal anfassen muss, bevor er entscheidet. Einfach aufgrund von Überlastung."
Klagen gegen lange Verfahren sorgen für zusätzliche Bürokratie
Die Lösung für das Gesamtproblem sieht Graske in einer Kombination aus mehr Personal, Digitalisierung und Automatisierung. Den Einzelnen bleibe oft nur der Gang zum Gericht.
Auch Molnár hat diesen Weg wählen müssen, denn die Überlastung sei nicht die Schuld von gut integrierten Menschen, findet sie. Und so sorgt die Überlastung der Ausländerbehörden auch anderswo für noch mehr Arbeit: Denn die Zahl der Untätigkeitsklagen bei den Verwaltungsgerichten ist in den vergangenen Jahren gestiegen.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 02. Januar 2025 | 06:07 Uhr