AfD-Spitzenkandidatin im Porträt Alice Weidel – die Widersprüchliche
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07. Februar 2025, 05:00 Uhr
Die AfD hat mit Alice Weidel zwar eine Kanzlerkandatin, aber aktuell keine Machtoption. Die Strategin Weidel bemüht sich um einen moderaten Anstrich ihrer in weiten Teilen rechtsextremen Partei. Dabei zeigt sie sich flexibel – ist sie doch selbst eine Frau mit vielen Widersprüchen.
- Mit Wortgewalt und Flexibilität von der Co-Kandidatin zur alleinigen Nummer 1.
- Weidel ist eine Frau mit vielen Widersprüchen.
- Einst Höcke-Gegnerin, dann der Schulterschluss zum Machterhalt.
- Vorgezogene Wahl bewahrt AfD wohl vor Hochstufung als "gesichert rechtsextrem".
- AfD will bei Bundestagswahl mit Zielen von gestern punkten.
Mit Wortgewalt und Unterstützung der Basis zur Nummer 1
Alice Weidel ist seit vielen Jahren das Gesicht der AfD und zum dritten Mal Spitzenkandidatin ihrer Partei – doch jetzt erstmals allein: Zuvor stand sie an der Seite von Alexander Gauland beziehungsweise dem aktuellen Co-Vorsitzenden Tino Chrupalla.
Weidel ist eine Frau, auf die sich fast alle in der Partei einigen können. An der AfD-Basis ist sie sehr beliebt. Der Zuspruch aus den Kreisverbänden ist im Laufe der Jahre immer stärker geworden. Das liegt zum einen an ihrer wortgewaltigen Opposition gegen die politischen Gegner, zum anderen aber auch daran, dass Weidel innerparteilich sehr flexibel ist und Widersprüche aushält.
Weidel ist eine Frau mit Widersprüchen
Von diesen Widersprüchen gibt es viele. Da ist die Privatperson Weidel, die seit 17 Jahren zusammen mit ihrer aus Sri Lanka stammenden Partnerin lebt und zwei adoptierte Kinder hat.
Im Wahlprogramm der AfD werden solche Regenbogenfamilien mit keinem Wort erwähnt, auf Parteitagen und in sozialen Netzwerken hetzt die Partei gegen Homosexualität. Weidel verließ beim vergangenen Parteitag in Magdeburg die Bühne, als gegen homosexuelle Menschen gehetzt wurde. Ihre Beliebtheit in der Partei bleibt dennoch ungebrochen.
Weiter tritt Weidel als deutsche Patriotin auf, lebt aber mit ihrer Familie in der Schweiz und nicht in ihrem eigenen Wahlkreis am Bodensee. Auf Nachfrage erklärte Weidel, sie hätte auch noch andere Wohnsitze. Mehr gäbe es dazu nicht zu sagen.
Flexible Weidel: Von der Höcke-Gegnerin zum Schulterschluss
Lange Zeit gerierte sich Weidel als Konterpart zu den gesichert rechtsextremen Politikern in ihrer Partei. Einst machte sie sich sogar dafür stark, den Thüringer Landeschef Björn Höcke aus der Partei auszuschließen.
Doch als der Stern des einst moderaten Flügels in der Partei um Frauke Petry und Jörg Meuthen sank, erwies sich Weidel erneut als äußerst flexibel und schmiedete Machtbündnisse mit Höcke und Co. Dass sie heute auf Höckes Unterstützung zählen kann, zeigt, dass sie auch rechtsextreme Positionen toleriert, solange sie ihrem Machterhalt nützen.
AfD profitiert von der vorgezogenen Bundestagswahl
Dass es zu vorgezogenen Neuwahlen kommt, ist für Weidel und die AfD ein wahrer Glücksgriff. Recherchen des NDR zufolge wollte der Brandenburger Verfassungsschutz den Landesverband als gesichert rechtsextrem einstufen und sah aufgrund der Nähe zum Wahltermin davon ab. Gleiches hätte auch die Bundespartei ereilen können.
Daneben läuft gerade ein Antrag im Bundestag, in dem eine Gruppe von Abgeordneten fordert zu überprüfen, ob die AfD verfassungsgemäß agiert und ein Parteiverbotsverfahren angestrengt wird. Auch dazu dürfte es bis zur vorgezogenen Wahl keine Entscheidung geben.
"Ziele von Gestern" sollen Wähler abholen
"Zeit für Deutschland", heißt es auf den Wahlplakaten der AfD. Welche Zeit genau damit gemeint ist, lässt die Partei offen. Die Forderungen lassen jedoch den Schluss zu, dass die AfD zurück ins Gestern will. Nato-Austritt, EU-Austritt, Wiedereinführung der D-Mark. In die Atomkraft will die AfD wieder einsteigen, Gas auch aus Russland beziehen. Leistungen für Asylbewerber sollen, wenn es nach der AfD geht, dem Existenzminimum entsprechen.
Weiter möchte die Partei die Rechtslage für Abtreibungen deutlich verschärfen und die Finanzierung von Demokratieprojekten streichen. Kanzlerkandidatin Weidel hat bereits mehrfach gezeigt, dass sie weiß, wie sie diese Inhalte vor ihrer Stammklientel zu vertreten hat.
Das erklärte Ziel der AfD ist es jedoch, weit mehr Wählerinnen und Wähler zu mobilisieren, als es in der Vergangenheit der Fall war. Das wird nur über den Weg der selbstverordneten Mäßigung funktionieren. Der Wahlkampf wird zeigen, ob moderate Töne einer Kanzlerkandidatin glaubhaft erscheinen, wenn diese von erwiesenen Rechtsextremisten unterstützt und gefördert wird – zum Teil sogar die gleichen Inhalte vertritt.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 23. Februar 2025 | 18:00 Uhr