Polizisten stehen hinter einem Absperrband
Teile des Landespolizeigesetzes in Mecklenburg-Vorpommern verstoßen gegen das Grundgesetz. Nun werden Auswirkungen auf andere Länder geprüft. Bildrechte: picture alliance/dpa | Klaus-Dietmar Gabbert

Bundesverfassungsgericht Länder prüfen Karlsruher Entscheidung zu Polizeigesetz

02. Februar 2023, 14:55 Uhr

Das Polizeigesetz in Mecklenburg-Vorpommern verstößt in Teilen gegen das Grundgesetz. Das teilte das Bundesverfassungsgericht am Mittwoch mit. Welche Auswirkung kann diese Entscheidung auf die Gesetze anderer Länder haben? Mehrere Innenministerien kündigten an, die Entscheidung aus Karlsruhe zu prüfen. Vor allem Sachsen gerät nun in den Fokus.

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Polizeigesetz in Mecklenburg-Vorpommern prüfen mehrere Bundesländer die möglichen Auswirkungen auf die eigenen Gesetze.

Das Gericht in Karlsruhe hatte am Mittwoch einen Beschluss veröffentlicht, demzufolge Teile des Landespolizeigesetzes in Mecklenburg-Vorpommern gegen das Grundgesetz verstoßen. Die Entscheidung betrifft zunächst nur das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern, aber auch andere Bundesländer haben ähnliche Regelungen.

Insbesondere Sachsen gerät nun in den Fokus, weil Formulierungen im dort geltenden Polizeivollzugsdienstgesetz zum Teil fast identisch mit denen im Gesetz von Mecklenburg-Vorpommern sind. Das in Sachsen geltende Polizeigesetz befindet sich bereits seit 2019 in einem Normenkontrollverfahren vor dem Sächsischen Verfassungsgerichtshof. Geklagt hatten in Sachsen die Landtagsfraktionen der Linken und Grünen. Letztere sind seit Ende 2019 in Regierungsverantwortung, die Klage hielten sie trotzdem aufrecht.

Die Entscheidung vor dem sächsischen Gerichtshof wurde immer wieder nach hinten verlegt – erst am Donnerstag wurde mitgeteilt, dass die mündliche Verhandlung vom März in den September 2023 verschoben wurde, wie die "Sächsische Zeitung" berichtet.

Eine Sprecherin des sächsischen Innenministeriums sagte dem MDR: "Es ist nicht auszuschließen, dass sich das Urteil auch auf sächsisches Recht auswirken könnte. Das ist derzeit aber völlig offen. Aktuell wird geprüft, was das Urteil des Bundesverfassungsgerichts für unser Polizeigesetz bedeuten könnte."

Prinzipiell werde bei allen Entscheidungen von größeren Gerichten geschaut, was das für das Landesrecht bedeuten könnte.

Sachsen-Anhalt sieht keine Auswirkungen, Thüringen prüft

Das Innenministerium in Sachsen-Anhalt erklärt auf Anfrage, eine sorgfältige Auswertung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Bezug auf das Gesetz in Mecklenburg-Vorpommern sei geplant – auch im Hinblick auf eigenen Regelungen. Eine solche Auswertung sei üblich.

Dem Innenministerium zufolge wird der konkrete Fall jedoch keinen gesetzlichen Handlungsbedarf bei Online-Durchsuchungen und Quellen-Telekommunikationsüberwachung in Sachsen-Anhalt auslösen, da das dortige Polizeigesetz diese von Karlsruhe bemängelten Befugnisse gar nicht beinhalte.

Auch das Innenministerium in Thüringen wird nach eigenen Angaben nun die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts prüfen, weist aber auf MDR-Anfrage darauf hin, dass die konkrete Entscheidung zunächst nur Verfahrensbeteiligte beträfe, also das Land Mecklenburg-Vorpommern. Selbstverständlich werde man eventuelle Auswirkungen auf die Gesetzeslage in Thüringen prüfen, benötige aber Zeit, um den 81-seitigen Beschluss des Gerichts juristisch auszuwerten.

Eingriffe ins Privatleben Verdächtiger nicht rechtens

Das Bundesverfassungsgericht hatte in einer am Mittwoch veröffentlichten Entscheidung sogenannte Eingriffsbefugnisse im Polizeigesetz in Mecklenburg-Vorpommern als verfassungswidrig bewertet. Konkret geht es darum, wie weit polizeiliche Maßnahmen in das Privatleben von Verdächtigen vordringen dürfen. So dürfe die Polizei nur in Ausnahmefällen, nämlich bei konkreter Gefahr, Menschen abhören, überwachen oder deren Kommunikationsdaten sammeln. Führt eine Maßnahme – etwa beim Einsatz verdeckter Ermittler oder sogenannter V-Leute – zur Verletzung des Kerns der Intim- oder Privatsphäre, muss diese, außer bei einer Gefahr für den Ermittelnden oder dessen weiteren Einsatz, abgebrochen werden, entschied das Verfassungsgericht. (AZ: 1 BvR 1345/21)

Ausgeschlossen ist demnach zum Beispiel "das staatlich veranlasste Eingehen einer intimen Beziehung zum Zweck der Informationsgewinnung". Auch darf niemand als V-Person gewonnen werden, um den eigenen Ehepartner zu bespitzeln.

Gesetze in Sachsen und Bayern sehr ähnlich

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), die das Verfahren in Karlsruhe mit angestrengt hatte, sprach von einer Grundsatzentscheidung, die auch der Verschärfung von Polizeigesetzen in anderen Bundesländern rechtsstaatliche Grenzen setze. GFF-Verfahrenskoordinator David Werdermann teilte mit, die Polizei müsse auch dann die Grundrechte achten, wenn es um die Abwehr schwerer Straftaten gehe. "Die Polizeirechtsverschärfungen in verschiedenen Bundesländern, die Überwachung weit im Vorfeld einer Gefahr zulassen, verletzen das Grundgesetz."

Die GFF hat in Karlsruhe gegen Polizeigesetze verschiedener Länder geklagt. Nach ihrer Auskunft gibt es vor allem in Bayern und Sachsen Vorschriften, die ähnlich wie in Mecklenburg-Vorpommern eine Überwachung schon weit im Vorfeld einer konkreten Gefahr erlauben.

MDR/dpa/epd (asü)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 01. Februar 2023 | 19:30 Uhr

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