Der Redakteur | 24.10.2023 Wie gründe ich eine Partei?

24. Oktober 2023, 18:00 Uhr

Bernhard Wegmann aus Erfurt fragt: "Warum hat Sarah Wagenknecht eigentlich erstmal einen Verein gründet und nicht gleich eine Partei - und: kann man denn eigentlich so einfach eine neue Partei gründen?" Redakteur Thomas Becker hat sich auf die Suche nach Antworten gemacht.

Thomas Becker
Bildrechte: MDR/Christoph Falkenhahn

Rein rechtlich ist eine Partei auch nur ein Verein. Das heißt, sie braucht eine Satzung, muss einen Namen haben, die Rechte und Pflichten ihrer Mitglieder regeln - um nur einige Punkte zu nennen. Die Unterschiede beginnen spätestens mit dem Parteiengesetz.

Die Gesetzeslage ist entscheidend

Ein Sportverein wird ganz sicher nicht das Bestreben haben, sich auch noch an die Regeln des Parteiengesetzes zu halten. Hier beginnt quasi die Wandlung vom Verein zur Partei. Eine Partei ist nämlich laut Parteiengesetz eine Vereinigung von Bürgern, die dauernd oder für längere Zeit auf die politische Willensbildung Einfluss nehmen und an der Vertretung des Volkes im Deutschen Bundestag oder einem Landtag mitwirken wollen. Hier zeigt sich auch schnell der Unterschied zu Bürgerinitiativen, die sich oftmals nur für ein ganz bestimmtes Ziel einsetzen, also zumeist auf kommunaler Ebene zum Beispiel ein Bauwerk verhindern oder eine Umgehungsstraße einfordern. Außerdem braucht eine Partei neben einer Satzung (auch Statut genannt) auch noch ein Parteiprogramm, oft Grundsatzprogramm genannt. Das ist laut Parteiengesetz zwingend vorgeschrieben.

Die parteiinterne Demokratie

Das Grundgesetz schützt Parteien in Artikel 21, legt aber auch fest, dass deren innere Ordnung demokratischen Grundsätzen entsprechen muss. Das heißt, das "Führerprinzip" ist aus guten Gründen keine Basis, vielmehr muss genau die, also die Parteibasis, entscheiden.

Bei grundlegenden Entscheidungen muss das Votum der Mitglieder eingeholt werden und das geschieht regelmäßig auf den Parteitagen.

Prof. Michael Brenner Verfassungsrechtler Uni Jena

Der Begriff "Parteitag" ist in den neuen Bundesländern etwas negativ besetzt, in Erinnerung an die Abnick- und Klatschveranstaltungen der Herren Ulbricht und Honecker. Trotzdem sind sie heute das wichtigste Entscheidungsgremium. Dass es auf Parteitagen mitunter Streit gibt und knappe Entscheidungen und alle Jahre einen neuen SPD- oder CDU-Chef, das wird von den berühmten "politischen Beobachtern" gern kritisch kommentiert, aber eigentlich gehört das dazu. Das Ringen um die Richtung ist für eine Partei genauso wichtig, wie die Bereitschaft, sich hinter einem Mehrheitsbeschluss zu versammeln. Dass das nicht immer gelingt und eine Partei auch mal zerreißen kann, das sehen wir gerade bei der Linken. Und da sind wir fast schon bei Paragraf 14 des Parteiengesetzes und den Schiedsgerichten, die es, so Prof. Brenner, in Parteien zwingend geben muss, in "bloßen" Vereinen nicht.

Das heißt also, wenn es zu Streitigkeiten zwischen Parteimitgliedern oder verschiedenen Parteigremien kommt, muss es ein parteiinternes Schiedsgerichtsverfahren geben.

Prof. Michael Brenner Verfassungsrechtler Uni Jena

Auch dafür müssen die Voraussetzungen geschaffen und Leute gefunden werden. So eine Partei wird also schnell zu einer ziemlich personalintensiven Angelegenheit.

Welche Rolle spielt der Bundeswahlausschuss?

Wer "seinen Verein" zur Partei umgestalten und an Wahlen teilnehmen möchte, der muss sich beim Bundeswahlleiter melden. Dieser führt eine öffentlich zugängliche Sammlung von Unterlagen aller Parteien. Außerdem sitzt er dem Bundeswahlausschuss vor. Das ist ein Gremium, das einerseits aus Politikern besteht, was immer wieder zu Kritik führt, aber auch aus Richtern des Bundesverwaltungsgerichts und auch Prof. Michael Brenner war als Verfassungsrechtler zuletzt als Beisitzer zugegen.

Der Bundeswahlausschuss prüft, ob die verschiedenen Kriterien erfüllt sind, die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts herausgearbeitet wurden.

Prof. Michael Brenner Verfassungsrechtler Uni Jena

Mittlerweile kann eine Vereinigung im Falle einer Ablehnung des Parteienstatus noch vor einer Wahl zum Bundesverfassungsgericht gehen. Auch das zeigt, dass juristischer Sachverstand in den eigenen Reihen eine Grundvoraussetzung ist, eine Partei aufzubauen. Und das Aufbauen ist auch durchaus wörtlich zu nehmen. Einfach nur als laute Gruppe aufzutreten, das reicht nicht. Man muss Strukturen schaffen, die letztlich auch dazu dienen, dem Bürger einerseits Ansprechpartner zu sein, aber im Falle eines Wahlerfolgs auch die parlamentarische Arbeit zu organisieren und an den Gesetzen mitzuwirken. Und dann darf man auch nicht vergessen: Im politischen Meinungsspektrum ist nicht mehr viel Platz, die meisten Themenfelder sind bereits bestellt. Mit der erfolgreichen Wahl entsteht zudem eine große Verantwortung. Deshalb sind Landesverbände unerlässlich, also quasi Menschen vor Ort. Das ist ein Grund dafür, warum zwischen Ankündigen und Umsetzen bei Sarah Wagenknecht einige Monate des Mitstreitersammelns lagen.

Kleine Initiativen oder neue Parteien scheitern oft schon hier am Personal oder dann später, wenn sie vom Wahlerfolg überrascht werden und die Vertreter eher durch Eskapaden auffallen, als durch Sacharbeit – Stichwort Ronald Schill. Auch in den Altparteien spült es mitunter Vertreter nach oben, bei denen es schwer fällt, ausreichend Fachkompetenz zu erkennen. Aber das ist die Entscheidung der Partei, nicht des Bundeswahlausschusses und am Ende natürlich die des Wählers, ob er seine Stimme einer solchen Partei gibt. 

MDR (eta)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 24. Oktober 2023 | 16:40 Uhr

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