Faktencheck Darum stehen Parkautomaten in Berlin tatsächlich auf Parkflächen
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19. Dezember 2024, 08:55 Uhr
In der Stadt nehmen private Pkw viel Raum ein. Trotzdem wird Infrastruktur für Pkw, wie Parkscheinautomaten, oft in den Fußgängerraum gebaut. In Berlin gibt es in einem Bezirk eine Ausnahme. Was dahintersteckt.
- AfD-Politiker behauptet: Parkautomat auf Parkplatz sei Beweis für eine autofahrerfeindliche CDU-Politik.
- In einem Berliner Bezirk "parken" acht Automaten auf Parkplätzen.
- Parkscheinautomaten werden laut gängiger Praxis oft auf Gehwegen platziert. Doch wenig Platz auf dem Gehweg kann ein Problem für Fußgänger sein.
Der AfD-Politiker Ulrich Siegmund hat ein Problem. Er findet keinen Parkplatz in Berlin. In einem TikTok-Clip stellt er zur Schau, was ihn bei seiner Parkplatzssuche behindert. Im Video steht er vor einem Parkplatz, auf dem mittig ein Parkscheinautomat platziert ist. So, dass kein Auto darauf passt. Davon würde es in der Straße sogar mehrere geben, erzählt er mit Blick in die Kamera. "Und wer jetzt denkt, dass das 'ne grüne Innovation ist, der irrt, weil Berlin wird von einem CDU-Bürgermeister regiert, der genau solchen Wahnsinn zulässt", sagt Siegmund. Was ist dran?
Parkplatz für Parkscheinautomat
Es klingt wirklich absurd: Mitten auf dem Parkplatz soll ein kleiner Parkscheinautomat stehen und so die ganze Fläche blockieren. Mithilfe der Bilder-Rückwärtssuche von Google lässt sich die Behauptung Siegmunds schnell bestätigen. Tatsächlich stehen im Berliner Bezirk Tempelhof-Schöneberg solche Automaten – mitten auf Parkplätzen.
Zuständig für den Bezirk ist aber nicht Berlins regierender Bürgermeister Kai Wegner von der CDU, sondern Bezirksstadträtin Saskia Ellenbeck von den Grünen. Sie teilt MDR AKTUELL mit, dass die Standort-Auswahl der Automaten nicht auf die Entscheidung der CDU zurückgehe, sondern "in einem komplexen Verfahren im Straßen- und Grünflächenamt des Bezirksamtes" getroffen worden sei.
Wo genau die Parkscheinautomaten platziert werden, hänge demnach von einigen Kriterien ab: Unter anderem sind das Abstandsregelungen zum Bordstein, Schalt- und Stromkästen, Laternenpfosten, unterirdischen Leitungen zum Beispiel für Wasser und Strom, Internetleitungen oder der Breite von Fußwegen. Wo die Automaten am Ende genau stehen, entscheidet niemand aus der Politik, sondern Fachleute aus der Verwaltung.
Acht von rund 4.700 Parkplätzen im Bezirk fallen weg
Was Siegmund in seinem TikTok-Clip nicht erwähnt, ist, dass in den beiden betroffenen Parkraumzonen insgesamt mehrere tausend Parkplätze zur Verfügung stehen. Acht von rund 4.800 Parkplätzen in den zwei Zonen sind laut Bezirksamt mit Parkscheinautomaten belegt. Im gesamten Bezirk Tempelhof-Schöneberg gibt es knapp 30.000 Parkplätze. Laut Bezirksamt sind dort 207 Automaten aufgestellt worden – die meisten davon stehen auf Gehwegen. Das bedeutet, im gesamten Bezirk Tempelhof-Schöneberg ist lediglich jeder 3.700. Parkplatz nicht nutzbar, weil er mit einem Automaten belegt ist.
Stadträtin Ellenbeck verweist bei der Auswahl von Standorten für die Automaten auf spezifische Kriterien und Prioritäten des Berliner Mobilitätsgesetzes. Das ist 2018 vom seinerzeit rot-rot-grünen Senat beschlossen worden. Es räumt Fußgängern, Radfahrern und dem öffentlichen Nahverkehr Vorrang bei der Verkehrsplanung ein.
Der Platz auf der betroffenen Innsbrucker Straße sei begrenzt, sagt die Bezirksstadträtin: "Bei der Querschnittsverteilung der Innsbrucker Straße, entfallen bei einer Breite von ca. 32 m von Hauswand zu Hauswand (Nr. 5-55) gut 43 Prozent auf Parkflächen für parkende Kraftfahrzeuge, jedoch nur 25 Prozent auf Gehwege und 31 Prozent auf die Fahrbahnen." Der Professor für Verkehrsplanung an der Technischen Universität Dresden, Gerd-Axel Ahrens, erklärt MDR AKTUELL zudem: "Wichtig ist, dass der Fahrer oder die Fahrerin des abzustellenden Fahrzeuges den Standort des Automaten vom Parkplatz aus sehen können." Es müssen also genügend Parkscheinautomaten in umittelbarer Nähe der Parkplätze aufgestellt sein.
Gehwege gehören den schwächsten Verkehrsteilnehmern
"Die gängige Praxis ist, dass Parkscheinautomaten auf Gehwegen stehen. Das ist insofern problematisch, als dass die Gehwege meistens schon für vielfältige Nutzung bereitstehen müssen, wie beispielsweise für Mülleimer, für Parkscheinautomaten, für Verteilerkästen, für Werbeaufsteller", sagt Anne Klein-Hitpaß, Bereichsleiterin Mobilität beim Deutschen Institut für Urbanistik (Difu), MDR AKTUELL.
Gehwege sollen Richtlinen der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen zufolge je nach Straßennutzung eine Mindestbreite von 2,10 bis 2,50 m haben. Eine gesetzlich vorgeschriebene Mindestbreite für einen Gehweg gibt es in Deutschland jedoch nicht.
Gehwege sind laut Difu-Mitarbeiterin Klein-Hitpaß den schwächsten Verkehrsteilnehmern vorbehalten: Menschen, die zu Fuß unterwegs sind. Dazu gehören Kinder, ältere Menschen und Menschen im Rollstuhl. Je mehr Infrastruktur auf dem Gehweg platziert werde, desto weniger Platz gebe es dort, erklärt Klein-Hitpaß: "Und so kommt es, dass man vereinzelt dazu übergeht, dass ein Parkscheinautomat auch auf einem Parkplatz aufgestellt wird. Der Parkscheinautomat ist eng verknüpft mit der Nutzung eines privaten Fahrzeugs. Und insofern kann man durchaus auch rechtfertigen, dass ein Parkscheinautomat auch auf einem Parkplatz steht und nicht auf einem Gehweg, der eigentlich für die Fußgänger vorgesehen ist."
Aussage auf TikTok stimmt nur teilweise
In einem hat Ulrich Siegmund in seinem Video also zum Teil Recht: Einige wenige Parkscheinautomaten in Berlin Tempelhof-Schöneberg stehen tatsächlich auf Parkplätzen. Mit der Entscheidung oder auch der Duldung dieser Entscheidung hat Berlins Bürgermeister Kai Wegner von der CDU allerdings nichts zu tun. Mit einem Facebook-Post der CDU-Fraktion Tempelhof-Schöneberg stellte sich die Partei gegen die Platzierung der Automaten.
MDR AKTUELL hat Ulrich Siegmund um eine Stellungnahme zu seiner Aussage "Aber Berlin lässt genau sowas zu. Und wer jetzt denkt, dass das 'ne grüne Innovation ist, der irrt, weil Berlin wird von einem CDU-Bürgermeister regiert, der genau solchen Wahnsinn zulässt" gebeten. Der AfD-Politiker hat daraufhin ein weiteres Video auf TikTok veröffentlicht, in dem er die Fragen von MDR AKTUELL beantwortet. Auf die Frage, wo die Automaten seiner Meinung nach stehen sollen, antwortet er: "auf dem Bürgersteig."
AfD-Influencer Ulrich Siegmund Ulrich Siegmund ist einer der erfolgreichsten AfD-Politiker auf der Plattform TikTok. Knapp 464.000 Menschen folgen ihm dort. Seine Inhalte sind etwa 7,4 Millionen mal geliked worden. Das Video mit dem Titel "Hasst die CDU uns Autofahrer?" wurde mehr als 267.000 mal angesehen (Stand 16.12.).
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