Linke im Bundestag Streit um Wagenknecht überschattet Suche nach Linken-Fraktionsspitze
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30. August 2023, 11:57 Uhr
Nach der Parlamentspause droht der Linken im Bundestag die nächste Zerreißprobe: die Wahl der neuen Fraktionsspitze. Kandidaten stehen bisher nicht fest. Auf einem Treffen wollen die Abgeordneten nun eine Lösung suchen.
- Die Linke-Bundestagsfraktion will am kommenden Montag neue Vorsitzende wählen, doch Kandidaten stehen noch nicht fest.
- Auf der Fraktionsklausur wird nach einer Lösung gesucht.
- Über Klausur und Wahl schwebt der Streit um Sahra Wagenknecht.
Eigentlich steht die Wahl der Fraktionsspitze gar nicht explizit auf der Tagesordnung, wenn sich die Linken-Fraktion im Bundestag zur Klausur trifft. Am Mittwoch und Donnerstag wollen die Abgeordneten beraten: Etwa über Rentenpolitik, Krankenhaussterben und die AfD. Doch es gibt auch den allgemeinen Punkt "Entwicklung der Fraktion", der gleich für den Beginn der Klausur vorgesehen ist.
Dann wird es vermutlich auch um die Wahl der Fraktionsspitze gehen, die am kommenden Montag ansteht – und die erneut zur Zerreißprobe für die Linke im Bundestag werden könnte. Denn bisher ist völlig unklar, wer die Fraktion künftig führen wird. Nach MDR-Informationen standen Partei- und Fraktionsspitze in den vergangenen Tagen im engen Austausch. Greifbare Ergebnisse gab es bisher aber wohl nicht.
Klar ist derzeit nur: Die bisherige Fraktionsspitze aus Amira Mohamed Ali und Dietmar Bartsch will nicht mehr kandidieren. Zur Begründung, warum sie nicht mehr antreten will, hatte Mohamed Ali vor allem die Distanzierung der Parteispitze zu Sahra Wagenknecht angegeben. Es falle Mohamed Ali zudem zunehmend schwer, den Kurs der Parteiführung in der Öffentlichkeit zu vertreten.
Kritik an Linken-Parteispitze
Christian Leye ist Linken-Bundestagsabgeordneter und war früher Mitarbeiter von Sahra Wagenknecht. Er kritisiert den Parteivorstand heftig. Die anstehende Wahl zeige das Dilemma der Partei. "Erst wurde aus den Reihen des Parteivorstandes immer wieder der Rückzug von Amira Mohamed Ali und Dietmar Bartsch gefordert – und das wohlgemerkt, ohne dass von den Parteivorsitzenden widersprochen wurde. In keiner anderen Partei wäre so ein Vorgang denkbar", sagte Leye dem MDR. "Und nun, da die beiden wirklich nicht mehr kandidieren, herrscht Ratlosigkeit. Sollte es nach der Klausur noch keine Kandidaten geben, wäre das ein Offenbarungseid."
Mehrere Namen wurden zuletzt in der Öffentlichkeit gehandelt. Darunter auch der von Linken-Parteivorsitzende Janine Wissler. Die Parteiführung hat ein Vorschlagrecht, zudem hat Wissler Erfahrung als Fraktionsvorsitzende in Hessen. Doch will sie wirklich Partei- und Fraktionsvorsitz auf sich konzentrieren? Zuletzt regierte Wissler ausweichend auf die Frage.
Mehrere andere Bundestagsabgeordnete wollen sich vor Fraktionsklausur und Wahl der Fraktionsspitze lieber gar nicht zum Thema äußern. Neben Wissler werden auch Gesine Lötzsch und der Leipziger Bundestagsabgeordnete Sören Pellmann als mögliche Kandidaten für die Fraktionsspitze gehandelt. Doch die Frage bleibt: Wer schafft es überhaupt, die Mehrheit der Abgeordneten hinter sich zu versammeln?
Streit um Sahra Wagenknecht
Seit Jahren schwelt nun der Streit in der Linken um den Umgang mit Sahra Wagenknecht. Spätestens mit ihrer Rede zu den Russland-Sanktionen vor rund einem Jahr im Bundestag gab es einen Bruch in der Fraktion. Die Fraktionsvorsitzenden Mohamed Ali und Bartsch waren danach zum Rücktritt aufgefordert worden, weil sie Wagenknecht das Rederecht erteilt hatten. Seitdem ringen Gegner und Befürworter von Wagenknecht um den weiteren Kurs.
Viele Beobachter erwarten eine Spaltung der Partei Die Linke und eine Neugründung einer Partei von Wagenknecht und ihren Unterstützern. Das würde sich wohl vor allem in der Bundestags-Fraktion der Linken widerspiegeln, wo das Wagenknecht-Lager größer ist als in der Gesamtpartei. Im Juli hatten sich sächsische Bundestags- und Landtagsabgeordnete der Linken geschlossen für einen Verbleib in der Partei ausgesprochen. Auch aus Sachsen-Anhalt gab es solche Signale. Dennoch: Sollten mindestens drei Bundestagsabgeordnete die Fraktion verlassen, würde der Fraktionsstatus verloren gehen. Unter anderem weniger Redezeit und Einflussmöglichkeiten wären die Folge.
Doch noch ist es nicht so weit. In der Linken hoffen nun viele, dass die Fraktionsklausur den Durchbruch bei der Suche nach der neuen Fraktionsspitze bringt. Denkbar ist aber auch, dass es zur geplanten Wahl der Fraktionsspitze am Montag noch immer keine Kandidaten gibt, die Chancen auf eine Mehrheit haben. Dann könnte die Wahl verschoben werden. Der brandenburgische Linken-Bundestagsabgeordnete Christian Görke sagte dem MDR, er erwarte auf der Fraktionsklausur eine kontroverse aber auch notwendige Debatte und dann auch klare Personal-Entscheidungen. "Eine auch diskutierte Verschiebung der Vorstandswahl wäre die schlechteste Variante."
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 30. August 2023 | 11:09 Uhr