Kristin Schwietzer und Hans-Georg Maaßen
Der Werteunion-Vorsitzende Hans-Georg Maaßen (noch CDU) will am Samstag bei einer Mitgliederversammlung in Erfurt aus dem CDU-nahen Verein am Sonntag eine Partei machen. Bildrechte: ARD-Hauptstadtstudio/Reiner Freese, dpa Heiko Rebsch

Unter der Lupe – die politische Kolumne Die schwindende Mitte

21. Januar 2024, 13:25 Uhr

In diesem Jahr schaut alles auf die Wahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg. Die bisherigen Umfragen bescheinigen den Ampel-Parteien schon jetzt ein schlechtes Zeugnis. Doch viel beunruhigender dürfte die Frage sein, ob es in der politischen Mitte überhaupt noch Mehrheiten gibt. Alle gegen die AfD, wenn es reicht, vielleicht. In Thüringen und Sachsen könnte es in der Mitte jetzt noch enger werden.

Am Wochenende will die Werteunion ernst machen. Der ehemalige Verfassungsschutzpräsident, Hans-Georg Maaßen, will eine neue Partei gründen. Die Verortung – irgendwo zwischen CDU und AfD.

Parteigründung der Werteunion ausgerechnet in Thüringen

Die Splittergruppe in der CDU fremdelt schon länger mit der Ausrichtung der eigenen Partei. Lange galt Friedrich Merz als ihr Hoffnungsträger. Mehr konservatives Profil hatten sich die Mitglieder der Werteunion von Merz erhofft.

Seine Ankündigung, bevor er Parteivorsitzender wurde, die Wählerschaft der AfD zu halbieren, hat Merz inzwischen mehrfach zurückgenommen. Für die Mitglieder der Werteunion aber bleibt es ein unerfülltes Versprechen. Dazu kommt Frust über die Ampel und inzwischen auch offene Sympathien für eine Zusammenarbeit mit der AfD.

Bei dem Treffen rechtsextremer Gruppen in Potsdam saßen auch Mitglieder der Werteunion mit am Tisch. Jetzt also kommt die Abspaltung von der CDU, ausgerechnet in Thüringen. Nirgendwo sind die politischen Mehrheiten derzeit so volatil und verletzlich wie in Thüringen.

Sahra Wagenknecht scheint bislang auf ihre Prominenz zu setzen

Die Koalition unter dem linken Regierungschef, Bodo Ramelow, hat keine eigene Mehrheit. Sie muss sich für ihre Vorhaben wechselnde Mehrheiten organisieren. Weitere Parteigründungen dürften die Parteienlandschaft noch unübersichtlicher machen.

Auch die ehemalige Spitzenpolitikerin der Linken, Sahra Wagenknecht, will mit ihrer neuen Partei, dem Bündnis Sahra Wagenknecht, in Thüringen antreten. Umfragen attestieren ihr aus dem Stand 17 Prozent. Und das obwohl Wagenknecht noch nicht einmal einen Spitzenkandidaten oder eine Spitzenkandidatin vorgestellt hat. Ein Parteiprogramm gibt es auch nicht.

Wagenknecht setzt wohl auf ihre Prominenz in Thüringen und auf einen schlagkräftigen Wahlkampf. Ein Blick in das Europawahlprogramm macht zumindest mal deutlich, wohin die Reise gehen könnte. Die Welt sei "im Würgegriff von Krieg und Gewalt." Die aktuelle EU schade der europäischen Idee: "Die EU heute – das sind unzählige Versprechen, endlose Sonntagsreden, viele schöne Worte". Ihre Antwort heißt mehr Nationalstaat, mehr Protektionismus à la Trump.

Vermeintlich einfache Antworten sind attraktiv

Der letzte, der einer Partei seinen Namen gab, hieß übrigens Ronald Barnabas Schill. Der Amtsrichter aus Hamburg schaffte es 2002 aus dem Stand mit fast 20 Prozent in den Hamburger Senat. Als "Richter Gnadenlos" war er bekannt für harte Urteile. Die Kriminalitätsbekämpfung war sein Ziel. Am Ende verstrickte sich Schill in politischen Intrigen und Kokain. Zuletzt landete er im Trash-TV.

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AfD und Bündnis Wagenknecht: Der Druck auf etablierte Parteien steigt - Ein "Meinung zu Gast"-Beitrag von der "Zeit"-Journalistin Anne Hähnig.

MDR AKTUELL Fr 27.10.2023 16:44Uhr 03:17 min

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Das britische Pendant, Nigel Farage, machte Stimmung für den Brexit, mit Erfolg. Mancher Brite wünscht sich heute wohl, er hätte damals nicht dafür gestimmt. Farage selber grüßte am Ende aus dem britischen Dschungelcamp.

Doch es geht nicht um Karrieren von Populisten, sondern vielmehr um die Frage, wie sehr die Wähler ihnen Glauben schenken. Einfache Botschaften. Das dürfte viele Wähler anziehen. Die Sehnsucht nach jemanden, der auf alles eine Antwort hat, ist verständlich. Leider ist die Welt komplexer und die Antworten deshalb wohl auch komplizierter.

Randparteien sind Gefahr für demokratische Mitte

Dass die Ampel mit ihrer Sparpolitik und dem oft, viel zu oft nach außen getragenem Streit, den Unmut noch befeuert, macht es nicht besser. Der Protest auf der Straße spiegelt die Gefühlswelt vieler Menschen wider. In Thüringen wird die Neugründung von Werteunion und dem Bündnis von Sahra Wagenknecht kaum erreichen, was viele sich erhofft haben – die Stimmen der AfD zu verringern. Danach sieht es derzeit nicht aus. Vielmehr sind noch mehr Parteien am politischen Rand eine Bedrohung für die demokratische Mitte. Sie werden das Parteiensystem kaum inhaltlich bereichern. Vielmehr werden sie das Dilemma, in der Mitte noch Mehrheiten zu bilden, verschärfen.

SPD, Grüne und FDP haben sich in den letzten zwei Jahren so aneinander aufgerieben, dass sie in Ostdeutschland momentan kaum noch eine Rolle spielen. Das liegt wohl auch am schlechten Erscheinungsbild der Ampel in Berlin. Einzig die CDU verharrt da noch, in Thüringen wohl umgeben von AfD, dem Bündnis Wagenknecht und möglicherweise noch der Werteunion.

Jetzt schielen viele auf ein Verbot der AfD. Doch das wird das Problem nicht lösen. 20 bis 30 Prozent der Wähler zu ignorieren, könnte der AfD im Schlaf weitere Prozente zuspielen. Noch hat es auch die Ampel in der Hand, die Menschen bei ihren Entscheidungen mitzunehmen. Das wäre wohl die beste Antwort, um Populisten das Wasser abzugraben.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 20. Januar 2024 | 06:10 Uhr

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