Sondervermögen Verankerung von Klimaneutralität bis 2045 in Verfassung ändert nicht viel
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19. März 2025, 06:55 Uhr
Klimaneutralität bis 2045 steht nun zwar nicht als Staatsziel in der Verfassung, wohl aber als Passus in der Finanzverfassung. Das haben die Grünen ausverhandelt, um abzusichern, dass vom milliardenschweren Sondervermögen auch wirklich die vereinbarten Summen in den Klimaschutz fließen. Juristisch ändert sich aber nicht allzu viel.
- Juristisch verändert die Ergänzung der Verfassung zur Erreichung der Klimaneutralität nichts.
- Gegen Projekte des Sondervermögens, die nicht der Klimaneutralität gelten, könnte allerdings geklagt werden.
- Außerdem könnte die Ergänzung die politische Debatte beeinflussen.
Am Wochenende gab es große Debatten darüber, ob die Klimaneutralität bis 2045 im Grundgesetz als Staatsziel festgeschrieben werden soll. Am Ende ist das so nicht gekommen. Vielmehr ergänze ein Passus nun nur die Finanzverfassung, sagt Christian Calliess, Professor für öffentliches Recht und Umweltrecht an der Freien Universität Berlin: "Juristisch ändert die Ergänzung unserer Verfassung nichts. Sie ist nur bezogen auf dieses Sondervermögen 'Infrastruktur' und soll die Zweckbindung hinsichtlich der Mittel absichern."
Experten uneinig bei der Zweckbindung
Was die Zweckbindung angeht, da sind sich Experten allerdings uneinig, wie diese gelesen werden könnte, gibt Jan Schnellenbach zu bedenken. Er lehrt als Wirtschaftswissenschaftler an der Technischen Universität Cottbus: "Die Klausel, dass Projekte der Klimaneutralität dienen sollen, ist interpretationsbedürftig". Sie könne weit interpretiert werden: Etwa so, "dass sämtliche Projekte in diesem Sondervermögen darunter fallen." Dann wäre nicht ganz klar, ob ein Autobahnneubau der Klimaneutralität dient.
Man könnte versuchen, Investitionen gerichtlich anzufechten, sagt Schnellenbach. So klage etwa die Deutsche Umwelthilfe immer wieder gegen Infrastrukturprojekte und verzögere oder blockiere die Vorhaben sogar.
Keine Klagen auf Basis der neuen Vorschrift möglich
Der Jurist Christian Calliess gibt allerdings zu bedenken, dass es sich um zwei verschiedene rechtliche Rahmen handele: "Eine Klage kann nur auf das Staatsziel Umweltschutz gestützt werden, das in unserer Verfassung bereits besteht und den Klimaschutz umfasst."
Außerdem könne eine Klage auch auf Schutzpflichten aus Grundrechten gestützt werden, die mit Blick auf den Klimaschutz die menschliche Gesundheit schützen, sagt Calliess. "Aber nicht aus dieser neuen Vorschrift. Die ist in diesem Sinne nicht relevant." Denn die gebe lediglich eine verfassungsrechtliche Absicherung für den Zweck des Sondervermögens. Die Höhe, die in den Klimaschutz investiert werde, lege dann die Politik fest.
Einfluss auf die politische Diskussion
Die juristisch in dieser Lesart weitestgehend irrelevante Neuerung könnte anderweitig vielleicht doch relevant werden, meint Joachim Weimann, emeritierter Wirtschaftswissenschaftler der Uni Magdeburg. Denn sie könnte die politische Diskussion beeinflussen: "Wenn etwas ins Grundgesetz kommt, ist das bedeutsam. Ich glaube nicht, dass es viele gibt, die sich differenziert den Text anschauen." Zu sagen, etwas sei gegen das Grundgesetz, sie jedoch die schwerste Keule, die man auspacken könne.
Allerdings sei das schon vorher möglich gewesen, eben durch das Staatsziel "Umweltschutz" in der Verfassung, sagt Rechtswissenschaftler Calliess. Und auch das Ziel, dass Deutschland bis 2045 treibhausgasneutral sein soll, ist nicht neu. Das wurde bereits mit dem Klimaschutzgesetz im vergangenen Jahr beschlossen.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 19. März 2025 | 06:17 Uhr