Fahrradwerkstatt Flüchtlingsunterkunft Die ASB Nothilfe Berlin GmbH eröffnet auf dem Gelände der ASB-Gemeinschaftsunterkunft Zehlendorf (Hohentwielsteig 27-29) einen Fahrradwerkstattcontainer für die Bewohner der Unterkunft.
Das britische Unternehmen Serco übernimmt mehr als 100 Flüchtlingsunterkünfte in Deutschland. (Symbolfoto) Bildrechte: imago/Christian Mang

Asylpolitik Millionengeschäft Flüchtlingsunterkunft – Experte warnt vor Monopolbildung

07. Februar 2024, 08:17 Uhr

Viele Menschen denken, Flüchtlingsheime werden vom Staat oder von Kommunen betrieben, die dort mit festangestellten und ehrenamtlichen Helfern die Geflüchteten betreuen. Doch das stimmt nicht: Flüchtlingsheime sind ein Millionengeschäft. Vor wenigen Wochen hat ein britischer Konzern mehr als 100 Flüchtlingsunterkünfte in Deutschland übernommen – zur Sorge von Flüchtlingsinitiativen.

Ralf Geißler, Wirtschaftsredakteur
Bildrechte: MDR/Isabel Theis

Ein Flüchtlingsheim kann ein gutes Geschäft sein – zumindest für den Betreiber. Zu den Großen in Deutschland gehört die Firma European Homecare aus Essen. Seit Jahrzehnten managt sie für den Staat Erstaufnahmeeinrichtungen, Gemeinschafts- oder Notunterkünfte. Im letzten Geschäftsbericht verzeichnete European Homecare fast 20 Millionen Euro Gewinn. Nun hat ein britischer Konzern den Dienstleister übernommen: die Serco-Gruppe.

Serco übernimmt ehemals staatliche Dienstleistungen

Der emeritierte Wirtschaftsprofessor Werner Nienhüser hat sich mit ihr beschäftigt: "Serco ist ein multinational tätiges Unternehmen, das in dem Geschäftsfeld arbeitet, ehemals staatliche Dienstleistungen zu übernehmen in allen möglichen Bereichen. Das reicht von Schwimmbädern über militärische Dienstleistungen, Sicherheitsdienstleistungen. Gefängnisse werden privat betrieben. Das ist ihr Geschäftsfeld mit 50.000 Beschäftigten in zwanzig Ländern."

Serco selbst betont in einer Pressemitteilung, man wolle mit dem Kauf der deutschen Heime Marktanteile ausbauen. Man biete den Nutzern hohe Standards und begegne ihnen mit Fürsorge und Respekt. Wörtlich heißt es: "Weltweit bestehen komplexe und wachsende Anforderungen an Unterstützungsdienste für Einwanderungs- und Asylbewerber. Und wir können auf eine starke Erfolgsbilanz bei der Bereitstellung hoher Servicestandards zurückblicken."

Sächsischer Flüchtlingsrat sieht das kritisch

Der Sächsische Flüchtlingsrat ist weniger begeistert. Sprecher Osman Oguz sagt, man finde es generell nicht gut, dass Flüchtlingsunterkünfte von Privatfirmen betrieben werden. Ihnen gehe es vorrangig ums Geld. Serco mache derzeit vier Milliarden Euro Umsatz. "Diesen Umsatz erzielen sie zum Beispiel auf den australischen Inseln, wo sie Inselgefängnisse für geflüchtete Menschen betreiben, von denen es seit Jahren Meldungen über Misshandlungen und endemische Depressionskrankheiten gibt." Inwieweit diese Meldungen zutreffen, lässt sich von Deutschland aus kaum überprüfen.

In Sachsen überwacht die Landesdirektion die Erstaufnahmeeinrichtungen für Geflüchtete. Dort sagt Sprecherin Valerie Eckl, man habe in den Verträgen zum Betrieb der Unterkünfte klare Qualitätsstandards vereinbart: "Für uns ändert die Übernahme nichts an dem bestehenden Betreibervertrag. In dem Vertrag sind die Leistungen und die Vergütung klar geregelt. Und dieser Vertrag bleibt eben auch nach der Übernahme unverändert gültig."

Wirtschaftsprofessor: Serco will expandieren

Nach maximal sechs Jahren würden die Verträge zum Betrieb der Flüchtlingsheime neu ausgeschrieben, sagt Eckl. Dann könnten sich Dienstleister aus ganz Europa bewerben. Wirtschaftsprofessor Nienhüser geht davon aus, dass Serco diese Ausschreibungen gewinnen will. Denn das Unternehmen wolle expandieren. "Wenn sie höhere Marktanteile haben, dann haben sie ein Alleinstellungsmerkmal. Dann sind sie im Extremfall womöglich fast Monopolist und können dann auch auf der Preisseite oder Qualitätsseite Veränderungen zu ihrem Vorteil übernehmen. Sie können Preise erhöhen und die Qualität verschlechtern."

Nienhüser befürchtet, dass es den Staat noch teuer zu stehen kommen könnte, dass er Unterkünfte für Geflüchtete von privaten Dienstleistern betreiben lässt. Aus seiner Sicht sollte der Staat die dezentrale Unterbringung ausbauen – also Geflüchtete in Wohnungen vermitteln. Das sei womöglich billiger als die Millionen für externe Dienstleister und ihre Sammelunterkünfte.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 06. Februar 2024 | 06:05 Uhr

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